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Bankenkrise Wie gefährlich ist die Krise bei Credit Suisse für das Finanzsystem?

Die Zentrale der Schweizer Credit Suisse Bank in Zürich
Die Zentrale der Schweizer Credit Suisse Bank in Zürich
© picture alliance/KEYSTONE | MICHAEL BUHOLZER
Die Schweizer Bank Credit Suisse taumelt seit Monaten. Nach rapiden Kursverlusten lieh sie sich über Nacht 50 Mrd. Franken bei der Nationalbank. Woher die Krise kommt, was das für deutsche Banken heißt und ob eine zweite Finanzkrise droht

Warum ist die Credit Suisse in Schwierigkeiten?

Der Kurssturz der Credit Suisse-Aktie von Mittwoch um zeitweise bis zu 30 Prozent hat mehrere Gründe: Zum einen steht der gesamte Bankensektor seit der vergangenen Woche unter Druck. Von der Pleite der Silicon Valley Bank (SVB) in den USA, immerhin die Nummer 16 unter den größten Instituten des Landes, gingen Schockwellen in die gesamte Branche aus. Kunden fürchteten weltweit um ihre Einlagen, was die theoretische Gefahr eines Bankruns erhöht.

„Die Krise hat eine eigene Dynamik entwickelt“, konstatiert Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Universität Hohenheim. Um wieder Ruhe in die aufgeheizte Stimmung zu bringen, hat sich die Credit Suisse (CS) über Nacht von der Schweizer Nationalbank 50 Mrd. Franken geliehen. So wollen die CS und die Schweizer Notenbanker zeigen, dass die Liquidität gesichert ist und keine Gefahr besteht.

Warum trifft es ausgerechnet diese Bank? 

Die CS steht seit vielen Monaten im Fokus, weil sie in zahlreiche Skandale verwickelt war – unter anderem in die Pleiten des Hedgefonds Archegos und des Vermögensverwalters Greensill. Im vergangenen Jahr schrieb die CS einen Rekordverlust von 7,3 Mrd. Franken. Und auch für das laufende Jahr rechnet das Management mit einem Verlust. Das Vertrauen von Investoren ist also schon länger angekratzt. „Die Credit Suisse halten viele für die international schwächste systemrelevante Großbank“, so Burghof.

Dazu kommen nun die Bankenkrise in den USA und eine Äußerung des Großaktionärs Saudi National Bank (SNB). In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters hatte Präsident Ammar Al Khudairy angekündigt, kein zusätzliches Geld nachzuschießen, um die CS zu retten. Das habe zwar regulatorische Gründe, weil die SNB schon jetzt 9,9 Prozent an der CS halte und ab 10 Prozent umfangreichere Berichtspflichten entstünden, aber der Markt wertete dies zunächst als Vertrauensverlust gegenüber der CS.

Viele Investoren sahen darin einen Hinweis, dass die Liquiditätsprobleme der Bank doch größer seien, als kommuniziert. Zwar ist die Eigenkapitalquote der CS mit 14,1 Prozent eigentlich sehr solide – und die CS muss als sogenannte „systemrelevante Bank“ auch noch höhere Anforderungen erfüllen als kleinere Banken. Aber das alles hilft nichts bei einer tiefen Vertrauenskrise der Anleger. Also stürzte der Aktienkurs nach unten. 

Warum steht der Bankensektor gerade so unter Druck?

Den Ausschlag für die Unruhe gab die Pleite der SVB, die am vergangenen Freitag unter staatliche Kontrolle gestellt wurde. Die Branche ist seitdem in Aufruhr: Kunden zogen ihre Einlagen bei kleineren Banken ab und parkten sie lieber bei als sicher geltenden Großbanken wie JP Morgan oder Bank of America. US-Präsident Joe Biden und die Börsenaufsicht SEC schritten zwar kommunikativ ein und sicherten die Einlagen bei der SVB. Allerdings ging der globale Kursverfall weiter – auch, weil nur Einlagen und keine Aktienwerte gesichert wurden.

Probleme bereitet vielen Banken auch die aktuelle Zinspolitik. „Die Zentralbanken treiben die Verletzbarkeit der Branche durch ihre rapiden Zinserhöhungen“, so Banken-Experte Burghof. Auch Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken musste die Werte ihrer festverzinslichen Wertpapiere kürzlich korrigieren, weil diese durch die gestiegenen Zinsen enorm an Wert verloren haben. Insgesamt mussten sie rund 14 Mrd. Euro abschreiben.

Hat die US-Bankenkrise Einfluss auf die Turbulenzen bei der Credit Suisse?

Verbindungen zwischen den Problemen bei der Credit Suisse und US-Banken gibt es allenfalls indirekt. Die Ereignisse in den USA zeigen aber sehr wohl die Verwundbarkeit des Finanzystems, sagt Banken-Professor Burghof. Die drei geschlossenen Banken waren mittelgroß und wichtig für die USA, international jedoch bei Weitem nicht so wichtig wie die CS. Diese gehört zu denjenigen 40 Banken, die offiziell als systemrelevant eingestuft werden. Das liegt weniger an ihrer absoluten Größe als an ihren Verbindungen zu anderen Marktteilnehmern.

