Mit dem 27. Geburtstag erhalten wir erstmals unsere persönliche Renteninformation. Auf dieser stehe viele Zahlen. Zwei sind wichtig: Die Regelaltersrente, auf die wir aktuell ab 67 Jahren Anspruch haben und die Regelaltersrente ab 67 unter der Bedingung, dass wir so weiterarbeiten wie bisher und so verdienen.
Ich kenne viele, die die Renteninformation ungelesen abheften. Wer sie liest, ist meist geschockt, wie wenig Rente auf dem Papier steht, selbst nach vielen Erwerbsjahren. Besonders bei Müttern verharrt der Rentenanspruch wegen Teilzeit, langen Erwerbsauszeiten wegen der Familie oder gering entlohnten Jobs auf teils sehr niedrigem Niveau – oft unter 600 Euro im Monat.
Eine Renteninformation erhalten nur gesetzlich Rentenversicherte. Die wenigsten gehen so weit und überlegen sich, was diese prognostizierten Renten tatsächlich bedeuten – nämlich eine große Rentenlücke und drohende Wohlstandsverluste bis hin zu existentiellen Einschränkungen.
Rentenlücke – der Mangel an Rente als Lebenseinkommen
Sprechen wir von „Rentenlücke“ ist umgangssprachlich die Lücke zwischen dem aktuellen Einkommen und der gesetzlichen Rente gemeint. Gesetzlich Rentenversicherte sehen sich einer Lücke von 55 Prozent und mehr gegenüber, je nachdem, wie viele Versicherungsjahre zusammenkommen. Sie haben also weniger als die Hälfte ihres gewohnten Bruttoeinkommens.
Warum die Rente so gering ist, selbst nach 35 oder 45 Arbeitsjahren? Das liegt an der Struktur der Rentenversicherung, vielen Gesetzesänderungen und einer verfehlten Zuwanderungspolitik. Das hat die Rente über die Jahrzehnte geschwächt.
Gesetzliche Rentenversicherung: Entgeltpunkte sammeln und vergüten
In der gesetzlichen Rentenversicherung sammeln wir im Laufe unseres Erwerbsleben Entgeltpunkte. Ein Punkt wird gutgeschrieben, wenn das Durchschnittsentgelt verdient wird. 2023 liegt das bei 43.142 Euro. Bedeutet: Wer 40.000 Euro brutto im Jahr verdient, erhält 0,9271 Entgeltpunkte. Wer 50.000 Euro verdient, bekommt 1,1589 Entgeltpunkte gutgeschrieben. Maximal sind 2,05 Entgeltpunkte pro Jahr drin. Auch Elternschaft und das Pflegen von Angehörigen bringen Entgeltpunkte. Alle Punkte werden mit Rentenbeginn mit dem Rentenwert multipliziert – abzüglich möglicher Abschläge für einen vorzeitigen Rentenbeginn. Rentenwert und Durchschnittsentgeld werden jährlich angepasst. 2023 liegt der Rentenwert voraussichtlich bei 37,60 Euro.
Entgeltpunkte mal Rentenwert ergibt - vereinfacht - die Rente. Gehen wir modellhaft davon aus, dass eine Frau 35 Jahre das Durchschnittsentgelt verdiente, 2023 monatlich also 3.595 Euro, und sie mit 67 abschlagsfrei „in Rente geht“, dann rechnen wir so: 35 Entgeltpunkte x 37,60 Euro = 1.316 Euro. Statt ihres Gehaltes von rund 3.600 Euro hat sie später rund 1.300 Euro Rente. Eine mächtige Einkommens-Lücke.
Alle nicht gesetzlich Rentenversicherte sehen sich freilich auch einer Rentenlücke ausgesetzt – als Lücke zwischen einer selbst organisierten Altersfürsorge und ihrem Erwerbseinkommen. Sie erinnert keine Renteninformation jährlich daran vorzusorgen.
Wie groß ist die Lücke?
