Zwei Formulierungen hat EZB-Präsidentin Christine Lagarde an diesem Donnerstag immer wieder verwendet und damit den weiteren geldpolitischen Kurs vorgezeichnet. „Wir posen nicht.“ Und: Es gelte „mehr Boden zu gewinnen“ im Kampf gegen die Inflation. Außerdem verwies sie auf die rekordtiefe Arbeitslosenquote in der Eurozone von 6,5 Prozent und einem sich verstärkenden Lohndruck, was wiederum auf die Inflationserwartungen durchschlage. „Die jüngsten Tarifabschlüsse haben die Inflationsrisiken erhöht“, sagte sie und erklärte mit Blick auf weitere Zinsanhebungen: „Wir legen keine Pause ein, das ist ganz klar.“ Sie machte damit klar, dass zur Erreichung des Inflationsziels von zwei Prozent weitere Zinsanhebungen nötig sein werden und die Europäische Zentralbank es auch ernst meint.
„Das Zwei-Prozent-Ziel ist also nur mit dem Fernglas zu erkennen. Daher ist es für die EZB wichtig, Entschlossenheit zu zeigen und die Inflationserwartungen weiter zu dämpfen“, sagte Michael Holstein, Chefvolkswirt der DZ-Bank. Nach Einschätzung von Kevin Thozet, Mitglied des Anlageausschusses bei der Fondsgesellschaft Carmignac wird die EZB ihre Zinsen noch zweimal um jeweils 25 Basispunkte anheben. Sie würde damit über die kommenden Monate restriktiver agieren als die US-Notenbank Federal Reserve. Nachdem diese am Mittwochabend ihren Leitzins auf bis zu 5,25 Prozent angehoben hatte, wird vom Markt nun eine längere Pause erwartet.
375 Basispunkte seit Juli
In der Eurozone beträgt der an den Finanzmärkten maßgebliche Einlagensatz, den Finanzinstitute für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, künftig 3,25 Prozent. Der offizielle Leitzins (Hauptrefinanzierungsatz) liegt dann bei 3,75 Prozent, womit die EZB seit vergangenem Juli die Zinsen um insgesamt 350 Basispunkt angehoben hat.
Konkrete Aussagen zum künftigen Zinskurs machte Lagarde allerdings zunächst nicht. Sie erklärte lediglich, sie sei bereit, alle ihre Instrumente im Rahmen ihres Mandats anzupassen, um sicherzustellen, dass die Inflation mittelfristig zum Zielwert von zwei Prozent zurückkehre. „Die Gesamtinflation ist in den letzten Monaten zurückgegangen, der zugrunde liegende Preisdruck ist jedoch nach wie vor hoch“, stellte Lagarde fest. Die bisherigen Zinserhöhungen wirkten sich bereits stark auf die Finanzierungsbedingungen aus.
Weiterhin bleibe aber unsicher, wie kräftig die Auswirkungen auf die Realwirtschaft ausfallen und mit welcher Verzögerung sie eintreten würden. Die künftigen Beschlüsse der Währungshüter sollen laut der EZB dafür sorgen, dass die Zinsen auf ein ausreichend restriktives Niveau gebracht würden, damit die Inflation zeitnah wieder auf zwei Prozent sinke. „Dieses Niveau wird so lange aufrechterhalten wie erforderlich“, erklärte die EZB.
Bilanz soll schneller schrumpfen
Die Währungshüter kündigten zudem an, den Bilanzabbau zu beschleunigen. Im Zentrum stehen dabei die rund 3,2 Billionen Euro großen Bestände an Papieren aus dem Programm zum Ankauf von Vermögenswerten (Asset Purchase Programme, APP). Die Notenbank will ab Juli die Reinvestitionen ganz stoppen.
Aktuell werden die Bestände aus dem APP-Programm bereits um monatlich 15 Mrd. Euro abgebaut, da die Tilgungsbeträge von Papieren bei Fälligkeit nicht mehr vollumfänglich reinvestiert werden. Lagarde zufolge wird der APP-Bestand ab Juli dann pro Monat um durchschnittlich rund 25 Mrd. Euro pro Monat sinken. Weil die EZB viele lang laufende Bonds erworben hat, würde der Bestand erst in 12 bis 15 Jahren auf Null abgeschmolzen sein. Am Bestand des während der Pandemie aufgelegten PEPP-Kaufprogramm will Lagarde bis Ende kommenden Jahres festhalten und Rückflüsse weiterhin flexibel einsetzen.
Die Kapitalmärkte reagierten kaum auf die Zinserhöhungen sowie den Aussagen von Lagarde zum APP-Programm und dem weiteren geldpolitischen Pfad. Das ist nicht unüblich, weil viele marktdominierende Investoren auf ihren Heimatmarkt in den USA schauen, der gerade von der Krise der Regionalbanken dominiert wird. Der Euro gab um 0,4 Prozent nach auf 1,0943 Dollar, was typisch ist bei fallenden Aktienkursen. Zudem hatten wohl einige Akteure auf eine Zinserhöhung um 50 Basispunkte gesetzt und waren enttäuscht worden.