Mehr als 2480 Dollar pro Feinunze: So hoch wie am Mittwochmorgen stand der Goldpreis noch nie. Die 2500 Dollar kommen in Sichtweite, doch alle fragen sich, was den Preis in die Höhe treibt und ob die Rallye weitergeht oder Anleger doch mit Rücksetzern rechnen müssen. „Wenn die derzeitige Dynamik anhält, könnten wir noch vor Jahresende mit Preisen rechnen, die noch weiter nach oben gehen“, sagte Tim Waterer, Analyst von KCM Trade.
Die Antwort ergibt sich aus der Gemengelage um das Attentat auf Donald Trump am vergangenen Samstag, den Hoffnungen auf Zinssenkungen der Fed im September und der geopolitisch angespannten Situation. Die Konsequenz aus den Ereignissen wird ein schwächerer Dollar sein, meinen Marktteilnehmer. Und eine der zentralen Regeln für Goldanleger lautet, dass ein schwacher Dollar den Goldpreis stärkt – jedenfalls für Dollar-Anleger. Denn mit einem schwachen Dollar geht ein stärkerer Euro einher, was den Goldpreisanstieges für sie relativiert.
Trump bekommt ungeahnte Unterstützung
Der Schuss, der Donald Trump am Ohr getroffen hat, hat in den USA eine unglaubliche Welle der Unterstützung ausgelöst, selbst einstige Gegner des Präsidentschaftskandidaten haben ihm nun den Rücken gestärkt, Tesla-Chef Elon Musk und andere Unternehmer versprechen Milliarden für den Wahlkampf. In Umfragen hat er den hauchdünnen Vorsprung gegenüber dem amtierenden Demokraten Joe Biden ausgebaut.
Die Wahrscheinlichkeit, dass Trump das Rennen macht, ist also gestiegen. Das finden nicht alle Länder erfreulich. In seiner letzten Amtszeit hat Trump schließlich den Handelskonflikt mit China losgetreten und nicht mit Sanktionen gegeizt. Schon seit Beginn haben einige Zentralbanken von Schwellenländer deshalb die Bestände an Dollar gekürzt und in Gold investiert. Sie sichern sich damit nicht nur gegen einen schwächeren Dollar ab, sondern minimieren so ihre Abhängigkeiten von den USA. Einen schwächeren Dollar hat auch Trumps „Running Mate”, alias Vizepräsident J.D. Vance, als Ziel ausgegeben.
Zudem will Trump Steuersenkungen durchsetzen und damit den ohnehin mit 120 Prozent im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt riesigen Schuldenberg weiter erhöhen. „Das dürfte Käufer weiter in als sicher erachtete Anlagen wie Gold treiben, sagte Giovanni Staunovo, Rohstoffanalyst bei der Bank UBS.
Zentralbanken wollen Goldvorräte aufstocken
In einer Umfrage, die der Lobbyverband World Gold Council (WGC) unter den 70 Zentralbanken weltweit durchgeführt hat, gaben 30 Prozent an, in den kommenden Jahren die Goldbestände weiter aufstocken zu wollen. Bereits in den beiden vergangenen Jahren haben die Notenbanken Käufe in Rekordumfang getätigt.
Ein weiterer Treiber für die aktuelle Goldpreisrally ist die Aussicht auf sinkende US-Leitzinsen. Laut der jüngsten Fondsmanager-Umfrage der Bank of America rechnen 62 Prozent der befragten Investoren mit drei US-Zinssenkungen über die kommenden zwölf Monate, wobei der Startpunkt die Sitzung des Offenmarktausschusses der Fed am 18. September wäre. Goldman Sachs-Chefvolkswirt Jan Hatzius hatte sogar die Sitzung am 31. Juli als Datum für eine erste Zinssenkung ins Spiel gebracht. Je niedriger die Zinsen und damit Renditen auf Anleihen sind, desto attraktiver wird relativ gesehen das zinslose Gold.
Letztlich reagiert der Goldpreis aber auf die realen Zinsen und damit auf das Zusammenspiel von Geldpolitik und Inflation. Verfolgt die Notenbank eine stabilitätsorientierte Geldpolitik, reagiert sie mit Zinserhöhungen auf eine steigende Inflation und umgekehrt. Damit ändert sich das reale Zinsniveau mittelfristig weniger als es nominal den Anschein hat. In solch einem normalen Szenario gehen dann wenig Impulse von der Inflation auf den Goldpreis aus.
Trump gleich Inflation?
Aber was ist schon normal, wenn die US-Wähler dabei sind, einen Populisten erneut zum Präsidenten wählen zu wollen. Tatsächlich könnte der Goldpreis unter einer zweiten Amtszeit von Donald Trump deutlich steigen, weil dessen Politik deutlich inflationär wirken könnte. Dies gilt insbesondere für die geplanten hohen Einfuhrzölle, eine Art Verbrauchssteuer für die US-Konsumenten. Wenn es zugleich zu massenhaften Abschiebungen von Nicht-Amerikanern käme, würde das Arbeitskräftepotenzial sinken und steigende Löhne die Inflation weiter anheizen.
Typischerweise müsste die Fed dann mit steigenden Zinsen dagegenhalten, doch ob es jemals dazu kommen würde, ist mehr als ungewiss. Trump hat angekündigt, den von ihm selbst berufenen Fed-Präsidenten Jerome Powell vor die Tür zu setzen und einen Nachfolger zu installieren, der für eine lockere Geldpolitik steht. Hohe Inflation und niedrige nominale Zinsen würden niedrige Realzinsen bedeuten. Gold wäre wahrscheinlich ein Profiteur von Trump 2.0. Dies gilt umso mehr, je mehr Chaos und Unsicherheit ein Angriff auf die Unabhängigkeit der Fed auslösen würde.
„Wenn wir Trumps Versprechen, Jerome Powell zu entlassen und die Zinssätze zu senken, für ein rein politisches oder persönliches Motiv halten, wird dies katastrophale Auswirkungen auf verschiedene Aspekte haben”, warnt Samer Hasn, Analyst beim Broker XS.com. „Zu den wichtigsten dieser Folgen gehört meines Erachtens der Vertrauensverlust in das Federal Reserve-System, die sich auf die Geldmärkte ausdehnen kann, was die Zuflüsse von Anlegergeldern in Gold, die jetzt in Anleihen und Aktien fließen, wieder ansteigen lassen kann.”
Ein höherer Goldpreis wäre also der Preis dafür, dass Trump möglicherweise Sündenböcke für die hohe Inflation sucht und die Stabilität des US-Finanzsystems untergräbt. Auf letzteres setzen jene libertären Staatshasser, hinter denen unter anderem der Investor Peter Thiel und Tesla-Chef Elon Musk stehen. Sie wollen den Staat aushungern und ins Chaos stürzen - und erhoffen sich davon eine bessere Welt, zumindest weniger Steuerzahlungen für sich selbst. Kein Wunder also, dass im Zuge der Goldrally die Notierung für das Kryptoasset Bitcoin deutlich gestiegen ist und den Kursrutsch wegen mutmaßlicher Verkäufe des Bundeslandes Sachsen weggesteckt hat. Bitcoin ist der Traum einer Welt ohne Notenbank und privatisierten Geldes. Für wen das ein Alptraum ist, kann immerhin noch in Gold investieren.