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Kommentar Dax40 – größer, aber nicht grüner

Börse Frankfurt: Der Leitindex Dax wird vergrößert
Börse Frankfurt: Der Leitindex Dax wird vergrößert
© sepp spiegl / IMAGO
Der Dax wird wie erwartet größer. Außerdem zieht die Deutsche Börse bei den Zulassungsregeln die überfälligen Lehren aus dem Wirecard-Desaster. Doch den ganzen großen Wurf für einen nachhaltigen Leitindex hat der Indexanbieter verpasst

Der Dax ist zweifelsohne der wichtigste Index für deutsche Aktien. Er wird gern als Leitindex bezeichnet, wobei vollkommen offen ist, wohin er eigentlich leiten soll. Denn bei aller medialen Fixierung auf den Dax bleibt der deutsche Aktienmarkt eine Randerscheinung der globalen Kapitalmärkte. Im Industrieländer-Index MSCI World entfallen gerade einmal 2,8 Prozent des Volumens auf deutsche Werte, das ist weniger als auf solche aus Kanada oder der Schweiz.

Von Leitindex kann also keine Rede sein. Dabei hatte die Deutsche Börse durchaus die Chance, ihren wichtigsten Index, der übrigens ursprünglich von der Börsen-Zeitung entwickelt wurde, zu einem globalen Leitindex zu entwickeln – und zwar für Nachhaltigkeit. Der Dax hätte ein ESG-konformer Index werden können, so wurde es von der Börse zur Diskussion gestellt für die nun beendete Reformdebatte. Dagegen gab es offenbar Widerstand, etwa vom Deutschen Aktieninstitut.

Dax40 ohne ESG-Kriterien

Der neue Dax, der ab September 2021 dann 40 Aktien enthält, wird also nicht nach ESG-Kriterien bestimmt. Die Börse verpasst damit die Chance, den ersten nachhaltigen Landesindex in einem großen Industrieland zu schaffen. Das hätte Vorbildfunktion und würde der Börse nach der gerade bekannt gegebenen Übernahme des ESG-Daten-Spezialisten ISS gut anstehen. Ein „grüner“ Dax hätte tatsächlich zum Leitindex werden können.

Ein bisschen Bedauern darüber klingt auch aus der Stellungnahme der Börse heraus : „Wir haben ein sehr heterogenes Meinungsbild zu den Themen Nachhaltigkeit und ESG außerhalb der Vorschläge, die wir zur Governance gemacht haben, bekommen. Es wird von vielen Seiten die grundsätzliche Frage aufgeworfen, ob diese Kriterien bei der Auswahl der Dax-Mitglieder eine Rolle spielen sollten“, wird Stephan Flägel, globaler Indexchef der Index-Tochter Qontigo zitiert. Und weiter: „Deshalb werden wir den Austausch mit den Marktteilnehmern fortführen. Nachhaltiges Investieren ist und bleibt einer der wichtigsten Trends an den Finanzmärkten und wird das Investitionsverhalten in den kommenden Jahren grundlegend verändern.“

Am Ende könnte die Börse aber zu spät kommen, denn neben dem Dax wird sich der seit gut einem Jahr angebotene ESG-Dax (mit 50 Mitgliedern) kaum an den Kapitalmärkten etablieren können. Da zudem viele Investoren gern die Breite der deutschen Wirtschaft investieren wollen, und nicht nur in die immer wieder problembelasteten Standartwerte, wäre ein breiterer Index ohnehin angesagt gewesen. Der britische FTSE100-Index wäre ein gutes Vorbild. Denn auch in Zukunft wird es zwischen Dax, MDax (künftig 50 statt 60 Mitglieder) und SDax ständig zu Auf- und Abstiegen kommen, was Unruhe bringt. Für Investoren in Deutschland bleibt der breite MSCI Germany-Index daher eine Alternative, auch in einer ESG-Variante.

Was ist ein Kursziel von 14.000 Punkten noch wert?

Die wahren Herausforderungen für Investoren liegen allerdings nicht bei der Zusammensetzung des Index. Die Umstellung wirft eine ganze Reihe von Fragen auf. Zunächst ist es wichtig zu wissen, auf welcher Basis der Dax40 überhaupt berechnet werden soll. Wird er zurückgerechnet oder beginnt er bei 1000 Punkten, wie der Dax30 rein rechnerisch am 31. Dezember 1987? Was sind also Kursziele von 14.000 Punkten wert, die in diesen Tagen von vielen Banken für Ende 2021 ausgegeben werden?

Die Antworten betreffen eine große Zahl von auf den Dax aufgelegten Produkten. Während ETFs wohl einfach ergänzt werden könnten um zehn Aktien, wird es bei derivativen Produkten wie Zertifikaten deutlich schwieriger. Mathematiker und Marketingleute der Emissionsbanken dürften Arbeit vor sich haben.

Für professionelle Investoren wird es um die Frage gehen, wie der Terminkontrakt Dax-Future ab dem kommenden September berechnet wird, ob es Sprünge im Kurs oder andere Verzerrungen geben wird. Der Dax-Future ist bei internationalen Investoren beliebt, weil der Dax typischerweise auf Konjunkturschwankungen deutlich reagiert. Das liegt am starken Gewicht so genannter zyklischer Unternehmen, deren Kurs stärker als der von defensiven Branchen mit der Konjunkturentwicklung schwankt. Internationale Investoren, die deutsche Aktien oft als peripher betrachten, wetten über den Dax-Future deshalb gern auf Konjunkturerholung.

Der Dax hat weiteren Reformbedarf

Betrachtet man auf Basis aktueller Daten die Aufsteiger, so sollte sich am zyklischen Charakter des Dax wenig ändern. Anhand der am 6. November von der Börse veröffentlichten Index-Rangliste würden folgende zehn Unternehmen neu in den Dax kommen: Airbus, Symrise, Zalando, Sartorius, Qiagen, LEG Immobilien, Brenntag, Siemens Healthineers, Hannover Rück und Hellofresh.

Hellofresh, ein Lieferant von Kochzutaten, erfüllt übrigens die Voraussetzungen, zwei Quartale in Folge ein positives operatives Ergebnis (Ebitda) abzuliefern. Zwar berichten die Berliner ebenso wie Delivery Hero ein bereinigtes Ebitda mit begrenzter Aussagekraft, doch selbst auf Ebit-Basis sind die Berliner klar im schwarzen Bereich. Bei Delivery Hero, die im September Wirecard ersetzt haben, werden hingegen tief rote Zahlen geschrieben – mit wenig Aussicht auf baldige Änderung. Nach dem neuen Regelwerk wäre Delivery Hero also nicht in den Dax aufgenommen worden, genießt aber nun wohl Bestandsschutz.

Es gibt also weiteren Reformbedarf, damit der Dax sich eine gewisse Relevanz sichern kann. Dazu gehört übrigens auch, dass der Dax als einziger wichtiger Landesindex als Performance-Index berechnet wird, also unter Einberechnung von Dividenden. Das verhindert die internationale Vergleichbarkeit und widerspricht der Idee eines Leitindex.

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