Unter den 40 systemrelevanten Banken befindet sich andersrum bislang keine großen US-Unternehmen wie JP Morgan oder die Bank of America, sondern nur insolvente Regionalbanken wie die SVB, Signature Bank oder Silvergate. Insofern sind die Verbindungen vor allem psychologischer Natur. Die Schieflage der SVB stört das Gleichgewicht zwischen Vertrauen und Misstrauen an den Kapitalmärkten nachhaltig. In dieser Situation reagieren Investorinnen und Investoren mitunter extrem. „Sobald die Liquidität einmal infrage gestellt ist, versuchen Investoren, ihr Geld abzuziehen. Bei der Credit Suisse sind diese Zweifel gesät worden“, sagt Burghof. „Das macht die Situation problematisch.“

Warum ist der Fall der Silicon Valley Bank anders?

Die Pleite der SVB hat mit den Schwierigkeiten bei der Credit Suisse direkt nichts zu tun. Das Geschäftsmodell der auf Techunternehmen spezialisierten SVB unterscheidet sich stark von dem der Credit Suisse, die als europäische Großbank vor allem sehr vermögende internationale Kunden betreut. „Die Credit Suisse spielt in einer anderen Liga als die Silicon Valley Bank. Ich sehe keine Ansteckungseffekte aus den USA auf die Credit Suisse“, sagt Burghof.

Indirekt leidet die Credit Suisse aber durchaus unter den Folgen der US-Bankenkrise: Die Märkte sind hochnervös und haben auf die Nachrichten über Schwierigkeiten bei der Credit Suisse deshalb über die Maßen sensibel reagiert.

Die US-Aufsichtsbehörden mussten die SVB vergangenen Freitag wegen Liquiditätsengpässen schließen. Die Bank hat sich vor allem bei der sogenannten „Fristentransformation“ verkalkuliert. Wegen der Niedrigzinsen hat die SVB Geld in risikoarme langfristige Staatsanleihen gesteckt – etwa in zehnjährige US-Bundesanleihen, die im Juli 2020 immerhin noch 0,53 Prozent einbrachten. Als dann allerdings die rapide Zinswende im vergangenen Jahr einsetzte, wurde das vor allem für Wachstumsunternehmen zum Problem – die größte Kundengruppe der Silicon Valley Bank. Sie zogen so massenhaft Geld von ihren Konten ab, dass die SVB festverzinsliche Wertpapiere verkaufen musste, um an frisches Geld zu kommen. Wegen der gestiegenen Zinsen verkaufte sie die Wertpapiere jedoch mit großen Verlusten. Der Versuch, neues Geld von Investoren einzuwerben, scheiterte.

Welche Ansteckungsgefahr geht für deutsche und andere europäische Banken aus?

Das kommt darauf an, wie viel Vertrauen den Banken und Regulatoren geschenkt wird. Klar ist: Keine Bank der Welt überlebt ohne Weiteres einen Bankrun. Das ist allerdings auch der Worst Case – und dazwischen gibt es viele verschiedene Abstufungen.

Regulatoren haben außerdem Instrumente in der Hand, um Sicherheit zu vermitteln. Etwa, in dem sie Einlagen wie in den USA absichern, auch wenn sie über der gesicherten Summe von 100.000 Euro in der EU liegen. Alle Werte darunter unterliegen ohnehin der gesetzlichen Einlagensicherung. Eine systemische Ansteckungsgefahr erscheint aktuell wenig plausibel. Banken-Experte Burghof sieht „keinen Domino-Effekt“, der dem europäischen Bankensektor drohe. Dafür müssten größeren Player in den USA fallen, die stärker mit europäischen Banken verbunden sind. Die deutschen Banken jedenfalls standen zuletzt robust da und machten solide Geschäfte.

Droht eine zweite Finanzkrise?

Abschließend bewerten lässt sich das zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Die Ausgangslage jetzt unterscheidet sich jedoch stark von der im Jahr 2008. Im Vorfeld der weltweiten Finanzkrise hatte die Lehman Brothers Bank faule Immobilienkredite vergeben, die wertlos waren. Diese hatte Lehman in großem Maße an andere Banken verkauft, bis jede irgendwann solche Schrottkredite besaß – und das System in sich zusammenbrach.

Der Fall der Credit Suisse und auch jener der Silicon Valley Bank ist ein anderer, weshalb Burghof sagt: „So weit wie bei der Finanzkrise 2008 sind wir definitiv noch nicht.“ Ein Ausfall der Credit Suisse wäre zwar ein „erhebliches Problem“ für Europa und hätte spürbare Nebenwirkungen. Der Ausfall wäre nach seiner Einschätzung allerdings „noch handelbar“. Die Banken im europäischen Finanzsektor stehen ganz überwiegend solide da. Würde ein Bankenrutsch drohen, würde außerdem die EZB eingreifen und wohl alles tun, um den Finanzmarkt zu stabilisieren.

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