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Aktienmarkt Kurzes Durchschnaufen an den Börsen

Nach dem Absturz haben sich die Aktienmärkte stabilisiert
Nach dem Absturz haben sich die Aktienmärkte stabilisiert
© dpa
In der vergangenen Woche stiegen die Kurse stark. Mancher dachte schon, das Schlimmste sei überstanden – ist aber nicht so. Trotzdem gibt es auch gute Nachrichten für Anleger

Der Aktienindex Dax ist dieser Tage wie ein Patient, dem es nicht gut geht. Und nachdem in den ersten Tagen des Virusabsturzes so viele Anleger geflohen waren, um ja nichts mehr mit ihm zu tun zu haben, wirkt es jetzt ein bisschen so, als sei er umringt von jenen, die nur darauf hoffen, dass es ihm besser geht. Um wieder einzusteigen. Tatsächlich haben viele Investoren genau das in der zurückliegenden Woche getan.

Das hat zu einem deutlichen Aufatmen an den Märkten geführt: Der Dax hat nach dem 40-Prozent-Einsturz zwischen Mitte Februar und Mitte März inzwischen wieder mächtig Punkte gut gemacht. Aktuell beträgt das Minus nur noch 20 Prozent. Und auch der Dow Jones legte in dieser Woche vom 23. Auf den 26. März sagenhafte 4000 Punkte zu. Viele dachten, das sei das Zeichen, dass das Schlimmste vielleicht überstanden sei.


DAX Index


DAX Index Chart
Kursanbieter: L&S RT

Sie werden sich geirrt haben. Das scheint so gut wie sicher, meinen etliche Analysten. Es wird im Rückblick nur so etwas wie eine kleine Zwischenerholung gewesen sein, bevor es weiter abwärts geht. Wieso? Was dieser Tage an den Börsen wirkte, waren die gigantischen Konjunkturpakete, die von den Staaten der Welt geschnürt worden sind, um den unmittelbaren und schweren Fall der Wirtschaft aufzuhalten oder zumindest abzubremsen. In Europa haben die Staaten dreistellige Milliardensummen locker gemacht, die sie in Unternehmen aller Größenordnungen pumpen wollen.

Hilfspakete beruhigen die Börsen

Die Europäische Zentralbank wird außerdem noch mehr Anleihen aufkaufen. Von Ländern der Eurozone und von Firmen. In einem Ausmaß, wie es bisher noch nicht dagewesen ist. Die Vereinigten Staaten donnerten sogar ein Hilfspaket über 2 Billionen Dollar auf den Markt, 2000 Milliarden also. Das soll auch dort die Wirtschaft stützen. Und die amerikanische Notenbank versprach, sie habe noch viel Pulver in Petto, das sie verschießen könne.

Das ist beileibe gewaltig: eine enorme Kraftanstrengung vieler Regierungen und Notenbanken weltweit. Man sieht: Sie sind entschlossen. (Ob sie deshalb tatsächlich die Wirtschaft auf ihrem jetzigen Stand erhalten können werden, sei aber mal dahingestellt). Als Reaktion darauf kletterten jedenfalls die Börsenkurse. Denn was diese Hilfspakete signalisieren, ist: Ja, es wird kurzfristig einen Einbruch der Wirtschaft geben. Die Konjunktur kommt derzeit nahezu zum Stillstand und das Wachstum wird allerorts negativ ausfallen, das ist klar. Und auch ohne bereits zwei Quartale mit sinkendem Wachstum verzeichnet zu haben, darf man die Prognose wagen: Dies ist eine Rezession.

Aber es heißt auch: Die Milliarden und Billionen der Regierungen und Notenbanken werden der Wirtschaft dabei helfen, dass die Erholung mittelfristig schneller erfolgen kann – wenn sie nach dem Ende der Shutdowns später wieder anlaufen wird. Das ist natürlich eine Ansage, die jetzt alle ein wenig positiver stimmt.

