Aktionärstreffen wie bei der Deutschen Bank an diesem Donnerstag haben einen riesigen Vorteil: Sie sind eine Plattform für nahezu kostenloses Marketing. Und das nutzen die großen Geldmanager der Republik natürlich gerne, etwa die Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka und die genossenschaftliche Union Investment. Sie schickten Redner auf die Hauptversammlung in Frankfurt, um die verfehlte Geschäftspolitik zu geißeln . Das Problem ist bloß: Leider sind die Auftritte der Zunft kaum glaubwürdig, weil die Geldmanager selbst nicht konsequent genug sind.
Die Fondsgesellschaften lassen ihren Worten schlicht keine Taten folgen. Das zeigt sich erstens bei der Frage, ob die Investoren Vorstand und Aufsichtsrat entlasten, also ob sie mit deren Arbeit zufrieden sind. So kritisierte die Union-Investment-Fondsmanagerin Alexandra Annecke: „Das einstige Vorzeigeinstitut ist nur noch ein Koloss auf tönernen Füßen“. Kurz darauf rief sie in den Saal der Frankfurter Festhalle: „Die Geduld der Aktionäre ist überstrapaziert!“. Mit anderen Worten: Die Dame ist ziemlich sauer – und angesichts des Aktienkurses auch zu recht.
Warum Union Investment trotzdem für die Entlastung von Aufsichtsratschef Paul Achleitner stimmen will (die Abstimmung ist für den Abend geplant), blieb das Geheimnis der Genossen, einen Grund lieferte Annecke nicht. Dabei beaufsichtigt Achleitner bereits seit 2012 Deutschlands größte Bank, seitdem ist der Kurs der Aktie um fast 75 Prozent abgesackt. Immerhin will die Deka Achleitner nicht entlasten.
Aktien erst gar nicht kaufen
Es gibt aber noch einen zweiten, wesentlich entscheidenderen Fakt, der belegt, wie viel Marketing in den Auftritten steckt: Die Geldmanager sind bei ihren eigenen Anlageentscheidungen nicht mutig genug.
Warum das so ist, zeigt eine einfache Überlegung: Was ist der einfachste Weg für Investoren, ihren Unmut über ein Unternehmen und sein Management auszudrücken? Die Antwort ist natürlich: Sie kaufen die Aktien erst gar nicht – oder verkaufen die Papiere. Die Überlegung ist vor allem vor dem Hintergrund relevant, dass sich Fondsgesellschaften wie Union Investment ausschließlich oder wie die Deka vor allem als aktive Fondsmanager verstehen. Meint: Bei diesen Häusern entscheidet (in der Regel) ein Fondsmanager, welche Aktien in seinen Fonds gelangen – anders als bei einem rein passiven ETF-Fonds, der schlicht einen Index wie den Dax nachbildet.
Die Sache ist bloß: Weder Union Investment noch Deka sind so konsequent, was sich etwa an dem Deka-Deutschlandfonds namens „DekaFonds“ ablesen lässt, in dem fast 5 Mrd. Euro liegen. Im 2018er Geschäftsbericht des Fonds kann man nachlesen, dass Ende vergangenen Jahres 0,89 Prozent des Fondsvermögens in Deutsche-Bank-Aktien steckte. Der „DekaFonds“ misst sich an einem Vergleichsindex, in diesem Fall ist das der HDax, der alle Aktien aus Dax, MDax und TecDax zusammenfasst. Im HDax hat die Deutsche Bank wiederum einen Anteil 0,96 Prozent.
Der „DekaFonds“ hat also die Deutsche Bank damit untergewichtet, aber ein echter Unterschied zum Index ist das nicht. Vielmehr zeigt das Beispiel: Obwohl der Deka-Redner die Bank als „Dauerpatient“ und „Horrorfilm mit Überlänge“ brandmarkte, handelt die Fondsgesellschaft nicht entschlossen genug.
Fondsmanager scheuen das Risiko
Ähnlich ist das beim „UniDeutschland“, einem Deutschland-Fonds von Union Investment , in dem fast 1,2 Mrd. Euro Anlegergeld liegen. Der „UniDeutschland“ misst sich wiederum am Dax, in dem die Papiere der Blaubank einen Anteil von 1,26 Prozent haben. Zum Vergleich: Im „UniDeutschland“ machte die Deutsche Bank laut Halbjahresbericht von September 2018 – einen aktuelleren Bericht gibt es noch nicht – 1,19 Prozent des Fondsvermögens aus. Die Abweichung ist also ebenfalls minimal.
Dass die Fonds so wenig abweichen, liegt an der Bequemlichkeit und Angst vieler Fondsmanager. Anders als der Vergleichsindex zu investieren, ist ein Risiko. Steigt das Papier der Deutschen Bank plötzlich doch an und treibt damit auch den Kurs des Indizes, birgt das für den Manager die Gefahr schlechter abzuschneiden, weil die Aktien nicht im Fonds liegen. Aber die Profiinvestoren werden ja gerade für Mut und Risiko bezahlt.
Zwar lässt sich einwenden: Wie gut, dass sich die beiden Fondsgesellschaften immerhin selbst um die Anlagen kümmern, die sie für ihre Kunden tätigen. Das sollte zwar eine Selbstverständlichkeit sein, schließlich entsteht aus Besitz auch Verantwortung, aber das ist es natürlich nicht. Andere Großinvestoren wie der US-Fonds- und ETF-Riese Blackrock schieben die Verantwortung weiter an spezialisierte Firmen, die für sie abstimmen.
Aber: Einfluss und Verantwortung sind nichts, wofür Anleger Fondsmanager bezahlen. Sie sollen für die Investoren die bestrentierlichsten Papiere herausfiltern. Einfluss an sich hat keinen Wert, wenn Investoren so wenig von einem Unternehmen überzeugt sind, wie das bei den Rednern durchscheint.
Es geht auch anders
Umso ärgerlicher ist, wenn die Fondsgesellschaften für ihre Beinahe-ETFs auch noch hohe Gebühren einstreichen wollen, beim „UniDeutschland“ betragen die laufenden Kosten 1,15 Prozent, beim Deka-Produkt immerhin fast 1,5 Prozent – während es bei Dax-ETFs kaum mehr als 0,2 Prozent sind.
Die Auftritte auf Aktionärstreffen wie bei der Deutschen Bank dienen aber natürlich dazu, dass die Fondsmanager die hohen Gebühren rechtfertigen können. Schließlich können sie ihren Anlegern so zeigen: Seht her, wir kümmern uns, wir sind das Geld wert.
Bloß: Deutlich glaubwürdiger wäre es, wenn die Fondsverwalter mit der Deutsche-Bank-Aktie so kritisch umgingen wie in ihren Reden – und ihre Anteile noch viel deutlicher reduzierten. Dass es zumindest im Fall der Deutschen Bank anders geht, zeigt der Fondak-Fonds von Allianz Global Investors, der Fondstochter des Versicherers Allianz. Der Fondak investiert ebenfalls in deutsche Aktien, der Anteil der Deutsche-Bank-Papieren laut Bericht von Ende 2018: null Prozent.