Die wenigsten Menschen hierzulande würden sich freuen, wenn der Bierpreis steigt. In vielen anderen bieraffinen Ländern sieht es nicht anders aus. Doch in Japan wird es derzeit geradezu mit großer Erleichterung aufgenommen, dass die Asahi Brauerei nun die Preise anhebt. Darauf trinken die Japaner sogar gerne einen, genau wie auf die Wiederwahl von Ministerpräsident Shinzo Abe vor wenigen Wochen.
Nun ist selten zweifelsfrei festzustellen, ob oder wann sich die Menschen im Land des Lächelns sonst wirklich freuen. Denn kaum ein Volk kann seine wahren Gefühle so gut verstecken wie die Japaner. Doch die Preiserhöhungen, die derzeit von Genussmittel- und Lebensmittelkonzernen in den Markt gedrückt werden oder von Paketdiensten, sind zurzeit tatsächlich ein Thema, das viele Japaner positiv stimmt. Weil sie nämlich als Zeichen dafür wahrgenommen werden, dass nun endlich wieder die Inflation zurückkehrt. Nach vielen Jahren der Deflation.
Der Preisauftrieb ist für das gebeutelte Land in Fernost ein wahrer Segen, daran lässt sich nicht herumdeuten. Ob eine weitere Amtszeit von Abe den gleichen segensreichen Effekt für Bürger und Anleger haben wird, bleibt dagegen abzuwarten. Derzeit notiert der Nikkei auf dem höchsten Stand seit 25 Jahren und er sprang erstmals über 23.000 Punkte – woraufhin einige Anleger freilich schon wieder kalte Füße bekamen und aus dem Markt flohen. Abes Coup war zweifelsohne, dass er vorgezogene Neuwahlen ausrief und sie haushoch gewann. Hätte er seine Amtsperiode abgewartet, hätten ihn vermutlich die Zweifel eingeholt, die Zweifel derjenigen Bürger, die nicht glauben, dass Abes Politik langfristig wirkt. Führt sie wirklich zum großen neuen Aufschwung sowohl bei den Preisen als auch bei den Wachstumszahlen?
Japan geriet in eine Deflationsspirale
Denn viele Jahre taugte Japan nun als abschreckendes Beispiel dafür, wie schwer eine Volkswirtschaft an der Last der Deflation zu tragen hat, wenn sie erst einmal von ihr ereilt worden ist. Deren fatale Folgen führte die einstige führende Volkswirtschaft des Ostens den westlichen und europäischen Staaten vor Augen, vor allem aber auch den Zentralbanken. In Japan lief das so: In den 1980er-Jahren zog das Land unglaublich viel Geld an. Es floss in den Yen, in die Aktienmärkte und in den Immobiliensektor, wo sich gewaltige Blasen aufblähten, die im Grunde jeglicher Grundlage durch Substanzwerte entbehrten. Dann platzte die Spekulationsblase. Sie riss nicht nur Japans Börsenkurse in die Tiefe, sondern stürzte die gesamte Volkswirtschaft in eine schwere Krise. Japan geriet in eine Deflationsspirale. Die sinkenden Preise in vielen Bereichen führten dazu, dass die Bürger ihren Konsum immer weiter einschränkten – in der Hoffnung: Wenn ich heute nicht kaufe, ist es morgen vielleicht noch billiger, dann bekomme ich für mein Geld noch mehr. Ein Satz, den man sich bei Deflation täglich sagen kann. Und täglich stimmt er.
Dieses Denken aber brannte sich nicht nur bei der Bevölkerung ein, sondern auch bei Unternehmen, die sich mit Investitionen immer weiter zurückhielten. Bis sie sich am Ende fast gar keine neuen Geräte und Maschinen mehr zulegten. Warum auch? Die Konsumenten kauften ja ohnehin nichts mehr. Dass sich eine Volkswirtschaft so langsam aber sicher selbst zersetzt, ist klar. Dagegen konnte auch die Zentralbank nichts ausrichten, die mit ihrer jahrelangen Nullzinspolitik versuchte, die Ökonomie dennoch in Schwung zu bringen. Aber die Deflation war einfach zu stark. Dann walzte 1997 auch noch die Asienkrise über das Land hinweg. Sie traf Japan in einer ohnehin schwachen Phase und versetzte ihm noch mal einen Dämpfer. Heute nennt man diese lange Zeit deshalb Japans verlorene Jahrzehnte.
