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Finanzbranche Endet jetzt der Job-Boom in der Fondsbranche?

Bürohochhaus mit Menschen bei der Arbeit im Frankfurter Taunusturm
In Frankfurt hat die Fondsbranche viele neue Stellen geschaffen
© Zoonar / Stefan Ziese / Picture Alliance
Viele deutsche Fondsgesellschaften haben trotz der Multikrisen der vergangenen Jahre die Zahl ihrer Mitarbeiter deutlich gesteigert. Doch der Boom könnte jetzt zu Ende gehen, wie eine Entlassungswelle in Großbritannien und den USA zeigt

Mit einem verwalteten Vermögen von rund 70 Mrd. Euro ist Flossbach von Storch (FvS) über die vergangenen 25 Jahre zu einer festen Größe am deutschen Fondsmarkt herangewachsen. Das starke Wachstum ging mit einem starken Personalaufbau einher. Heute arbeiten rund 350 Menschen bei dem in Kölner Unternehmen. Doch auch wenn FvS aktuell rund 40 Prozent mehr Menschen beschäftigt als Anfang 2020, so steht die Gesellschaft für einen Trend im deutschen Assetmanagement: Die Branche hat trotz aller Krisen in den vergangenen fünf Jahren Jobs geschaffen.

Das zeigt eine Capital-Umfrage bei 15 in Deutschland beheimatete Fondsgesellschaften mit einem verwalteten Vermögen (Assets under Mangement, AuM) von insgesamt 4,1 Billionen Euro. In die Untersuchung gingen sowohl die sechs deutschen Schwergewichte Allianz Global Investors, Deka, DWS, Meag, Union Investment und Universal ein, wie auch der mittelgroße Anbieter FvS und die kleineren Häuser Acatis, Lupus Alpha und DJE. Diese zehn Gesellschaften machten präzise Angaben zum Stellenaufbau, womit AuM von 3,8 Billionen Euro von der Umfrage abgedeckt sind. 

Drei Gesellschaften – Feri, Metzler und Berenberg – nannten nur die Zahl der im Konzern insgesamt Beschäftigten, betonten jedoch, es habe einen Stellenaufbau im Assetmanagement gegeben. Die Daten von Bantleon sind wegen verschiedener Übernahmen von Teilen der Credit Suisse sowie von Warburg nicht vergleichbar. Ampega ließ die Capital-Anfrage unbeantwortet. Nicht berücksichtigt in der Befragung sind Deutschland-Töchter von internationalen Anbietern wie Blackrock, M&G Investments oder UBS.

Die zehn Gesellschaften mit konkreten Angaben beschäftigen derzeit rund 20.000 Mitarbeiter, das sind rund 18 Prozent mehr als Anfang 2020 und damit vor den diversen Multi-Krisen dieses Jahrzehnts von der Corona-Pandemie über den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und dem Inflationsschock bis hin zum Hamas-Terrorangriff auf Israel. Neben FvS haben insbesondere Deka (inklusive dem boomendem Zertifikate-Geschäft) und DWS ihren Personalbestand deutlich aufgestockt, und zwar um 18 bzw. 30 Prozent. „Der Stellenanstieg spiegelt dabei auch das Insourcing zentraler Unternehmensfunktionen seit dem Börsengang 2018 wider“, heißt es bei der DWS.

Als einzige der Gesellschaften beschäftigt Meag aktuell weniger Menschen als vor fünf Jahren. Der Grund dafür ist einem Sprecher zufolge die „Bündelung der IT“ bei der Konzernmutter Münchener Rück, wo die früheren ITler der Meag nun beschäftigt seien.

Fondsgesellschaften wollen weiter einstellen

Der Stellenaufbau könnte noch nicht beendet sein, wie eine Umfrage des Branchenverbandes BVI zwischen Dezember und Mai zeigt. Demnach wollten 36 Prozent der Teilnehmer die Gesamtzahl der Mitarbeiter erhöhen und 47 Prozent sie immerhin konstant halten. Nur 17 Prozent erklärten, die Mitarbeiterzahl „wird sinken“. In der Umfrage wird nicht zwischen in- und ausländischen Gesellschaften unterschieden.

Allerdings zeigt die Umfrage auch, dass es wenig neue Stellen für Fondsmanager und Analysten bzw. Volkswirte gibt. Der Personalaufbau erfolgt insbesondere in den Bereichen Nachhaltigkeit, IT und Vertrieb. Einige wie Lupus Alpha berichteten in der Capital-Umfrage jedoch auch von Neueinstellungen im Portfolio-Management.