Oder anders gefragt: Wie viel Rente haben Sie schon? Und wieviel brauchen und wollen Sie haben? Schon nachgerechnet? Dann holen Sie Ihre Renteninformation und vergleichen Sie Ihr aktuelles, monatliches Brutto-Einkommen mit der erreichten, Regelaltersrente. Schreiben Sie beide Zahlen auf einen Zettel.
Je jünger Sie sind, desto verzerrter ist allerdings das Bild, weil Sie noch Lohnsteigerungen und viele Arbeitsjahre vor sich haben. Der Trend ist dennoch ablesbar.
Wie schließen wir die auf uns zurasende Rentenlücke?
Indem wir uns damit auseinandersetzen, wie wir im Alter leben möchten – und uns kümmern, aus welchen Einkommensströmen das Geld dafür kommt.
Die gesetzliche Rente ist ein Geldstrom. Eine betriebliche Altersvorsorge kann ein weiterer Geldstrom im Alter sein, wenn Arbeitgeber mehr als 15 Prozent dazugeben, die Verträge zuverlässig (!) bei anderen Arbeitgeber:innen weiterbespart werden können und niedrige Provisionen bezahlt werden. Private Rentenversicherungen sind eher abzulehen. Für mich sind sie intransparent, ertragsschwach, teuer und unsicher, weil Versicherte keinen Anspruch auf die garantierte Rentenhöhe haben.
Verlässliche Einkommensströme lassen sich mit Immobilien, Aktien, Anleihen, einem Zusatzjob oder einer Selbständigkeit aufbauen. Denken Sie hier offen und überlegen Sie, woran Sie Freude haben. An Immobilien zur Erzielung einer Miete? Sie können ja mit einer kleinen Eigentumswohnung beginnen. Oder an Aktien über Aktien-ETFs, um mit den Dividenden und Kursgewinnen Lebensausgaben zu finanzieren. Oder wollten Sie schon immer selbständig sein? Als Rentenbezieher:in können Sie unbegrenzt dazuverdienen. Das Wissen, das Sie für eine Altersvorsorge in Eigenregie brauchen, ist über Bücher, Videos, Podcasts und Kurse gratis und kostenpflichtig erlernbar.
Beschäftigen Sie sich heute mit Ihrer Rente, nicht morgen
Für selbständige Nicht-Pflichtversicherte gehört der Aufbau eines eigenen Rentenvermögenes ohnehin zum Unternehmertum und muss in Preise und Honorare einkalkuliert sein. Ohne dem gehen Selbständige offenen Auges in die Altersarmut.
Die gesetzliche Rente allein reicht nicht. Das können wir beklagen – oder unsere Haltung ändern. Begreifen wir den Aufbau eines Rentenvermögens als ein Lebensziel neben anderen, wie Freunde finden, Kinder haben, ein Haus und einen erfüllenden, sinnstifenden Beruf oder das Verbessern der Welt. Stellen wir es zu unseren Lebenswünschen und streben mit Freude danach. Am besten gleich zum Berufsstart bei den Karriereschritten mitdenken, aus welchen Quellen später das Geld fließen soll. Das ist nicht spießig, sondern selbstfürsorglich.
Auch die Politik ist gefordert
Eine zusätzliche Altersvorsorge ist allerdigs nicht nur Privatsache, besonders nicht im Hinblick auf Mutterschaft. Wir brauchen politische Flankierung. Gelänge eine Reform der Erbschaftssteuer unter anderem zugunsten der Gesetzlichen Rente und würde beim privaten Rentenaufbau die Kapitalertragssteuer wegfallen, wäre viel gewonnen.
PS: Wenn Sie sich die ganze Zeit gefragt haben, welche beiden Gruppen denn sofort die Antwort auf die Frage nach der Rentenhöhe parat haben, kommt jetzt die Auflösung. Es sind Menschen, die kurz vor der Rente stehen oder frisch Geschiedene. In beiden Fällen wird hingesehen und gerechnet.