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Corona-Angst Keine Panik: Wie Anleger mit dem Börsencrash umgehen sollten

Bange Blicke an der Wall Street: Das Coronavirus hat die Börsen auf Talfahrt geschickt
Bange Blicke an der Wall Street: Das Coronavirus hat die Börsen auf Talfahrt geschickt
© dpa
Lange bewegte das Coronavirus die Weltmärkte kaum. Jetzt aber hat es sie mit voller Wucht erwischt. Die Indizes brechen seit Tagen weg. Ist das nur ein kurzer Schock? Oder ist der große Aktienboom damit zu Ende? Und was hieße das für die Anleger?

Derzeit ist es ein steter Wechsel zwischen Hoffen und Bangen. Und dabei wechselt die Stimmung im Stundentakt: Es ist Donnerstag um 12:30 Uhr als die Anleger mit Papieren mehrheitlich auf einen baldigen Kursaufschwung setzen. Doch schon um 13:30 wetten sie auf das genaue Gegenteil, den weiteren Kurssturz. Um 14:30 überwiegt wieder das Lager der Optimisten. Und wieder eine Stunde später haben die Pessimisten wieder die Oberhand gewonnen, die sagen: Die Kurse werden weiter fallen. Sie tun es unterdessen tatsächlich .

Der deutsche Aktienindex Dax verlor rund elf Prozent auf Wochensicht. Und das Stimmungsbarometer der Privatanleger von der Börse Stuttgart schlägt fieberhaft weiter aus – natürlich wegen des Coronavirus. Und nur auf Tagesbasis ist schwer auszumachen, ob nun die Optimisten oder Pessimisten überwiegen. Denn auf längere Sicht dagegen scheint die Lage klar: Dieser Kursknick wird nicht nur ein paar Tage dauern. Es könnte der Beginn eines sehr viel größeren Kursverfalls sein.

Denn sieht man sich das Orderbarometer für den gesamten Monatszeitraum an, herrschte noch bis Wochenbeginn gute Stimmung, doch seit dem 24. Februar knickt die Kurve mächtig nach unten weg. Die Zahl der Pessimisten am Markt überwiegt also deutlich. Auf den Einjahreszeitraum gesehen ist die Anlegerstimmung derzeit sogar so schlecht wie lange nicht mehr. Sie ist so negativ wie im Herbst 2019, als ein Kursrutsch die Angst vor der Trendwende schürte. Und ähnlich trüb wie im Mai 2019 als die Börsen ebenfalls für einige Wochen den Rückwärtsgang einlegten. Und wenn tatsächlich so schlechte Stimmung herrscht: Wer soll dann sehr viele neue Aktien kaufen, damit der derzeitige Dax-Rückgang demnächst sein Ende findet und der Kurs wieder bergauf dreht?

Die große Unsicherheit wird auch sicher noch eine ganze Weile anhalten, zumal die Welt nun auch hierzulande erst einmal abwarten muss, wie schnell sich die Infektionszahlen ausbreiten – und ob die große Krankheitswelle in Europa noch zu stoppen ist. Denn inzwischen ist das Coronavirus mit voller Macht in Europa angekommen und zwar genau an diesem Wochenende. Die neue Lungenkrankheit grassiert in Italien. Auch Österreich und Kroatien haben etliche Infizierte gemeldet. In Deutschland sind ebenfalls neue Fälle aufgetaucht, nachdem die ersten Erkrankten in Bayern als kuriert galten.

Coronavirus schlägt auf die Börsen durch

Nun warnen Ärzte und Gesundheitspolitiker davor, dass auf dem Kontinent eine Epidemie ausbrechen könnte. Denn anders als im rigoros regierten China steht hierzulande und in den Nachbarländern noch nirgendwo das Leben still – sieht man mal von ein paar Orten in der Lombardei ab oder von Teilen Mailands. Doch die Züge fahren generell noch und auch die Fluggesellschaften transportieren noch massenhaft Menschen quer durch Europa. Ganz zu schweigen von den Privatautos, die am Ende der Woche viele Urlauber aus den Skiferien in den Alpen zurück verfrachten werden. Besteht da wirklich die Chance, dass die Infektionen auf einige wenige Orte begrenzt bleiben werden?

Die Börsen haben bereits auf die erhöhte Gefahr reagiert und sackten schon am Montag auf breiter Front weg. Diesmal sogar weltweit: Inzwischen hat neben dem Dax auch der Eurostoxx rund 11 Prozent auf Wochensicht verloren. Der amerikanische S&P 500 und der Dow Jones gaben jeweils 9 Prozent nach. Auch im weltweiten Index MSCI World sieht man nun deutlich den Corona-Effekt, er kostete den Weltindex 7 Prozent seiner Punkte. Der Schwellenländerindex gab – wie die europäischen Kurse – rund 10 Prozent ab.