Der Peak ist noch nicht erreicht

Es ändert aber nichts an der Tatsache, dass vielen Ländern die schweren Monate erst noch bevorstehen. Gesundheitlich und wirtschaftlich. Vor allem in Amerika, das derzeit zum Epizentrum der Krise wird. Selbst Italien ist noch längst nicht über den Berg, was den Anstieg der Fallzahlen bei den Infizierten betrifft, sondern befindet sich laut den Berechnungen von Virologen erst am Anfang der ganz heißen Phase. Noch steigt die Zahl der Erkrankten jeden Tag stärker als am Tag zuvor. Erst wenn diese Rate zurückgeht – womit laut den Berechnungen Ende März zu rechnen ist - , wird es insgesamt zu einer langsameren Ausbreitung dort kommen. Und dann erst ist einige Zeit danach das Plateau erreicht, dass sich in der Coronakurve allmählich ausbildet.

Spanien soll derzeit zwei Tage hinter Italien liegen, Deutschland und die Beneluxländer etwa neun Tage. Aktuell heißt es, hierzulande könnte in einer Woche die höchste Neuinfektionsrate erreicht sein. Dann nehme die Zahl der Infizierten hoffentlich allmählich ab.

Spätestens rund um Ostern, so die derzeitige Schätzung, müsste der Peak bei den Neuinfektionen in Festlandeuropa erreicht sein. Dann müsste sich ein Abflachen der Kurve abzeichnen. In den USA und Großbritannien allerdings geht es augenblicklich erst richtig los. Beide Länder lägen gut zwei Wochen hinter Italien zurück. Und wie schlimm das Virus vor allem in Amerika noch wütet, weiß bisher kein Mensch. Erst recht nicht Präsident Donald Trump, der ja bereits mit der kompletten Überwindung der Krise bis Ostern rechnet – was man getrost als ziemlich realitätsfern bezeichnen kann.

Bis sich aber beiderseits des Atlantiks eine Entspannung der Lage abzeichnet - wie in China – müssen die Märkte beweisen, dass sie auch aus sich selbst heraus stabil bleiben können. Auch wenn die Staaten vielleicht nicht im gleichen Umfang neue Milliardenhilfspakete nachlegen können, falls sich doch ein längerer Verlauf der Krise abzeichnen sollte. Das Ruhigbleiben wird angesichts der großen Unsicherheit schon schwer genug sein. Zumal die größte Volkswirtschaft der Welt bereits jetzt eine Verzehnfachung der Arbeitslosenzahlen meldet und um die Tragfähigkeit ihres Gesundheitssystems bangt. Es ist daher nicht allzu abwegig anzunehmen, dass es noch einmal zu einem Test der Tiefststände an den Börsen kommen wird. Weil auch dort erst dann das Gröbste überstanden ist, wenn sich die ersten Erholungssignale bemerkbar machen.

Und die kommen dieser Tage nicht aus China, auch wenn die Entwicklung dort ein bisschen hoffnungsfroh stimmt. Nachdenklich sollte aber machen, dass China nun erst einmal seine Grenzen abriegelt. Weil es fürchtet, es könne eine zweite Infektionswelle geben – und die würde dann durch ausländische Einreisende ausgelöst. Genau darin liegt tatsächlich ein großes Problem: Im Grunde können alle Länder erst dann aufatmen, nicht wenn sie es selber überstanden haben – sondern wenn das letzte Land durch die Krise gekommen ist, mit dem man bisher im Austausch stand.

Der Markt hat nur einmal tief Luft geholt

Zumindest solange kein Impfstoff vorhanden ist. Mit Letzterem rechnen Forscher und Ökonomen übrigens ab Sommer oder im Herbst. Zurzeit rechnen viele Virologen mit einer Eindämmung der Pandemie in den nächsten neun Monaten. Das klingt schon anders als der fromme Wunsch: Ostern ist bestimmt alles vorbei!

So gesehen spricht viel dafür, dass der große Absturz vom 4. bis 18. März nur das erste Paniktief war. Die Kurserholung in dieser Woche war wie das tiefe Luftholen des Marktes, der zuvor vierzehn Tage lang atemlos zugesehen hatte, wie es mit ihm bergab ging. Denn die erste Panik war enorm groß und ließ die Kurse so jäh abstürzen wie es die Börse seit den Crashs von 1987 und 1929 nicht mehr gesehen hat, diesen Vergleich ziehen Analysten inzwischen.