Aber geht es jetzt endlich wieder bergauf? Nach 20 Jahren Seitwärtsbewegung? Der Aufstieg des Nikkei lässt viele Anleger zumindest hoffen. Inzwischen ist viel passiert: Diverse Ministerpräsidenten haben sich an der Erneuerung des Landes versucht. Letztlich aber war es gerade die große Schrumpfung der Wirtschaft, wodurch die Ökonomie wieder wettbewerbsfähig wurde. Denn der Schrumpfungsprozess schmolz faule Kredite ab, baute Überkapazitäten ab, die Lohnkosten sanken und die Arbeitsproduktivität stieg wieder. Wäre die Finanzkrise von 2008 nicht gewesen – Japan wäre schon längst wieder in den Kreis der erfolgreichen Volkswirtschaften zurückgekehrt. Aber die neuerliche Krise warf das Land noch einmal um Jahre zurück.
Ist der Aufschwung nachhaltig?
Dann kam Shinzo Abe. Der Ministerpräsident sorgte für eine Geldschwemme (die ja schon den Boom in den 1980er-Jahren ausgelöst hatte), erhöhte die Steuern (denn höhere Steuern würgen normalerweise die Wirtschaft ab) und legte ein gigantisches Konjunkturprogramm auf (welches wiederum die Wirtschaft beflügeln sollte). Vor allem die Steuererhöhungen waren dringend nötig, um den Staatshaushalt einerseits vor dem drohenden Bankrott zu bewahren und andererseits genug Geld für gezielte Impulse für bestimmte Wirtschaftsbereiche zu haben. Das funktionierte eine ganze Weile lang sehr gut. Zuletzt aber kamen Zweifel auf.
Seit einem Jahr diskutieren Ökonomen, ob Abe die Wirtschaft wirklich nachhaltig wieder in Gang gebracht hat, oder ob er nur ein Strohfeuer auslöste, das nun wieder versiegt. Seit dem Spätsommer aber ist klar: Japans Wirtschaft wächst das siebte Quartal in Folge. Und die Inflation zieht nun auf breiter Front an. Nicht nur der Export läuft, sondern auch die Binnenkonjunktur ist wieder in Fahrt. Seit zwei Jahren erlebt das Land ein hohes Wachstum in allen Sektoren, sagen Beobachter. Das hat auch die Zahl der Arbeitsplätze wachsen lassen, ebenso wie die Steuereinnahmen und die Löhne. Erstmals spürt man nun in der Bevölkerung deutlich, dass sich die Stimmung dreht: Die Bevölkerung ist laut Umfragen so zufrieden wie seit 1995 nicht mehr: die Japaner sind mehrheitlich einverstanden mit ihrem Verdienst und sie haben Lust auf Konsum. In der Psychologie der Japaner habe Abe einiges verändert, so nennen es Beobachter.
Nun werfen Skeptiker bereits die Frage auf, wann der Boom zu seinem Ende kommen wird und wann der japanische Markt überhitzt. Nicht alle halten das aber für zwingend notwendig. Könnte es nicht auch sein, dass das Wachstum in Japan erstmals wieder richtig beginnt? Wer das glaubt, der kann entweder auf einen aktiven Fonds setzen, der gezielt aussichtsreiche japanische Aktien auswählt. Die Fonds von Henderson, M&G und Parvest fielen zuletzt dadurch auf, dass sie sehr aktiv anlegten und dadurch eine spürbare Überrendite erzielten, sogar auf einen sehr langen Zeitraum.
Oder man nimmt einen Indexfonds und setzt auf den gesamten japanischen Markt. Damit ist man zwar vor Abstürzen weniger gefeit, denn der ETF vollzieht einen möglichen Aktienmarkteinbruch eins zu eins mit. Doch geht es an Nippons Börsen weiter bergauf, nimmt man an dieser Steigerung ebenfalls voll teil, ohne von der Aktienauswahl eines aktiven Managers abhängig zu sein. Auf Jahressicht machte der Nikkei knapp 20 Prozent Boden gut, auf fünf Jahre schaffte er eine Rendite von 71 Prozent. Und die Aussichten stehen nicht schlecht, dass er demnächst endlich einmal nach oben ausbricht, denn bisher hat er ja quasi nur die Delle der letzten 20 Jahre ausgeglichen. Und vielleicht steigen demnächst die Preise der Aktien noch wirklich an, ähnlich wie die fürs Bier.