DAX Index


DAX Index Chart
Kursanbieter: L&S RT

Nun könnte man sagen: Was sind schon 11 Prozent? Der Dax steht damit immerhin noch auf dem Stand, den er auch im vergangenen Oktober markierte. Das stimmt zwar, doch bei einem Kursverlust von mehr als 10 Prozent in vier Tagen sprechen die Börsianer davon, dass an den Börsen der Crashmodus herrscht.

Wie tief geht es nach unten?

Einige drücken es sogar so aus: Der große Ausverkauf habe angefangen. Das Virus werde viel mehr als einen kleinen Kursknick auslösen, es könnte den Beginn des großen Abschwungs markieren. Darauf deutet auch tatsächlich ein stark beachtetes Börsensignal hin: An diesem Donnerstag durchbrach die Kurslinie die langfristige 200-Tage-Linie satt nach unten. Das wird gewöhnlich als Indikator für eine größere Trendwende gesehen. Geht es ab jetzt also wirklich tief nach unten?

Es könnte tatsächlich sein, dass sich in den kommenden Tagen noch viele weitere Investoren aus dem Aktienmarkt zurückziehen werden. Denn die „frühere Widerstandsfähigkeit“ des Marktes sei dahin, mahnen Marktbeobachter. Es werden vor allem jene sein, die gerade erst – und nach langem Überlegen – noch zu Höchstkursen eingestiegen sind. So wie es gerade Privatanleger gern am Ende eines großen Börsenbooms tun. Schließlich standen zuletzt alle fundamentalen Kennzahlen noch auf Wachstum und die Notenbanken fluteten weiter die Märkte mit Geld und heizten damit den Aktienhype an. Solche Späteinsteiger bekommen meist sehr schnell kalte Füße, wenn die Lage an den Börsen dann ins Negative dreht.

Dazu kommen jene geübten Anleger, die Stopp-Schwellen bei ihren Papieren gesetzt haben, die nun gerissen werden – und die daraufhin automatisch ihre Papiere abstoßen. Genauso tun es auch die automatischen Handelssysteme der Profiinvestoren.

Das alles spricht dafür, dass der Kurssturz noch weitergehen könnte. Alle, die derzeit nicht sicher sind, wie stark das Coronavirus die Weltwirtschaft wohl schwächen könnte, werden im Zweifel ihre Aktien abstoßen. Und das könnten viele sein, wenn die Stimmungsindikatoren ein realistisches Abbild zeichnen. Nicht nur Privatanleger sind nämlich derzeit pessimistisch, sondern auch institutionelle Investoren zeigten sich laut Umfragen der Bank of America zuletzt skeptisch: 85 Prozent der Befragten sagten demnach, die Weltwirtschaft werde 2020 nicht mehr so stark wachsen wie im vergangenen Jahr. Im Januar waren es nur 70 Prozent, die das glaubten.

Optimisten glauben an eine Erholung bis Juni

Doch die jüngsten Gewinnwarnungen aufgrund von Produktionsstopps und Absatzschwierigkeiten durch Corona, die inzwischen selbst der Weltkonzern Apple verkündet hat, haben viel Restoptimismus verfliegen lassen. Auch Airlines, Tourismusanbietern, Autoherstellern und Luxusartikelherstellern weltweit machen sich inzwischen Sorgen um ihre Verkaufzahlen.

Natürlich, ein Teil des Geschäfts wird zurückkommen, wenn die große Krankheitswelle erst einmal vorüber ist. Es wird eine Erholung geben. Doch wann wird das sein? Wirklich schon im zweiten Quartal, wie manche meinen? Oder ist das aufgrund der langen Inkubationszeit und des längeren Verlaufs der Krankheit nicht zeitlich viel zu kurz gedacht? Und werden die Kurse dann wirklich einen V-förmigen Verlauf nehmen und schon bald weit über den jüngsten Kursrekord von rund 13.800 Punkten beim Dax hinausschießen? War der Absturz diese Woche also nichts anderes als eine gute Kaufgelegenheit? Eine Einstiegsmöglichkeit zum Kurs von Mai 2019 quasi. So sehen es ja zurzeit einige Optimisten, die meinen: Der Markt werde eine „vollständige Erholung“ sehen bis zum Juni.