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Das lag sicher auch an der großen Zahl von ETFs, die inzwischen in den Depots liegen. Die Indexfonds sind ja qua Definition dazu gezwungen, die Kursbewegung eins zu eins nachzubilden. Was sie dazu zwingt, Papiere zu verkaufen, nur weil die anderen Beteiligten es machen. Was somit immer mehr Beteiligte machen. Gegen den Strom stemmen – so wie aktive Fondsmanager – können sich diese Fonds nicht. Sie desinvestieren zeitgleich mit allen anderen und verschlimmern den Geldabfluss dadurch noch. Und wenn man der Statistik glaubt, ist bisher kein großer Börsenabsturz auf so eine kurze Dauer beschränkt gewesen – und auch nie ohne einen Folgeabsturz geblieben.

Nun hatten frühere Abstürze auch eine andere Dynamik: Üblicherweise platzte dort erst die Bewertungsblase und erst dann schlug der Kursschock auch auf die Realwirtschaft durch. Diesmal war es anders, da schlug mit dem Virus ein von außen kommender Schock unmittelbar auf die Wirtschaft durch und legte sie lahm. Es muss daher nicht so kommen wie immer.

Aber ... heißt das deshalb nun, dass die Investoren und Wertpapierverkäufer beim Blitzabsturz vor zwei Wochen wirklich schon absehen konnten, wie stark es all die Unternehmen und Einmannbetriebe nun trifft oder noch treffen wird? Oder war – und ist – einiges nicht noch unvorstellbar, weshalb sich das wahre Ausmaß der Krise vermutlich erst in der kommenden Zeit zeigen wird?

5 Lektionen aus dem Corona-Absturz

Neben allen trüben Aussichten gibt es aber auch positive Dinge, die wir bereits jetzt aus der Coronakrise lernen:

