Die Bemühungen um mehr europäische Souveränität im Zahlungsverkehr bekommt einen Schub: Mit der ING führt die größte europäische Direktbank den Bezahldienst Wero zum August für ihre zehn Millionen Kunden in Deutschland ein. Wero ermöglicht ebenso wie der US-Konkurrent Paypal, Geld binnen Sekunden zu übertragen – auch über Ländergrenzen hinweg.
Wero ab August
„Wir werden im August Wero live stellen“, kündigte ING-Deutschland-Chef Lars Stoy im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur an. „Wir sind eine der ersten deutschen Banken, die das voll in die eigene Banking-App integrieren wird. Das ist auch ein Feature, was der ING-Gruppe in Summe wichtig ist.“ Bei den Sparkassen ist dies ebenfalls schon üblich.
Wer Wero nutzt, braucht im Unterschied zu einer herkömmlichen Überweisung nicht die Kontonummer des Empfängers, sondern kann Geld in Echtzeit an eine Handynummer oder E-Mail-Adresse senden. Die European Payments Initiative (EPI), ein Zusammenschluss europäischer Banken und Zahlungsdienstleister, will damit eine europäische Bezahlalternative zur US-Konkurrenz aus Paypal, Mastercard, Visa und Co. aufbauen.
Aus Deutschland sind bislang insbesondere die Deutsche Bank und die Sparkassen-Finanzgruppe bei der EPI aktiv. Eine Reihe südeuropäischer Banken hat sich zwischenzeitlich wieder zurückgezogen, sodass die Mitglieder vornehmlich aus Deutschland, Frankreich sowie Belgien und den Niederlanden stammen. Mit dem Fintech Revolut ist kürzlich ein paneuropäischer Anbieter eingestiegen.
Paypal-Alternative erst in drei Ländern verfügbar
Das von EPI organisierte Zahlungssystem Wero ist eigenen Angaben zufolge bislang erst in Belgien, Deutschland und Frankreich verfügbar. Für Österreich laufen aktuell Gespräche.
Insgesamt zählt EPI in den bisherigen Teilnehmerländern nach jüngsten Angaben 42,5 Millionen registrierte Nutzerinnen und Nutzer. Zum Vergleich: Paypal kommt nach eigenen Angaben alleine in Deutschland auf 35 Millionen aktive Kundenkonten.
Allerdings entwickelt sich „gerade eine Dynamik“, sagt Pinar Abay. Sie gehört dem Vorstand des Mutterkonzern ING Group an und verantwortet hier unter anderem das Privatkundengeschäft. „Europa muss darüber nachdenken, wie es in verschiedenen Bereichen des Bankings eine europäische Dimension erreichen kann“, sagte sie im Interview mit Capital. „Für uns in Europa ist es ein Risiko, kein eigenes länderübergreifendes Zahlungssystem zu haben. Angesichts dessen, was in der Welt passiert, müssen wir schnell handeln.“
ING-Vorständin: „Bereit sein, etwas zu opfern“
Abay, die dem Board von EPI angehört, drängt die Branche zu schnellerem Handeln und zur Kompromissfähigkeit. „Europa macht manchmal den Fehler, dass jeder eine Meinung über die Lösung hat. Dann dauert es sehr lange, bis ein System kommt und skalierbar ist.“ Stattdessen solle die Branche „das weiter verfolgen, was bereits auf dem Markt funktioniert, um ein souveränes europäisches Zahlungssystem aufzubauen“. Jeder müsse bereit sein, „auf dem Weg zu einem einheitlichen Zahlungssystem etwas zu opfern“.
Abay hofft nun auf mehr Zusammenarbeit auch mit Instituten aus den Ländern, die aus EPI ausgeschieden sind oder gar nicht erst dabei waren. „Ich hoffe, dass wir mit anderen Märkten wie Italien, Spanien und anderen Ländern einen Weg der Zusammenarbeit finden. Fasst man alles bereits Vorhandene zusammen, wird ein großer Teil Europas abgedeckt.“
Ähnlich äußerte sich kürzlich EPI-Deutschland-Vertreter Chris Scheuermann im Capital-Podcast „Die Stunde Null“. Seinen Worten zufolge habe EPI in Deutschland die Aufgabe, „noch mehr Banken zu gewinnen“. Es gehe darum, „weitere Märkte zu gewinnen“. Scheuermann: „Wenn wir das schaffen, dann sind wir erfolgreich.“
Hier wolle sich die ING reinhängen, wie Deutschland-Chef Stoy betont. „Wir tun als Europäer gut daran, an eigenen Bezahlsystemen zu arbeiten, um auch hier autark zu werden und die Abhängigkeit von anderen Bezahlverfahren zu verringern“, sagte er. „Wir werden als ING-Gruppe mit rund 40 Millionen Kunden schwerpunktmäßig in Europa alles tun, dass Wero ein Erfolg wird.“
Nach bisheriger Planung sollen Online-Zahlungen mit Wero noch in diesem Jahr möglich werden, ab 2026 soll man mit Wero auch im Einzelhandel bezahlen können. Künftig sollen weitere Funktionen hinzukommen wie zum Beispiel Ratenzahlungen, die Integration von Treueprogrammen von Händlern und die Verwaltung von wiederkehrenden Zahlungen. Konkurrent Paypal hat kürzlich die Funktion für Zahlungen im Einzelhandel eingeführt.