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Vielleicht muss man sie eher als Superoptimisten bezeichnen. Die Grundfrage, die über die nächsten Wendungen des Marktes entscheiden wird, ist jedenfalls: Gibt es zurzeit nur sehr viele ängstliche Verkäufer, die ihre Papiere loswerden wollen? Das wäre nicht schlimm, wenn an der Seitenlinie viele Abnehmer nur darauf lauern würden, diese Papiere aufzukaufen und in ihre eigenen Depots zu packen. Oder könnte es nicht auch so sein, dass dem Markt längst auch die Käufer fehlen? Weil gerade Großinvestoren vorsichtiger geworden sind und ohnehin schon länger nach einer Gelegenheit Ausschau halten, ihre riskanten Assets loszuwerden. Was sie jetzt zu Höchstpreisen tun. Dann stünden den vielen Verkäufern zu wenige Abnehmer gegenüber. Also könnten die Kurse weiter fallen, das wird noch mehr Verunsicherung verbreiten – und sie werden noch tiefer fallen. Genau dafür spricht derzeit vieles.

Was können die Notenbanken unternehmen?

Horcht man in die Research-Abteilungen großer Assetmanager, dann wird dort folgendes diskutiert: Wie stark Corona letztlich nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Märkte trifft, hänge von Dreierlei ab ...

  • Erstens: Wie breitet sich das Virus weiter aus? Wird es wirklich eine Epidemie in allen Teilen der Welt auslösen? Verbunden mit einem längeren Shutdown des Wirtschaftslebens in den betroffenen Gebieten?
  • Zweitens: Was werden die Notenbanken weltweit dann dagegen tun? Chinas Zentralbank hat die Zinsen gesenkt und Liquidität in den Markt gepumpt. Auch die Fed würde wohl die Zinsen senken, wenn sich Amerika weniger immun gegen das Virus zeigte als sein Präsident, der ja auf keinen Fall an einen Corona-Ausbruch in seinem Land glaubt. Was aber täte die europäische EZB? Das darf man angesichts von Nullzinsen zurecht fragen. Wäre sie zum Äußersten bereit und würde sie zum Helikoptergeld greifen? In Hongkong wird es nun tatsächlich verteilt. Dort schenkt die Notenbank sämtlichen Bürgern Extrageld, damit sie es verkonsumieren – und so der Wirtschaft einen Extraschub verpassen. Umgerechnet knapp 1200 Euro bekommt dort jeder Einwohner. Das könnte freilich eine sehr teuere Rettungsaktion werden, wenn man es auch über der europäischen Währungsunion mit ihren 340 Millionen Bürgern abwürfe.
  • Der dritte und entscheidende Faktor aber: Waren die Kurse, die wir zuletzt gesehen haben, wirklich gerechtfertigt? Kehrt der Markt dann also zu diesen Kursständen zurück? Oder zeigten sie bereits Auswüchse einer Aktien- und Anleihenblase? Dann könnte das Virus am Ende den finalen Anlass für eine größere Kurskorrektur geliefert haben.

Der starke Kursanstieg der letzten zehn Jahre um 130 bis 150 Prozent spricht eher dafür. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis bei Dax und Dow Jones spricht allerdings im Langfristvergleich eher dagegen. Die Verzerrung an den Anleihenmärkten und die extrem hohen Hauspreise sprechen wiederum dafür. Die skeptische Positionierung der Investoren wieder dagegen. Die hohe Verschuldung der Firmen und Staaten spricht wieder eher dafür. Und die allgemein wiederholte These, die hohen Kurse seien schließlich gerechtfertigt, weil sie bloß die Reaktion auf die Politik der Notenbanken seien, sollte für Anleger auch eher ein Warnsignal sein, statt sie in Sicherheit zu wiegen. Wirklich beantworten kann die Blasenfrage allerdings zurzeit niemand. Das können auch Ökonomen erst, wenn eine Blase letztlich geplatzt ist.

Das ist nicht gerade beruhigend für alle, die ihr Geld am Markt investiert haben, schon klar. Doch deswegen jetzt noch Reißaus vom Markt zu nehmen, ist keine gute Idee. Nach dem Wegknicken der Kurse seit Wochenbeginn ohnehin nicht mehr. Es zahlt sich schon gar nicht für jene aus, die gerade erst kurz vorm Höchststand eingestiegen sind – und durch einen jetzigen Ausstieg lediglich Verluste produzieren. Meist aber verabschieden sich Privatanleger tatsächlich in schlechten Börsenzeiten hektisch von ihren Aktien, weil sie es mit der Angst zu tun bekommen. Und dann bleiben sie viel zu lange an der Seitenlinie stehen, bevor ihnen die Lage wieder geheuer erscheint. Dadurch verpassen sie regelmäßig wieder den richtigen Zeitpunkt, um wieder einzusteigen. Denn gerade am Anfang eines neuen Booms steigen die Kurse sprunghaft. Und genau diese plötzlichen Gewinne entgehen den meisten Aus- und Wiedereinsteigern dann.

