Seit der Finanzkrise 2008 ist das weltweite Finanzvermögen immens gestiegen, unter anderem Dank der lockeren Geldpolitik vieler Notenbanken. Das US-Unternehmen Blackrock ist der größte Vermögensverwalter der Welt. Schon vor gut zwei Jahrzehnten hat der Konzern beschlossen, zehn Prozent seiner Investorengelder von einem Supercomputer namens Aladdin verwalten zu lassen.
Dieser Mega-Rechner ist einer jener Gründe, warum Pensionskassen und Staatsfonds sowie Stiftungen und Versicherer aus sehr vielen Ländern dem Vermögensverwalter ihr Geld anvertrauen. Aladdin ist ein riesiges Datenanalysesystem, das mit Algorithmen und einer ganzen Schar von Analysten arbeitet. 200 Millionen Kalkulationen pro Woche soll Aladdin ausführen.
Zu den erwähnten zehn Prozent gehören auch wesentliche Anteile an der Deutschland AG, wenn man den Dax so nennen will. Von Aladdin ist es nun nur noch ein Gedankensprung zu Angela Merkel und ihrem von der Wirtschaft gewünschten Nachfolger. Denn Friedrich Merz ist Chefaufseher von Blackrock in Deutschland. Niemand dreht bei Beteiligungen an deutschen Unternehmen ein derart großes Rad wie der amerikanische Vermögensverwalter. Dazu ist Merz in der Atlantik-Brücke aktiv, bessere Verbindungen in die USA kann man sich aus seiner Sicht kaum wünschen.
Merz beaufsichtigt Blackrock Deutschland nunmehr seit zwei Jahren und hat damit Einfluss auf zahlreiche Dax-Unternehmen. So gehören Blackrock beispielsweise jeweils rund fünf Prozent an Lufthansa und K+S, jeweils sechs Prozent an der BASF, Adidas, Allianz und Eon sowie Heidelcement und Merck. Die Liste ließe sich mit anderen Prozentzahlen auf Siemens, Linde und vielen mehr erweitern.
Wer Merz wählt, weiß, was er bekommt
Insgesamt verwaltet Blackrock weltweit 6300 Mrd. Dollar. 4,5 Prozent des Dax sind in den Händen der Amerikaner. Das entspricht selbst bei den momentan gerupften Marktwerten noch rund 50 Mrd. Euro. Dass der Aufsichtsratsvorsitzende eines weltweiten Riesen direkt den Weg an die Spitze der größten Partei Europas sucht, ist daher nicht nur bemerkenswert, sondern in vielerlei Hinsicht mit Interessen belegt. Dies wird bis Anfang Dezember sicher breit diskutiert, doch eines muss man Merz zugestehen. Im Gegensatz zu mehr als zweifelhaften Schritten vieler Berufspolitiker, die nach ihrem Job im Bundeskabinett direkt die Drehtür in den Lobbyismus wählten – wie etwa Eckart von Klaeden und Matthias Wissmann – schlägt Merz den umgekehrten Weg ein. Und sein Vorgehen ist transparent. Wer Merz wählt, weiß mit Sicherheit, was er bekommt.
Auch auf Aladdin dürfte es Einfluss haben, ob die CDU-Mitglieder für Merz die Wunderlampe anknipsen. Denn der Supercomputer dürfte in seinen Algorithmen ebenso wie die menschlichen Analysten von Blackrock auch die politische Lage und Wirtschaftsfreundlichkeit einer Regierung genau einarbeiten. Anleger dagegen sind nicht zwangsweise im ETF-Bereich auf Aladdins Dienste angewiesen. Auch europäische Anbieter wie Lyxor bieten den Einstieg in die Deutschland AG via ETF. Wer seine Geschäfte bei Flatex oder Degiro tätigt, kann sogar die Ordergebühren sparen.
