Altersvorsorge Einstieg in die Aktienrente: „Rendite für Risiko“

Die von der Ampel-Koalition geplante Aktienrente würde viele Deutsche zu Anlegern am Kapitalmarkt machen
Die von der Ampel-Koalition geplante Aktienrente würde viele Deutsche zu Anlegern am Kapitalmarkt machen
© IMAGO / Westend61
Im Koalitionsvertrag sprechen sich SPD, Grüne und FDP für eine Reform des Rentensystems aus. Teil davon soll auch eine Aktienrente sein. Was das für den Kapitalmarkt heißt

Alles neu bei der Rente? Nicht ganz. Zumindest auf kurze Sicht wirbt die Ampel eher für Kontinuität als für eine Kehrtwende. An mehreren Kenngrößen will die künftige Ampel-Regierung erst einmal nicht rütteln: Das Renteneintrittsalter soll weiterhin schrittweise bis 67 Jahre angehoben werden, aber nicht darüber hinaus.

Das Rentenniveau bleibt bei 48 Prozent und auch die Beitragssätze, die Arbeitnehmende für die Rente abzwacken müssen, werden gedeckelt. Sie können in den kommenden vier Jahren auf maximal 20 Prozent steigen. Aktuell sind es 18,6 Prozent. Zwar will die neue Regierung über den sogenannten Nachholfaktor die Rentensteigerungen 2022 geringer ausfallen lassen. Im Großen und Ganzen ändert sich kurz- und mittelfristig für die rund 20 Millionen Rentner und auch für die Arbeitnehmenden wenig.

Aber: Für künftige Rentengenerationen sieht es ganz anders aus. Die Koalitionäre wollen das Rentensystem nämlich so umstellen, dass die gesetzliche Rente künftig nicht mehr voll umlagefinanziert ist. Bisher zahlen die Jungen mit ihren Beiträgen die Renten der Alten. Weil es wegen des demographischen Wandels immer mehr Alte und weniger Junge gibt, droht diesem System der Kollaps.

Fonds für alle

Nach dem Willen der neuen Regierung soll die Altersvorsorge daher in Zukunft teilweise kapitalgedeckt sein. Die FDP hat dafür den kernigen Begriff „Aktienrente“ erfunden. Mit dem Lieblingsprojekt der Liberalen sollen künftige Ruheständler an den Kapitalmarkt herangeführt werden. Geplant ist dafür laut Koalitionsvertrag ein „dauerhafter Fonds“, der „von einer unabhängigen öffentlich-rechtlichen Stelle professionell verwaltet werden und global anlegen“ soll.

Dieser Fonds soll für die Bürgerinnen und Bürger „dauerhaft eigentumsgeschützt sein“, was nichts anderes heißt, als dass der Staat auf ihre eingezahlten Beiträge keinen Zugriff hat.

Die Einführung der Aktienrente hat für den Kapital- und Aktienmarkt durchaus große Folgen. Bisher investieren nur knapp 18 Prozent der Deutschen in Aktien. Das wird sich mit der kapitalgedeckten Altersvorsorge automatisch ändern. Andreas Hackethal, Professor für Finanzen an der Frankfurter Goethe-Universität, hält den Schritt für sinnvoll. Zum einen ließe sich so auch während der derzeitigen Niedrigzinsphase Rendite machen, sagt Hackethal. Voraussetzung dafür ist logischerweise, dass der Fonds erfolgreich anlegt.

Werden Märkte demokratischer?

Zum anderen dürften die Deutschen Aktien insgesamt positiver gegenüberstehen. „Es wird einen Tipping Point geben, ab dem sich das Klischee 'Aktien sind nur was für Experten und Reiche' umkehrt“, glaubt Hackethal. „Wenn die Hürde einmal fällt, werden generell mehr Menschen in Aktien investieren.“ Das würde auch die Pläne der Ampel-Koalition für die private und betriebliche Altersvorsorge stützen. Wer betrieblich vorsorgt, soll künftig durch mehr Anlagemöglichkeiten höhere Renditen erzielen können. Die private Vorsorge soll „grundlegend“ reformiert werden und zwar über einen öffentlich verwalteten Fonds mit günstigem Angebot.

All das wiederum könnte die Märkte – zumindest bis zu einem bestimmten Grad – regelrecht demokratisieren. „Arbeitnehmer partizipieren dann am Produktivkapital der Volkswirtschaft und profitieren direkt vom globalen Wirtschaftswachstum“, so Hackethal. Für den Kapitalmarkt wiederum hieße der Einstieg in die Aktienrente aber auch, dass der Staat durch den Fonds ein großer Anleger mit viel Macht werde.

Die große Frage ist, wie genau die Aktienrente ausgestaltet sein wird. Im Koalitionsvertrag steht dazu nichts. Das Konzept der FDP sieht vor, dass alle Versicherten unter Beteiligung der Arbeitgeber zwei Prozent ihres Bruttoeinkommens in den Fonds einzahlen. Möglich wäre demnach auch, dass freiwillig mehr eingezahlt oder per Opt-Out-Option in andere Anlageprodukte investiert werden kann.

Anlage personalisieren

Finanzexperte Hackethal plädiert für individuelle Wahlmöglichkeiten bei der Aktienrente. „Wer nicht in bestimmte Branchen investieren und sein Geld zum Beispiel in grüne Anlagen stecken will, sollte das auch dürfen.“ Der Aktienanteil solle ebenfalls variabel sein, findet Hackethal. Lohnen dürfte sich die Aktienrente theoretisch für alle, auch für Menschen kurz vor der Rente. „Für einen Zinseszinseffekt braucht es aber in der Regel zehn Jahre“, so Hackethal. „Eine schnelle hohe Rente gibt es damit nicht.“

So sehr die FDP in den kommenden Wochen für die Chancen der Aktienrente werben wird, ein Restrisiko bleibe, sagt Hackethal, auch wenn der Fonds streng beaufsichtigt werden dürfte. „Es gilt: Rendite für Risiko. Eine Beitragsgarantie gibt es nicht.“

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