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SmartMoney App Die Konten im Kopf

50-Euro-Scheine im Geldautomaten: Sparen lohnt sich in Zeiten niedriger Zinsen kaum noch
50-Euro-Scheine im Geldautomaten: Sparen lohnt sich in Zeiten niedriger Zinsen kaum noch
© dpa
Wie unser Gehirn unser Geld verwaltet – und warum wir mehrere Konten brauchen. Eine Folge aus der neuen Capital-App SmartMoney

Die besten Einfälle kommen einem oft im Ausland; so war es auch bei Richard Thaler, einem der großen Verhaltensökonomen der USA . Mitte der 90er-Jahre reiste Thaler mit seiner Frau in die Schweiz, um vor einer Gruppe von Managern einen Vortrag zu halten. Nach der Konferenz verbrachten seine Frau und er eine Woche damit, durch das Land zu reisen. Die Schweiz ist teuer, das wissen wir. „Damals aber“, so erinnert sich Richard Thaler später, „war der Schweizer Franken im Vergleich zum US-Dollar auf einem Allzeithoch, sodass die in der Schweiz üblichen hohen Preise astronomisch waren.“

Dann schildert Thaler einen Gedankenkniff: „Meine Frau und ich trösteten uns, dass ich ja ein Honorar für den Vortrag erhalten hatte, das die unverschämten Preise für Hotels und die Mahlzeiten leicht decken würde.“ Aber, sagt er: Hätte er den Vortrag in New York gehalten und wäre anschließend von dem Honorar in die Schweiz gereist, hätte er sich wohl schwarzgeärgert.

Was ist hier in Thalers Gehirn passiert? Er selbst spricht von „mentaler Buchführung“ – ein Begriff, den Thaler mit seinen Arbeiten in der Verhaltensökonomie etabliert hat. Man könnte das Ganze auch „Konten im Kopf“ nennen: Als wäre unser Geld an verschiedenen Stellen im Gehirn abgespeichert. Zu wissen, dass es diese Konten gibt und wie man sie in der wirklichen Welt verwaltet, ist für jeden Sparer wichtig. Denn sie sind ein Schlüssel zu der Fähigkeit, die jeder braucht, der Geld zurücklegen will: Selbstdisziplin.

Geld ist nicht gleich Geld

Was also meint Richard Thaler genau, wenn er von „mentaler Buchführung“ spricht? Dass unser Gehirn uns ständig Streiche spielt. Als wäre da ein kleiner Buchhalter im Kopf, verbucht es alle Einnahmen und Ausgaben, Gewinne und Verluste auf verschiedenen Konten. Findet man beispielsweise 50 Euro auf der Straße, ist das etwas anderes als 50 Euro, die Teil des Monatslohns sind. Das eine Mal hat man Glück gehabt, das andere Mal das Geld hart erarbeitet.

SmartMoney heißt die App, die Capital zusammen mit dem Greenhouse Innovation Lab von Gruner + Jahr entwickelt hat. In Dutzenden Audiolektionen lernen die Hörer von den Grundlagen bis zu überraschenden Kniffen alles, was man über Geldanlage wissen muss. Der vorliegende Text ist eine leicht bearbeitete Lektion aus dem ersten Modul „Aller Anfang ist mehr“. Die App bekommen Sie bei Google Play oder im App Store . Weitere Infos zur App SmartMoney erhalten Sie hier.

Die Theorie der mentalen Führung stößt uns auf interessante Phänomene in unserem Umgang mit Geld. Richard Thaler nennt vor allem drei Funktionen, die sie hat – und die er gern mit Geschichten illustriert.

Zum ersten nämlich beeinflusst die mentale Buchführung, wie wir Entscheidungen treffen: Da war zum Beispiel, berichtet Thaler, einmal diese Freundin von ihm, die ein Bettlaken kaufen wollte. Es gab die gewünschten Laken in drei Größen, und üblicherweise kosteten sie jeweils 200, 250 und 300 Dollar. Am Tag des Kaufs aber waren alle drei Größen für 150 Dollar im Angebot. Die Freundin nahm das größte, obwohl es an ihrem Bett etwas herunterhing. Sie war aber glücklich damit, weil sie es als Gewinn verbuchen konnte: Sie hatte Geld „gespart“ – bei einem Laken, das sie so gar nicht brauchte.

Die zweite Folge der mentalen Buchführung ist unsere schon angesprochene Eigenart, Konten im Kopf zu bilden – so wie das „Schweiz-Konto“, auf dem Thaler selbst im Kopf sein Honorar und die teuren Hotels verrechnet hatte. Und aus ihr folgt die dritte Funktion der mentalen Buchführung: Wir können gedanklich auf diese Konten unterschiedlich oft zugreifen. Manche nutzen wir täglich, etwa wenn wir einkaufen; andere nur alle paar Monate, wie das Budget für den Urlaub. Und ein Konto wie das einer Lebensversicherung ist eines, auf dem man nur einmal im Jahr herumrechnet – wenn der Bescheid ins Haus geflattert kommt.

