Der eigener Chef und die eigene Chefin zu sein, bietet ein Leben voller Zufriedenheit und Chancen. Wohlhabend zu werden, ist eine dieser Chancen. Selbstständig arbeitende Frauen erzählen mir dennoch immer wieder, und auch ab und an Männer, dass sie wenig finanzielle Spielräume haben, kaum Rücklagen angespart sind und sie gerade so über die Runden kommen. Wenn ich vorsichtig nach der Altersvorsorge frage, winken viele frustriert ab: Wo soll die denn herkommen?
Selbstständige und Freiberuflerinnen sind oft nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert. Es liegt folglich bei ihnen, ob und wie sie Vermögen aufbauen, von dem sie im Alter zehren. Die Altersvorsorge erscheint als Option, was Frau oder Mann haben könnte. Wahl anstatt Pflicht. Haben wir aber die Wahl, können wir aufschieben oder beiseitelegen, weil es gerade nicht passt. So höre ich es von selbstständig arbeitenden Frauen zum Beispiel auf Netzwerkabenden: Kaum eine beschäftigt sich mit der eigenen Altersvorsorge, kaum eine investiert, um später abgesichert zu sein. Wohin das führt, ist offensichtlich – in die Altersarmut.
Woran das liegt? Es liegt vor allem an geringen, finanziellen Mitteln, an niedrigen Gewinnen. Selbstständige Frauen fühlen sich nicht nur häufig chronisch unterbezahlt; sie sind es auch oft. Wer das ändern kann? Sie selbst. Selbstständige haben es in der Hand, die Honorare und Preise für ihre Dienstleistungen und Waren selbst festzulegen. Und wo bei Angestellten weiterhin ein Gender-Pay-Gap klafft, klafft bei den Preisen von Selbstständigen auch eine Lücke zwischen Frauen und Männern.
Mut zu mehr Geld: Frauen verlangen eher niedrige Honorare
So verlangen nach dem Freelancer Kompass 2022 Frauen durchschnittlich 88 Euro pro Stunde zuzüglich Umsatzsteuer, Männer 97 Euro. Das WSI hat zudem herausgefunden, dass das durchschnittliche Einkommen selbstständiger Frauen etwa 44 Prozent unter dem ihrer männlichen Kollegen liegt. Dabei haben Frauen häufiger höhere, akademische Bildungsabschlüsse. Frauen tendieren also dazu, ihr Können und ihre Erfahrungen niedriger in Geld zu bewerten.
Honorare und Preise festzulegen, gehört zu den herausforderndsten Aspekten der Selbstständigkeit. Beim Kalkulieren bewegen wir uns zwischen drei Polen.
Wieviel Geld Selbstständige verlangen, hängt eng mit persönlichen Wertvorstellungen, dem eigenen Selbstverständnis und gelernten Geldglaubenssätzen zusammen. Wer beispielsweise negativ über Geld denkt, dass Geld den Charakter verdirbt, Geld die Wurzel allen Übels ist und viel Geld ein Zeichen von Gier ist, wird nie oder nur unter großen inneren Widerständen Preise verlangen, die die eigene Arbeit für andere Wert ist, weil Geld ja den Charakter verderben würde, das Übel ins Leben käme und man geizig sei. Wer will das schon! Solche vermeintlichen Wahrheiten sind gelernte Sprüche, um uns kleinzuhalten. Sie gehören in die Mülltonne.
Hohe Honorare schaffen Möglichkeiten, Freiräume und eine Altersvorsorge
Beim Ausmerzen solcher Blockaden hilft der Austausch mit anderen Selbstständigen. Sich offen über Honorare auszutauschen, über Erfahrungen bei der Preisbildung zu reden, in Argumente und Überlegungen Einblick zu geben — das kann zum Gamechanger werden. Den Honoraren von Frauen tut es gut, sich in Männer-Netzwerken zu bewegen, um dort über Geld zu reden, oder Kollegen zu haben, mit denen sie vertrauensvoll über Honorare, Argumente, aber auch Ängste, Scham und Selbstzweifel sprechen können.
Neben diesen persönlichen Aspekten steht als zweiter Pol beim Kalkulieren von Honoraren und Preisen die Kosten des Business und des eigenen Lebens. Diese sind die Basis jeder Honorarvorstellung — zuzüglich der Altersvorsorge, sowie betrieblicher und persönlicher Rücklagen! Diese drei Bestandteile gehören zwingend dazu.
Wieviel Geld muss eine 40-Jährige für eine gute Rente sparen?
Um beispielsweise ab 65 bis zum Alter von 95 Jahren monatlich 3000 Euro Rente zu haben, müsste eine 30-Jährige etwa 400 Euro monatlich beispielsweise in einen Aktien-Welt-ETF investieren, 35 Jahre lang. Eine 40-Jährige bräuchte schon 900 Euro im Monat, um dieses Altersvermögen innerhalb von 25 Jahren aufzubauen und eine 50-Jährige könnte es mit 2200 Euro monatlicher Investition in 15 Jahren auch noch schaffen. (gerechnet mit 7 Prozent Nominalrendite, Zahlen gerundet). Je früher wir die Altersvorsorge also auf dem Schirm haben, desto moderater sind die Investitionsraten.
Der dritte Pol setzt bei den Kunden und Kundinnen an. Als Selbstständige lösen wir Probleme. Über diese Problemlösungen sind viele unglaublich dankbar, weil sie Zeit und Geld ersparen. Adäquate Honorare spiegeln diesen Wert für Kund:innen wider. Wie wir den Wert erfahren? Indem wir unsere Zielgruppen kennen, sie fragen und uns in sie hineinversetzen. Honorare als Zeichen der Wertigkeit und Dankbarkeit.
Fokus Altersvorsorge im Sinne der Eigenfürsorge
Der Rest ist testen im Geschäftsalltag. Die eigene Vorsorge für das Alter und Rücklagen als Sicherheitspuffer beim Kalkulieren von Honoraren und Preisen außen vorzulassen, und nur kostendeckend zu arbeiten, statt nach hohen Gewinnen zu streben, ist kein unternehmerisches Denken. Es führt zu Existenznot, Stress und in die Altersarmut. Selbstständige brauchen adäquate Honorare, um nicht nur Geld zum Leben und professionellem Handeln zu haben, sondern auch zum Investieren und Absichern. Darauf im Business einen Fokus zu legen, bedeutet Eigenfürsorge – für heute und später.