Es ist ziemlich genau ein Jahr her, da fragten sich viele Anleger bang: Wie soll ich es eigentlich schaffen, mein Geld zu erhalten, wenn die Inflation allein in einem Jahr rund neun oder sogar zehn Prozent meines Ersparten auffrisst? Auf zwei Jahre gesehen schrumpfte das Kapital damit um fast 20 Prozent, allein durch die Teuerung. Und so viel könne man doch auf nahe Sicht gar nicht mit dem Depot verdienen, um das auszugleichen, oder? Zumal Aktien und Anleihen im vergangenen Jahr zeitgleich abrauschten und vielen Depots ein dickes Minus am Jahresende bescherten.
Um die Pointe gleich vorweg zu nehmen: Nein, konnte man im vergangenen Jahr kaum, aber inzwischen aber hat sich die Situation wieder mächtig verändert.
Deshalb wagen wir einen Blick nach vorn – auf die zu erwartenden Renditen der kommenden Jahre und auf das, was nach Inflation im Portfolio hängenbleiben dürfte, sowohl für Aktienanleger als auch für Anleihenfans und besonders für Depots, die aus dem klassischen Mix von 60 Prozent Aktien und 40 Prozent Anleihen bestehen. Die schwächelten ja zuletzt deutlich. Sind sie jetzt also wieder interessanter geworden? Ja, sie sind es, und zwar sehr deutlich im Vergleich zu den Zeiten vor der Zinswende. Auf absehbare Zeit könnten Anleger ihr Kapital mit so einem Portfolio in nur 13 Jahren verdoppeln. Aber der Reihe nach.
Viele Anleger sehen nur die Aktienkurse
Jeder, der zuletzt die Sorge hatte, dass nach Inflation nichts von den Kapitalerträgen übrigbliebe, der hatte vor allem die Aktienmärkte im Blick, die zwar 2021 noch gut liefen, aber 2022 tief nach unten rauschten. Dazu kam die Erfahrung, dass Anleihen keine nennenswerten Erträge mehr abwarfen. Und bis Ende letzten Jahres stimmte das alles ja auch – zumindest in der kurzfristigen Betrachtung. Mittlerweile hat sich das Bild aber grundlegend gewandelt.
Denn zum einen haben sich die Aktienkurse im ersten Halbjahr 2023 wieder kräftig erholt. Nun sind sie zwar seit dem Spätsommer wieder im Sinkflug und es ist noch nicht klar, mit welcher Bilanz die Börsen das laufende Jahr beschließen werden. Aber man darf hoffen, dass von den zwischenzeitlichen 20 Prozent Kursaufschwung wenigstens eine einstellige Rendite auf Jahressicht bleiben wird. Es ist zumindest nicht unwahrscheinlich.
Zum anderen haben die Zinserhöhungen der Zentralbanken dazu geführt, dass sich Anleihen wieder lohnen. Danach sah es Ende 2022 zuerst noch nicht aus, weil es stets einige Zeit dauert, bis die Kupons der neu aufgelegten Anleihen tatsächlich nachziehen, wenn die Zinsen steigen. Inzwischen ist das aber passiert. Für die älteren Bonds auf dem Markt war das natürlich eher keine gute Nachricht, deswegen rutschten ihre Kurse seit Sommer 2022 gewaltig ab, die Anlageprofis sprechen derzeit vom großen Bondcrash.
Dabei werden Anleihen immer interessanter
Doch der Absturz der Kurse heißt im Umkehrschluss auch: Die Renditen der Anleihen steigen, sie verhalten sich stets gegenläufig zu den Kursen. Wer daher jetzt eine Altanleihe zu einem Kurs von weit unter 100 kauft und das Papier bis zum Ende der Laufzeit hält, der erhält dann den Nennwert zurück (also die 100 Prozent) und bis dahin zusätzlich die Kuponzinsen obendrauf. Selbst wenn die dann vergleichsweise winzig sind, kann das also eine ansehnliche Rendite ergeben. Aber wie viel? Das haben die Investmentstrategen von JP Morgan in einem großen Marktüberblick errechnet.
Die Analysten fragten: Schafft man es derzeit, mit den Erträgen eines Depots die Inflation auszugleichen? Und was werfen typische Portfolios derzeit an Rendite ab? Gemeint sind Mischportfolios, die nicht nur aus breit gestreuten Aktien oder Anleihen bestehen, sondern beide Assetklassen zu bestimmten Anteilen mischen. Das klassische 60-40-Portfolio (60 Prozent Aktien, 40 Prozent Anleihen) rechneten sie dabei ebenso durch wie einen defensiven Mix, ein ausgewogenes Portfolio und einen offensiven Mix. Wie die sich im Detail zusammensetzen, erklären wir weiter unten. Das Schöne an den Portfolios ist: Man kann sie sehr leicht selber nachbauen.