Auf einen weiteren Grund für Neueinstellungen weist Deka hin, die sich auf eine Welle von Pensionierungen einstellt: „Ein Drittel der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand gehen. Um diesen Generationenübergang und den damit einhergehenden Wissenstransfer frühzeitig anzugehen, haben wir allein im vergangenen Jahr rund 400 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt, darunter viele junge Nachwuchskräfte.“ 

Internationale Entlassungswelle? 

Entgegen den Bekundungen in der BVI-Umfrage könnte die Zahl der Beschäftigten allerdings auch einen Höhepunkt überschritten haben – zumindest wenn die deutschen Anbieter einigen großen internationalen Anbietern folgen. „Mehrere Vermögensverwalter haben Entlassungen angekündigt“, sagt Morningstar-Fondsanalyst Mathieu Caquineau. Er verweist auf entsprechende Ankündigungen der Fondstöchter von Goldman Sachs, Morgan Stanley und JP Morgan sowie von Baillie Gifford, Lazard und Fidelity. Meist beträfen die Entlassungen unterstützende Funktionen. „Soweit wir wissen, haben sie ihre Portfoliomanager und Analysten behalten“, sagt Caquineau.

Die Fondsgesellschaften reagieren nach Einschätzung des Analysten mit Entlassungen auf den Kostendruck, der aus der wachsenden Konkurrenz günstiger passiver Produkte erwächst. Weniger stark seien folglich Fondsgesellschaften wie Blackrock betroffen, die selbst ETFs anbieten. In Deutschland gilt dies neben der Deka insbesondere für die DWS mit der ETF-Marke Xtrackers. „Passive Produkte stellen einen Wachstumsbereich dar, in den wir investieren“, so ein DWS-Sprecher. 

Kleinere Anbieter trotzen ETF-Boom

Während ETFs den aktiven Managern bei Standardprodukten das Leben schwer machen, fühlen sich Spezialisten und Nischenanbieter wie Lupus Alpha nicht von der Konkurrenz betroffen. „Passive Produkte spielen bei spezialisierten Investmentlösungen, wie Lupus alpha sie anbietet, keine nennenswerte Rolle“, sagt Gründer und CEO Ralf Lochmüller. Dazu zählten Wandelanleihen, Volatilitätsstrategien oder Nebenwerte. „Im Bereich Small & Mid Caps können aktive Produkte gegenüber ETFs aufgrund nachweislich bestehender Marktineffizienzen ihre Vorteile haben“, betont er.

Als weiteren Job-Killer sieht Caquineau die Digitalisierung und den Aufstieg der künstlichen Intelligenz. Alle von Capital befragten Gesellschaften betonen jedoch, dass KI nicht automatisch zu Stellenstreichungen führen werde.  „Künstliche Intelligenz betrachten wir aktuell mehr mit Blick auf die Möglichkeiten, die sie zur Unterstützung unserer Mitarbeitenden bietet, als im Hinblick auf unmittelbare Einsparmaßnahmen“, heißt es etwa bei der DWS.

Universal Investment, die sich insbesondere als Fonds-Service-Plattform besteht, betrachtet KI auch als Antwort auf den Kostendruck. „Der Trend zu passiven Anlagen führt branchenweit zu einem steigenden Wettbewerbs- und Preisdruck“, sagte ein Sprecher. „Bei Universal Investment helfen künstliche Intelligenz und Digitalisierungslösungen, weil Mitarbeitende von Routine-Tätigkeiten entlastet werden und so mehr Freiraum geschaffen wird für die Betreuung der Kunden und die Entwicklung neuer Produkte und Lösungen.“

KI verändert Jobprofile

Allerdings werden sich die Tätigkeiten bei Fondsgesellschaften ändern, wie Union Investment betont. „Einige Funktionen werden zukünftig nicht mehr benötigt, andere Funktionen verändern sich in Hinblick auf das damit einhergehende Anforderungsprofil und neue Jobs werden entstehen“, erklärte ein Sprecher. Deshalb laufen schon jetzt „Personalentwicklungsmaßnahmen, um unsere Mitarbeitenden bestmöglich zu unterstützen und sie im Hinblick auf die anstehende Transformation fit für die Zukunft zu machen“.

Acatis rechnet zwar insgesamt mit weniger Arbeitsplätzen durch den Einsatz von KI, aber nicht im eigenen Unternehmen. „Gerade im Portfoliomanagement könnten sogar zusätzliche Spezialisten gefragt sein“, heißt es bei der Gesellschaft. Für die Branche werde KI interessant, weil sie es ermöglichen könne, sogenannte Nicht-Linearitäten zu erkennen, also komplexe Systeme, bei denen der Output nur schwer oder gar nicht anhand des Inputs berechnet werden kann.

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