Volle Terrassen

Die interessante Frage: Wenn der Mensch so viele Konten im Kopf hat – wie bildet man das am besten in der realen Welt ab? Wie viele echte Konten braucht der Mensch, und wohin packt man welches Geld am besten?

Es gibt dazu ein einfaches Modell, das sogenannte Terrassenmodell. Dazu muss man sich einen grünen Berg vorstellen mit lauter Reis­terrassen, wie man sie von vielen Bildern aus Südostasien kennt. Die Terrasse ganz oben auf dem Berg ist die kleinste. Die Terrasse darunter etwas größer und so weiter.

Das Prinzip ist nun folgendes: Die kleine Terrasse ganz oben, Stufe eins, ist das Girokonto. Dorthin fließen jeden Monat das Gehalt und sonstige Einnahmen. Das Geld muss man sich nun als das Wasser denken, das diese Terrasse füllt. Es schwappt hinein – und das meiste davon gibt man wieder aus. Wenn aber eine Zeit lang etwas übrig bleibt, dann läuft die Terrasse voll. Also öffnet man die Schleuse für die zweite.

Dort sammelt sich nun wieder Wasser, beziehungsweise: Geld. Für Stufe zwei eignet sich am besten ein Tagesgeldkonto. Auch wenn die Zinsen dort heute alles andere als üppig sind, ist das Tagesgeldkonto als ­Puffer nach wie vor wichtig. Egal ob man es schafft, jeden Monat 50, 100 oder 500 Euro dorthin abzuzweigen, die Faustformel gilt weiterhin: Mindestens drei Monatsgehälter braucht man als Puffer. Für unvorhergesehene Ausgaben und Notfälle, sei es eine Zahnoperation, eine Autoreparatur oder falls es einmal eine Lücke zwischen zwei Jobs zu überbrücken gilt.

Darunter folgt auf unseren Terrassen Stufe drei: das Sparkonto, das man entweder auch als Tagesgeldkonto anlegen kann oder als klassisches Spar- oder Festgeldkonto. Es ist der Grundstock für das spätere Vermögen. Dazu kommt als Stufe vier prinzipiell noch das Vorsorgekonto für die Altersvorsorge – auch wenn das nicht unbedingt ein Konto sein muss, sondern genauso gut ein Depot oder eine Lebensversicherung sein kann.

Mehr Wasser ab 40

Natürlich klingt es so, als seien monatlich Unmengen Geld nötig, um alle diese Terrassen zu füllen. Tatsächlich aber reichen anfangs schon 50 Euro im Monat, für alle, die deutlich unter 30 Jahre alt sind. So sammeln sich immerhin schon 600 Euro im Jahr an. Mit dem ersten richtigen Job sollten es dann besser schon 100 Euro im Monat sein; ab 40 sollte man noch einen Schwall Wasser mehr in die Terrassen kippen, je nachdem, was das Gehalt hergibt. Insgesamt, so sagt die Faustregel, sollte man zusehen, dass zehn Prozent des Nettogehalts nicht ausgegeben werden, sondern in die Stufen zwei bis vier fließen.

Aber wozu überhaupt der Aufwand, diese unterschiedlichen Terrassen anzulegen? Ließe sich das nicht alles auf dem Girokonto erreichen? Die Idee der mentalen Buchführung zeigt leider: nein.

Dazu noch ein weiteres Beispiel, das ein Kollege von Richard Thaler beschrieben hat: Daniel Kahneman, Psychologe und einer der entscheidenden Vordenker der Verhaltensökonomie. Kahneman hatte in den 80er-Jahren zwei Gruppen von Leuten folgende Fragen gestellt: Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Ticket für ein Theaterstück gekauft und 10 Dollar bezahlt. Beim Betreten des Theaters stellen Sie fest, dass Sie das Ticket verloren haben. Es gibt keine Sitznummer, der Platz ist weg. Würden Sie 10 Dollar für ein weiteres Ticket bezahlen?

Nur knapp 46 Prozent sagten Ja, mit Nein antworteten 54 Prozent.

Eine zweite Gruppe fragte er: Stellen Sie sich vor, Sie gehen ins Theater, der Eintritt kostet 10 Dollar. Beim Betreten des Theaters stellen Sie fest, dass ein 10-Dollar-Schein aus Ihrer Hosentasche verloren gegangen ist. Würden Sie dennoch ein Ticket für das Stück bezahlen?

Auf diese Frage antworteten ganze 88 Prozent mit Ja.

Denn unser Gehirn verbucht den Verlust unterschiedlich: Einmal haben wir das Gefühl, dass wir das Ticket zweimal kaufen müssen; einmal haben wir Geld verloren, was zwar ärgerlich ist, aber vorkommt.

Das Gleiche gilt fürs Sparen. Angenommen, jemand würde uns sagen: Lege jeden Monat 300 Euro zur Seite, einfach so. Das fiele uns schwer. Sagt aber jemand: Spare 100 Euro für den Urlaub. Und ein Zweiter: Gib mir 100 Euro für deine Altersvorsorge. Und ein Dritter: Lege einfach sicherheitshalber 100 Euro jeden Monat weg – dann fällt das Sparen schon viel leichter.

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