Abwarten und Ruhe bewahren

Besser wäre es also in diesem Moment, sich stattdessen damit abzufinden, dass sie eben zum ungünstigen Zeitpunkt eingestiegen sind. Und abwarten. Nun ermuntern auch manche Profiinvestoren dazu, aufs Nachkaufen zu spekulieren und sich über die jetzigen Einstiegskurse zu freuen. Davon raten Analysten jedoch derzeit ab. „Fasse nie in ein fallendes Messer“, sagt eine alte Börsenweisheit schließlich nicht umsonst. Zu Beginn eines Abschwungs ist selten schon der Boden erreicht, an dem sich der Nachkauf lohnt.

Der Ausstieg empfiehlt sich noch weniger für jene, die ohnehin langfristig mit Aktien und Fonds sparen wollen, vor allem mit Sparplänen. Sie nämlich haben zumindest schon mal den Faktor Zeit auf ihrer Seite. Damit können sie den jetzigen Kurssturz und selbst eine größere Krise aussitzen. Und das sollten sie auch. Abwarten nämlich, bis die Epidemiewelle abgeklungen ist, die Wirtschaft wieder normal läuft und die Kurse wieder anziehen.

Wieso das eine gute Idee ist? Weil solche Sparplananleger in Zeiten sinkender Kurse davon profitieren, dass sie für den gleichen monatlichen Betrag mehr Anteile erwerben. Das ist der Durchschnittskosteneffekt. Wieso Sparplananleger also vom Nachkaufen profitieren, Einmalanleger aber nicht? Weil Sparplananleger nicht das Risiko tragen, mit dem gesamten Geld zu einem einzigen Zeitpunkt eingestiegen zu sein. Wenn das nämlich im Nachhinein ein Tiefpunkt des Marktes war, haben sie viel gewonnen. War es jedoch ein Höchststand, dann brauchen sie unter Umständen lange, um auf eine größere Rendite zu kommen.

Durchhalten lohnt sich

Wie sehr sich diese Theorie bewahrheitet, belegen die tatsächlichen Renditen, die Anleger langfristig mit Fondsinvestments eingefahren haben und zwar: einerseits mit der Einmalanlage – und anderseits mit Sparplänen. Nehmen wir zuerst Aktienfonds mit deutschen Aktien. Wer sein gesamtes Geld 2010 in diese Fondsklasse schichtete, der erzielte bis Ende Januar 2020 im Schnitt 8,5 Prozent Rendite – pro Jahr. Das ist üppig, denn es waren ja zehn gute Börsenjahre. Ist er dagegen im Jahr 2000 eingestiegen, also unmittelbar vor dem großen Dotcom-Crash, so waren es nur 3,3 Prozent Jahresrendite. Viel weniger also, aber immerhin ist sein Fondsdepot heute 66 Prozent mehr wert als damals, obwohl er zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt einstieg.

Setzte er schon 1990 auf diese Fonds, so erlebte er gleich zwei große Krisen, den Dotcom-Crash und die Finanzkrise. Dennoch kommt er heute auf 6,3 Prozent Rendite pro Jahr für die gesamte Laufzeit, weil der Markt beide Dellen satt wieder ausbügelte. Das Warten und Halten hat sich also für ihn gelohnt. Mit globalen Aktienfonds hätte er übrigens in etwa dieselben Ergebnisse erzielt.

Wie sieht dagegen die Bilanz des Sparplansparers aus? Er kommt seit 2010 auf eine Durchschnittsrendite von 6,3 Prozent Rendite pro Jahr. Also auf weniger als der Einmalanleger, im Vergleich zu ihm hat er damit die guten Marktzeiten weniger ausgekostet. Stieg der Sparplansparer dagegen 2000 kurz vorm Dotcom-Crash ein, so kommt er heute auf 5,7 Prozent Jahresrendite, hier hat er also durch den günstigen Anteilskauf in schlechten Zeiten sehr viel mehr Gewinn davongetragen als der Einmalanleger. Das spannendste Ergebnis ist aber jenes nach 30 Jahren – und zwei Crashs – hier liegt die Rendite bei ... raten Sie mal! Es sind 6,2 Prozent, damit liegt der Sparplananleger fast genau gleichauf mit dem Einmalanleger und dessen 6,3 Prozent. Allerdings nur, wenn beide wirklich so lange konsequent durchgehalten haben.

Was lernen wir daraus? Von den Viren und Marktkrisen hoffen wir, dass sie auch wieder vergehen. Als Anleger aber sollten wir gerade gegen plötzliche Kursstürze immun sein. Und im Ernstfall so lange warten, bis der Markt sie wieder auskuriert hat. Auf lange Sicht jedenfalls hat sich das bisher noch immer ausgezahlt. In Zukunft ist das hoffentlich nicht anders.

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