Vor einem Jahr erschien das „Manager Magazin“ mit einer Titelgeschichte über die „Wilden Kerle“, die zurück seien. Die wilden Kerle, das waren Kai Diekmann, Ex-Chefredakteur der Bild-Zeitung und heute Medienunternehmer, und Lenny Fischer, Ex-Investmentbanker. Anlass der Geschichte war der Start des „Zukunftsfonds“, mit dem die beiden Geld von Privatanlegern einsammeln und rentabel anlegen wollen – 20 Mrd. Euro gaben sie dabei als Ziel aus. Viel Geld für einen einzigen Fonds, aber letztlich nur ein Bruchteil der rund 2100 Mrd. Euro, die Sparer heute weitgehend unverzinst als Bargeld und Sparguthaben halten. Soweit die industrielle Logik.
Die Titelgeschichte war der Auftakt einer beeindruckenden Medienkampagne, die beiden starteten sogar ein eigenes Geldportal. All die Berichte brachten dem Fonds und seinen Protagonisten über Monate eine Medienreichweite ein, die es vermutlich noch nie für einen neuen Fonds gegeben hat. Das trug dazu bei, dass der „Zukunftsfonds“ bis heute ein Topthema in der Frankfurter Finanzbranche ist.
Kaum Interesse am Zukunftsfonds
Ein Jahr nach dem Paukenschlag und 13 Monate nach der Vertriebszulassung haben die Macher allerdings erst 15 Mio. Euro eingesammelt. Ein Minus von 3,8 Prozent seit Auflage spricht nicht dafür, dass eine überzeugende Performance rasch deutlich mehr Anleger locken könnte. So genial die Vermarktung war, so desaströs ist absolut wie relativ zur erzielten Reichweite das bisherige Vertriebsergebnis. Das gilt umso mehr, als der tatsächliche Netto-Absatzerfolg aufgrund der üblichen „Startfinanzierung“ von Fonds noch einmal deutlich unter den aktuell 15 Mio. Euro liegen dürfte.
Woran liegt das und was lässt sich daraus für den deutschen Markt für Geldanlageprodukte ableiten? Die Antworten auf beide Fragen sind eng miteinander verwoben.
Beginnen wir mit der Frage, was sich aus dem müden Absatzerfolg für den deutschen Anlagemarkt ableiten lässt: vor allem, dass es selten ein besseres Beispiel gegeben hat, wie wichtig der Vertrieb durch menschliche Berater für Anlageprodukte ist - und wie verkrustet und provisionsorientiert auch im Zeitalter der Digitalisierung im Jahr 2018 immer noch seine Strukturen sind. Fonds werden, dem Wind um die Digitalisierung zum Trotz, verkauft, nicht gekauft. Unterstellt man großzügig, dass dem „Zukunftsfonds“ seit Auflage 10 Mio. Euro netto von Privatanlegern zugeflossen sind, dann ist das die Größenordnung, die genossenschaftliche Banken und Sparkassen mit den Produkten ihrer Fondstöchter Deka und Union im Jahr 2018 innerhalb einer knappen Stunde in klassischen Beratungen verkaufen.
Provisionen sind Schmiermittel für den Vertrieb
Bestandsvergütungen und Ausgabeaufschläge, wie es sie beim „Zukunftsfonds" nicht gibt, mögen für manche wie Anachronismen klingen. Sie sind aber immer noch das entscheidende Schmiermittel für rund 98 Prozent des Markts, damit ein Berater die Arbeit aufnimmt und einen Fonds überhaupt empfiehlt (das ist die kritische Sichtweise von Verbraucherschützern auf Provisionen) – oder ihm die Beratungs- und Betreuungsleistung fair zu vergüten (das ist die konstruktive der Fondsbranche auf Provisionen).
Ganz offenbar ist Beratung aber vielen wichtiger, als die Prognosen über immer mehr Selbstentscheider nahelegen: Summiert man alle Mittel, die so genannte Robo-Advisor bislang in Deutschland eingesammelt haben sowie die Vermögen, die Direktbanken für Selbstentscheider in ETFs investiert haben, landet man bei rund 23 Mrd. Euro. In absoluten Zahlen ist das beeindruckend, relativ aber gerade einmal zwei Prozent des Markts für Publikumsfonds. Und: ein Rundungsfehler bezogen auf das Privatvermögen in Deutschland von rund 0,1 Prozent. Dabei gelten gerade ETFs bei Verbraucherschützern, Finanzmedien und selbst Akademikern meist als „Musterlösung“ der Geldanlage, sie genießen seit Jahren einen hervorragenden Ruf.
Die Struktur des Markts erklärt aber nicht alles. Dass der Fonds kaum Mittel einsammeln kann, hat noch andere Gründe.
Erstens unterliegen sowohl Diekmann als auch Fischer der merkwürdigen Illusion, ein Ex-Chefredakteur einer Boulevardzeitung und ein Ex-Investmentbanker seien – übrigens in vielerlei Hinsicht: Biografie, Auftritt, Selbstbewusstsein – geeignet, um den börsenskeptischen deutschen Anlegern ein völlig neues Finanzprodukt nahezubringen. Das sind sie offenbar nicht, zumindest nicht aus Sicht ihrer potenziellen Kunden. Und auch nicht aus Sicht von Experten auf dem Gebiet der Geldanlage, die beiden bei ihren Auftritten rasch fehlende Sattelfestigkeit beim Kernthema Geldanlage ankreideten.