Friedrich Merz – Stationen einer Karriere
Im Jahr 2000 nimmt die Karriere von Friedrich Merz so richtig Fahrt auf. Zu dieser Zeit leidet die CDU unter der Parteispendenaffäre, die Partei- und Fraktionschef Wolfgang Schäuble beide Ämter kostet. Merz wird im Februar sein Nachfolger als CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender.
2002 ist Schluss mit der Harmonie zwischen Merkel und Merz. Die CDU-Chefin verzichtet auf die Kanzlerkandidatur zugunsten Edmund Stoibers (r.). Der CSU-Vorsitzende sagt ihr im Gegenzug Unterstützung zu beim Griff nach dem Fraktionsvorsitz. Nach der verlorenen Bundestagswahl ist es soweit: Merkel wird Fraktionschefin, Merz ist ausgebootet.
Nach der Niederlage rückt Merz ins zweite Glied zurück, bleibt aber der führende Finanzpolitiker seiner Fraktion. 2003 beschließt die CDU auf ihrem Parteitag in Leipzig sein Konzept einer radikalen Steuervereinfachung, wonach die Steuererklärung künftig auf einen Bierdeckel passen sollte. Doch schon ein Jahr später legt Merz seine Ämter in Partei und Fraktion aus Frustration über den steckengebliebenen Reformkurs der Union nieder.
Merz bleibt in der Zeit der ersten Großen Koalition Hinterbänkler im Bundestag. Nur einmal erregt er Aufsehen: Der CDU-Mann gehört zu den Bundestagsabgeordneten, die vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Offenlegungspflicht von Nebeneinkünften klagen. Erfolg hatten sie nicht. Zur Wahl 2009 trat Merz nicht mehr an.
Immer stärker fremdelt Merz mit dem Kurs der CDU unter Merkel, die die Partei nach links rückte. Ein Graus für den bekennenden Wirtschaftsliberalen. Merz trifft sich öffentlichkeitswirksam mit dem damaligen FDP-Chef Guido Westerwelle. Doch den Avancen der Liberalen widersteht er und bleibt seiner Partei treu.
Nach 2009 verabschiedet sich Merz von der politischen Bühne und tritt in die internationale Rechtsanwaltskanzlei Mayer Brown LLP ein. Daneben war er Mitglied in diversen Aufsichtsräten unter anderem von 2010 bis 2014 bei Borussia Dortmund. 2016 wurde er Aufsichtsratschef bei der Deutschland-Tochter des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock.
Außerdem war Merz Vorsitzender der „Atlantik-Brücke“, die 1952 gegründet worden war, um die Beziehungen zu den USA zu pflegen und zu fördern. Merz bezeichnet sich selbst als überzeugten Transatlantiker. Das Foto zeigt ihn mit seiner Ehefrau Charlotte bei einer Festveranstaltung der „Atlantik-Brücke“ in Berlin.
2018 kehrte Merz in die Politik zurück. Zweimal bewarb er sich vergeblich um den CDU-Vorsitz. Gegen Annegret Kramp-Karrenbauer und Armin Laschet hatte Merz das Nachsehen. Beim dritten Versuch klappte es: Die CDU-Mitglieder sprachen sich 2022 mit großer Mehrheit für ihn als Vorsitzenden aus.
Merz übernimmt auch die Rolle des Fraktionschefs im Bundestag. Damit ist er Oppositionsführer und kann die zerstrittene Ampelkoalition von Bundeskanzler Olaf Scholz als prominenter Redner angreifen. Er sorgt aber auch für einen Tabubruch, als er in Kauf nimmt, dass die rechtsextreme AfD einem Antrag der Union zur Migrationspolitik zustimmt. Dennoch betont Merz immer wieder, dass es mit ihm keine Zusammenarbeit mit der AfD geben werde.
Am 23. Februar 2025 steht fest, dass Merz der nächste Bundeskanzler wird. Die Union gewinnt die Bundestagswahl mit 28,5 Prozent. Zwar ist das Ergebnis nicht glamourös, trotzdem kann der CDU-Chef nun versuchen, eine Koalition mit der geschlagenen SPD zu bilden.