  • Erstens: Nachkaufen oder nicht? Die Antwort darauf lautet generell „ja“. Wenn auch noch nicht jetzt. Denn unabhängig von der Frage, ob der Dax-Stand von rund 8400 Punkten nun schon der absolute Tiefpunkt war, oder ob der Index noch ein weiteres Mal fällt, sagen Analysten: Das gesamte Aktienuniversum sei derzeit eindeutig unterbewertet. Zu Wochenbeginn notierten Unternehmen rund ein Viertel unter ihren Fundamentalwerten und unter dem, was sie langfristig kosten müssten, wenn man sie fair bewertet. Das heißt: Langfristig gesehen bedeuten die jetzigen Kurse durchaus bereits gute Kaufgelegenheiten. Wer sie jetzt schon nutzen möchte, sollte aber auf einen weiteren Absturz gefasst sein – und den dann auch aushalten. Denn es nützt nichts, jetzt einzusteigen und dann später beim erneuten Fall kalte Füße zu bekommen und die Anteile dann zu wirklichen Tiefständen abzustoßen. Daher sollte man jetzt auch nur neue Papiere kaufen, wenn man selbst sicher ist, dass man das Geld absolut erübrigen kann – und nicht später in einer Wirtschaftskrise besser zum Bestreiten des Lebensunterhalts gebrauchen könnte. Jeder, der es bereits wagt, wird sich aber später wohl dennoch mit der alten Kaufmanns- und Börsenweisheit trösten können: Der Gewinn liegt im Einkauf. Und der Einkaufspreis ist derzeit gut 20 Prozent günstiger als noch vor ein paar Wochen.
  • Zweitens: Wird es eine lange Krise oder nicht? Die Statistiker machen Mut mit der Aussage: Die Länge einer Krise am Aktienmarkt hängt davon ab, was der Krisenauslöser war. Durchschnittliche Krisen und zyklische Krisen dauern demnach etwa zwei Jahre, danach setzen die Börsen für eine lange Zeit zur Erholung an. Strukturelle Krisen dauern dagegen weitaus länger. Aber ereignisbezogene Krisen – und eine solche ist die Corona-Krise – ziehen sich meist nur ein Jahr hin. Danach setzt die Erholung für gewöhnlich wieder ein. Demnach wäre 2020 für Anleger ein verlorenes Jahr, doch schon im kommenden Jahr würde es wieder bergauf gehen.
  • Drittens: Wichtig ist, was in den eigenen Papieren drinsteckt. Jenseits großer Kurseinbrüche – unter denen alle litten – haben manche Assetmanagement-Gesellschaften dieser Tage auch noch andere schlechte Nachrichten über ihre eigenen Produkte verbreiten müssen: Ein Verwalter entschuldigte sich per Brief bei seinen Anlegern dafür, dass seine Produkte unverhältnismäßig stark abgestürzt waren. Bei näherem Hinsehen entpuppte sich als Grund, dass Fonds auf gehebelte Währungswetten gesetzt hatten, um Assets abzusichern. So hatte der freie Fall der Börsen das Fondsvermögen nahezu pulverisiert. Nicht nur Aktivfondsanleger sollten daher durch solche Beispiele gewarnt sein, sondern auch Indexfondsanleger. Nämlich dann, wenn ihre Produkte die entsprechenden Indizes nicht physisch besichern (durch den Erwerb der zugrundeliegenden Aktien), sondern wenn sie die nur synthetisch nachbauen, was sie oft mit völlig anderen Papieren tun. Also: Draufgucken, was drinsteckt! Aber bitte schon beim Kauf und nicht jetzt erst.
  • Viertens: Nachhaltigkeit schlägt sich offenbar gut in der Krise. Besonders erstaunlich sind Zahlen, die Online-Tradingplattformen zum Bereich der nachhaltigen Anlage errechnet haben: Sie simulierten ein Portfolio, das seit Jahresbeginn jeweils die 20 Prozent der nachhaltigsten Indexfonds kaufte (also jene ETFs mit den besten ESG-Bewertungs-Scores) und das jeweils die ETFS mit den schlechtesten ESG-Ratings verkaufte. Das Ergebnis sieht verblüffenderweise so aus: Während sich zwischen Januar und 24. Februar beinahe nichts tat – der Kurs dümpelte bei rund null Prozent Performance dahin, stieg die Rendite ausgerechnet danach enorm an. Am 4. März lag sie demnach bei vier Prozent, am 23. März bei 14 Prozent. Im Grunde verhält sie sich genau spiegelverkehrt zum Börsenabschwung. Das bedeutet: Der große Absturz hat die weniger nachhaltigen Fonds enorm viel stärker getroffen und bei den besonders nachhaltigen sogar zu Überrenditen geführt – gerade in den schlimmsten Zeiten. Inwiefern das Anlegern über die Gesamtanlagedauer von vielen Jahren hilft und nicht nur ein kurzfristiger Effekt ist, steht auf einem anderen Blatt Papier. Denn was nutzt es, wenn das Depot in den guten Zeiten nur dahindümpelt (die gewöhnlich dominieren) und nur in den schlechten Zeiten deutlich überschießt? Zumindest trüge es so aber zur Beruhigung der Nerven bei.
  • Fünftens: Qualität zahlt sich langfristig aus. Wer ein breit aufgestelltes Portfolio aus Weltaktien hat, dem raten viele Analysten, auch in diesen Zeiten daran festzuhalten. Große Unternehmen, also Large Caps verloren in den vergangenen Tagen auch deutlich weniger an Wert als mittlere und kleine, so ermittelte die Ratingagentur Morningstar. Überraschend war auch: Wachstumswerte verloren nicht so stark wie ausgerechnet Value-Werte, die ja gemeinhin als krisenfester gelten. Allerdings nur bei den Großunternehmen. Bei den Small und Mid Caps drehte sich das Verhältnis um: Hier hielten sich die Value-Titel besser als die Wachstumsfirmen. Insgesamt sehen die Analysten für mutige Anleger Chancen, wenn sie jetzt einsteigen wollen. Neben Indexfonds, die auf Standardindizes wie den MSCI World, den S&P 500 oder auch den Dax setzen, rückten einige europäische Aktien in den Fokus. Sie seien aktuell unterbewertet aber auf lange Sicht aussichtsreich. Dazu gehören altbekannte Dickschiffe wie BMW, Credit Suisse, der Handelskonzern Dufry, ING, Roche, Shell, Telefonica und Total.

Also: Holen Sie kurz Luft, bevor Sie auf Ihr Depot und die Börsenkurse gucken. Überlegen Sie sich gut, ob Sie wirklich jetzt schon einsteigen wollen. Und wenn Sie sich absolut sicher sind – und die Kraft haben, nicht mehr hinzusehen, wenn die Kurse in den kommenden Wochen noch einmal deutlich abtauchen – dann wagen Sie es. Oder legen Sie sich zumindest schon einmal die entsprechenden Wertpapierkennnummern ins Osterkörbchen. Und greifen Sie zu, wenn ein Ende der Pandemiewelle abzusehen ist.

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