Zweitens hat der Fonds, anders als die vierstellige Milliardensumme an liquidem Vermögen in Deutschland nahelegt, eine sehr kleine Zielgruppe. Er ist zugeschnitten auf sogenannte Selbstentscheider – also Menschen, die ihre Anlageprodukte ohne Beratung selbst kaufen, entweder über die Seite des Fonds. Oder, indem sie ihrer Haus- oder Direktbank eine explizite Weisung erteilen, den Fonds zu kaufen oder zu besparen.
Diese Gruppe wächst, ja. Sie wird aber immer wieder notorisch überschätzt. Und für Anleger, die eine gewisse Erfahrung und belastbaren Kenntnisstand in der Geldanlage haben, gibt es nicht nur ETFs, sondern auch bereits funktionierende, auf günstigen ETFs basierende „All in One“-Lösungen für den langfristigen Vermögensaufbau – etwa den 2008 aufgelegten „ Arero Weltfonds “ oder den 2011 aufgelegten „ Portfolio Total Return “. Der Unterschied: Sie haben bereits über Jahre gute Erträge erwirtschaftet und verlangen halb so hohe Gebühren wie der „Zukunftsfonds“ mit seinen 1,43 Prozent pro Jahr – und operieren, gemessen an der Größe des Gesamtmarkts, dennoch mit überschaubaren Volumina.
Riskantes Renditeversprechen
Was aber ist mit all jenen, die keinerlei Kenntnisse und Erfahrungen haben? Für sie ist der Sprung von sicheren, unverzinsten Spareinlagen in ein völlig neues, ohne Beratung vertriebenes Investmentprodukt schlicht zu weit. Trotz der enormen medialen Präsenz von Produkt und Konzept hat nur eine verschwindend geringe Zahl tatsächlich die Ordermaske geöffnet und den „Zukunftsfonds" erworben – oder die Hausbank mit dem Kauf beantragt. Sie haben intuitiv das (richtige) Gefühl, dass die in Aussicht gestellte Rendite von drei bis vier Prozent pro Jahr nach Kosten nur unter Inkaufnahme von Risiken möglich ist. Denn brutto rund fünf Prozent zu erwirtschaften ist eine große Herausforderung. Der Zukunftsfonds landet so im Niemandsland des Reichs tausender Fonds: Preislich näher dran an aktiven Fonds, die allerdings mit Beratung vertrieben werden, ohne belastbaren Leistungsnachweis, sehr viel teurer als simple passive Produkte.
Drittens ist der Prozess, in Deutschland online ein Depot zu eröffnen und direkt Wertpapiere und Fonds zu erwerben, besonders für Neueinsteiger immer noch eine Quälerei: Es gibt bibeldicke Risikoaufklärungen und Allgemeine Geschäftsbedingungen, Anleger müssen sich zu ihren Erfahrungen äußern, erforderlich sind Ausweis und Steuernummer – kurz: es gibt viele Anlässe, den Vorgang einfach abzubrechen, weil einem alles zu lästig oder nicht geheuer ist. Gewohnt sind Menschen schließlich bei digitalen Prozessen die Geschwindigkeit und Nutzerfreundlichkeit großer Tech-Konzerne wie Apple oder Amazon, wo es „One-Click“-Bestellungen gibt, das Smartphone zur Bankfiliale wird und selbst kleine Kinder mit Sprachassistenten (womöglich unfreiwillig) Bestellungen aufgeben können. Für dieses schiefe regulatorische Umfeld kann gleichwohl kein Fondsinitiator etwas.
Viertens und letztens sind Investmentfonds transparente Produkte. Leistung ist sehr leicht messbar, und was genau im Fonds passiert, muss laufend dokumentiert werden. Die Kluft zwischen dem Auftritt und den Ankündigungen und dem, was auf Fondsebene im „Zukunftsfonds“ passiert, könnte größer kaum sein, denn auf Fondsebene passiert: seit einem Jahr so gut wie nichts.
Zu früh für ein endgültiges Urteil
Rund 75 Prozent der für Anleger verwalteten Mittel liegen ausweislich der täglichen Berichte in Bankguthaben und Festgeldern, also jenen Anlagen, aus denen die Zielgruppe doch raus soll. Fünf verschiedene Aktiengesellschaften sind im Depot (Equinor, ENI, Kraft Heinz, Paypal, Mercadolibre), und sechs verschiedene Anleihen. Einige Tage lang tauchten in der Vergangenheit mal Facebook und Wirecard im Bestand auf, verschwanden aber ebenso rasch wieder. Der Plan dahinter? Rätselhaft. Die Performance von minus 3,6 Prozent seit Auflage? Die logische Folge, auch, wenn Cash im Jahr 2018 nicht die schlechteste Anlage war. In Rankings wie etwa dem der Ratingagentur Morningstar reicht das für das untere Mittelfeld unter globalen Multi-Asset-Fonds . Über die Cashquote eines Investmentfonds Renditen zu generieren – in der Fachsprache „Markttiming“ zu betreiben – stünde jedenfalls diametral der Idee entgegen, Anlegergelder langfristig rentabel arbeiten zu lassen.
Natürlich ist ein Jahr ein zu kurzer Zeitraum, um ein endgültiges Urteil über den Fonds selbst zu fällen – allerdings zeigt die noch junge Geschichte des Zukunftsfonds, wie verkrustet der deutsche Fondsvertrieb immer noch ist.