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Dani Parthum Skandalös: Banken verkaufen Senioren Zertifikate als sichere Geldanlage

Dani Parthum
Dani Parthum
© Stefanie Link
Zertifikate sind nur etwas für erfahrene Anlegerinnen. Banken und Sparkassen juckt das nicht. Sie drehen älteren Menschen mit Wunsch nach Sicherheit Zertifikate an. Im schlimmsten Fall sind Teile des Vermögens futsch, das Geld hat dann die Bank

Das ist einfach skrupellos. Da geht eine 86-jährige Frau zu ihrer Volksbank, bei der sie seit Jahrzehnten Kundin ist. Sie hat Geld aus einer Lebensversicherung erhalten und möchte es sicher anlegen, um es nach und nach aufzubrauchen, weil ihre gesetzliche Rente nicht reicht. Das Anlagegespräch überfordert sie. Ihr wird etwas von einer Core-Satellite-Strategie erzählt, von Vermögenssteuerung, Multi-Opportunities und Global Technology Fonds. Und ganz prominent wird empfohlen, ein Drittel ihres Geldes in Zins-Zertifikate zu stecken, 30.000 Euro. Der Rest soll in acht Aktien- und Mischfonds investiert werden.

Zertifikat? Hat die Seniorin noch nie gehört und die Erklärung versteht sie nicht. Dabei ist sie sehr helle im Kopf! Zinsen aber kennt sie. Zwei Prozent kann sie drei Jahre lang mit diesem Zins-Zertifikat erhalten. Das wären bei 30.000 Euro immerhin 1800 Euro vor Steuern. Also, so ähnlich wie beim Tagesgeld, denkt sie. 

Als mir die 86-jährige den Anlagevorschlag zeigt, bekomme ich vor Wut Gänsehaut. Was für ein verantwortungsloser und fachlich falscher Anlagevorschlag! Völlig vorbei an den Bedürfnissen und Kenntnissen der Kundin. Sie wurde Ziel eines knallharten Produktverkaufs ohne Eingehen auf ihre Situation – mit dem vermeintlich sicheren Zins beim Zertifikat als Köder. Dass sie kurz davor war, eine Wette auf den Aktienindex Euro Stoxx 50 abzuschließen, davon erfuhr die Kundin nichts.

Zertifikate tun nichts für Privatanleger und -anlegerinnen. Zertifikate sind Inhaberschuldverschreibungen. Geht die Herausgeberin pleite, wird die Anlagesumme Teil ihrer Insolvenzmasse. Bedeutet für Anleger Totalverlust. Die Einlagensicherung greift nicht. Dazu sind Zertifikate hochkomplexe, strukturierte Wertpapiere mit vielen Bedingungen, Konditionen und Eventualitäten. Der Wert eines Zertifikates hängt von der Entwicklung eines Basiswertes ab; dabei kann es sich um einen Aktienindex sein, Rohstoffe oder Währungen handeln. Wer ein Zertifikat kauft, wettet auf eine bestimmte Marktentwicklung. Geht die Wette schief, bekommt die Anlegerin einen Teil des Geldes nicht zurück. Das behält die Bank.

Lehman-Pleite lässt grüßen: Bei Zertifikaten kein Schutz vor Bankinsolvenz

Die gesetzlich vorgeschriebenen Informationsblätter zu Zertifikaten weisen auf die Risiken kleingedruckt hin: „Es handelt es sich um ein Produkt für Anleger mit erweiterten Kenntnissen und Erfahrungen. Der Anleger legt keinen Wert auf einen Kapitalschutz.“

Die Volksbank empfiehlt also Menschen Zertifikate, von denen sie weiß, dass sie keine erweiterten Kenntnisse zu Zertifikaten haben und ihr Geld sicher wissen wollen? Also das genaue Gegenteil? Und obwohl eindeutig im Informationsblatt steht, dass sich das Zertifikat nicht für die 86-jährige Kundin eignet? Und zwar so überhaupt gar nicht? 

Abzocke: Mit Zertifikaten ziehen Banken ihren Kundinnen das Geld aus der Tasche

Für meine Klientin hätte das Investment in das dreijährige Zinsfix Express-Zertifikat bedeutet: 2010 Euro Kosten, 1800 Euro Zinsen vor Steuern. Verlust 210 Euro. Das Zertifikat hätte ihr also sehr wahrscheinlich eine Negativrendite von minus 0,7 Prozent eingebracht. Und im Fall, dass die Wette auf den Euro Stoxx 50 nicht aufgegangen wäre, würde sie auch ihre 30.000 Euro nicht zurückerhalten, sondern Anteile an einem iShares-ETF zu einem geringeren Wert. Völlig irre!

Solche Fehlberatungen gefährden die finanzielle Sicherheit von Menschen. Der Fall zeigt auch: Zertifikate haben für Privatanlegerinnen und -anleger keinen Nutzen! Keinen. Warum eine Volksbank das Sicherheits- und Liquiditätsbedürfnis, die Anlageziele und die fehlenden Kenntnisse ihrer langjährigen 86-jährigen Kundin missachtet? Weil sie prächtig an Zertifikaten verdient – auf Kosten der Kundin! Laut Derivateverband variieren die jährlichen Provisionen zwischen 0,5 Prozent und 2 Prozent bezogen auf die Anlagesumme. Einmalig berechnen die Banken zudem bis zu fünf Prozent Ausgabeaufschlag.

Genossenschaftsbanken und Sparkassen sind Champions beim Zertifikatevertrieb

Ausgerechnet die Volks- und Raiffeisenbanken und die Sparkassen verkaufen Zertifikate trotzdem massenhaft. Das genossenschaftliche Spitzeninstitut, die DZ-Bank, ist Marktführerin bei Zertifikaten. Genossenschaftsbanken beschreiben sich als „partnerschaftlich, verantwortlich und transparent”. Beim Produktvertrieb mit Zertifikaten agieren sie konträr zu diesen eigenen Werten.

Finanz-Szene analysierte bereits 2019 das zweifelhafte Vertriebsgebaren der Deka-Bank, Spitzeninstitut der Sparkassen und damals Marktführerin bei Zertifikaten. Zertifikate spülen Milliarden in die Bankkassen. Mitte 2024 waren laut Branchenverband BSW mehr als 113 Mrd. Euro in Zertifikate investiert. Sie werden als Alternative zu Tages- und Festgeld angepriesen, obwohl Tagesgeld mit festem Zins, ohne versteckte Kosten und Verlustrisiko einfach und risikoarm ist. Zertifikate dagegen sind komplexe Papiere mit hohen Kosten, der Möglichkeit des Totalverlusts und nur für erfahrene Anleger geeignet.

Dass die Bafin nun endlich diese für Kunden zweifelhafte und wohl oft auch nachteilige Vertriebs-Praxis bei Zertifikaten prüfen will, ist längst überfällig. Hoffen wir das Beste.

Eine bedürfnisorientierte Beratung hätte meiner Klientin eine risikoarme Anlage in Fest- und Tagesgeld empfohlen sowie vielleicht zwei ausschüttende ETFs auf Staats- und Unternehmensanleihen – ohne versteckte Kosten, mit Kapitalerhalt und jederzeitigem Zugriff.

Dani Parthum bei der BRIGITTE Academy Masterclass Finanzen

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