Zugegeben, das Thema ist was für Finanz-Nerds. Aber genau unter jenen ist eine heiße Diskussion auf der Plattform X, ehemals Twitter, entbrannt. Es geht um aktive ETF auf verbriefte und gebündelte Unternehmenskredite, zu englisch „Collateralized Loan Obligation“, kurz CLOs. Ein Geschwisterprodukt davon, nämlich verbriefte und gebündelte Immobilienkredite (CDO), hat 2008 in den USA die Finanzkrise ausgelöst. Kein Wunder also, dass es die Gemüter erhitzt, wenn derzeit immer mehr ETF auf CLOs auf den Markt kommen.
„Collaterized Loan Obligations, bis zur Unkenntlichkeit verpackte forderungsbesicherte Kredite – vor 2007 gern mit AAA-Rating vertickt, in der#Finanzkrise dann krachend implodiert“, warnt etwa der bekannte Aktieninvestor Christian W. Röhl. Kollegen feiern das Produkt jedoch als stabil und schwören auf den Diversifizierungseffekt: „Ehrlich gesagt, wenn Sie mir eine andere fremdfinanzierte Struktur nennen können, die robuster ist als CLOs, bin ich ganz Ohr“, schreibt etwa der Rohstoff-Händler Michael Kao.
Beide Seiten haben ein bisschen recht. Klassische, aktiv gemanagte CLO-Fonds gibt es schon lange und sie sind bei institutionellen Investoren wie Vermögensverwaltern und Pensionskassen beliebt. Für Privatanleger gab es bislang keine Möglichkeit, in CLO zu investieren. Die ETF ändern das, zumindest für US-amerikanische Anleger. Sie können dadurch beliebig viel Geld anlegen und wieder abziehen. Und hier sitzt das Problem.
Viele seriöse und solide Gläubiger
Zum Verständnis: Es stimmt, dass verbriefte Unternehmenskredite so gut wie nie ausfallen. Auch nicht während der Finanzkrise. Seither ist der Markt kontinuierlich gewachsen. Zu den Gläubigern von CLO-Investoren zählen viele mittelständische Firmen wie Uhrenhersteller Breitling, der etwa seine Formel-1-Marketingkampagne damit finanziert. Aber auch die Parfümerie Douglas, der Pharmakonzern Stada, der Lebensmittelhersteller Rama oder der Gasversorger Ista sind in der CLO-Szene bekannte Namen.
Passiert es doch, dass ein Darlehen ausfällt, ist das Risiko für die meisten Investoren gering. Nicht nur, weil ihre finanziellen Interessen im Insolvenzverfahren zuerst berücksichtigt werden und das Darlehen unter Umständen noch zurückgezahlt wird. Auch die Struktur schützt.
Ein CLO bündelt meist hundert Unternehmenskredite, ein einzelner macht dabei nicht mehr als zehn Prozent aus. Ratingagenturen nehmen zudem die Verbriefungen unter die Lupe und bewerten sie – aufgrund der Erfahrungen in der Finanzkrise sind sie da mittlerweile auch sehr streng. Die ETF investieren meist in Titel, die gut bewertet wurden, verzichten dafür aber auch auf Rendite. Risikohungrige Investoren gehen in die sogenannte „Equity Tranche“ und kassieren zweistellige Prozentbeträge. Fällt jedoch ein Darlehen aus, dann trifft es sie zuerst. Diejenigen in den AAA-Ratings spüren den Ausfall bestenfalls nicht.
Trotzdem sind die Kurse der CLO schwankungsanfällig. In einer Krise ziehen Anleger Geld aus der Anlageklasse, weil sie befürchten, dass es trotz der Struktur zu Ausfällen kommt. In den herkömmlichen Fonds ist das nicht ganz so einfach. Aber bei ETFs genügen ein paar Klicks mit der Maustaste. Und das kann die Herausgeber der ETF in Schwierigkeiten bringen.
Rendite dürfte weiter steigen
Fondshäuser wie Janus Henderson, Blackrock, Invesco oder VanEck haben in den vergangenen drei Jahren neun solcher Produkte auf den Markt gebracht. Innerhalb kürzester Zeit konnten die ETF insgesamt knapp 6 Mrd. US-Dollar einsammeln. Den überwiegenden Teil verwaltet der Janus Henderson AAA CLO ETF, im Fonds liegen derzeit knapp fünf Mrd. Dollar. Die Anlageklasse lief besser als vergleichbare Unternehmensanleihen. Seit Bestehen hat der Fonds jährlich um mehr als sieben Prozent an Wert gewonnen, im laufenden Jahr allein 13 Prozent.
Die Rendite dürfte im aktuellen Umfeld weiter sprudeln: Die Investorenkredite sind variabel verzinst. Steigen die Interbankenzinsen Euribor und Libor, zu denen sich Banken Geld untereinander leihen, wie zuletzt stark, steigt auch der Darlehenszins. Hinzu kommt noch ein Bonitätsaufschlag. Je schlechter die Bonität, desto höher der Aufschlag. In einem Rezessionsumfeld steigen also die Aufschläge, weil die Unternehmensbonitäten sinken.
Aber weil Investoren das Risiko scheuen, könnten sie im wirtschaftlichen Abschwung auch Geld abziehen. Vor allem, wenn die Zinsen wieder sinken. Die Fondshäuser müssen die CLO aus dem ETF verkaufen, dann zu Dumpingpreisen. Sie selbst trifft das nicht. Ex-US-Präsident Donald Trump hat den Markt dereguliert und das möglich gemacht. Aber Anleger verzeichnen dann Kursverluste. In einer Krise können die sich schnell vervielfachen. Viele Fondsmanager konventioneller Produkte sehen das kritisch, denn auch ihre Kunden würden dann in Mitleidenschaft gezogen: „Hier zeigt sich ein neuer, gefährlicher Risikoappetit in den USA“, sagt einer.
Noch ist die Anlageklasse längst nicht so groß, dass das gesamte Finanzsystem durch einen Zusammenbruch auf dem CLO-Markt ins Wanken kommen könnte. Doch die Aufsichtsbehörden haben den Bereich im Blick: So warnte die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) jüngst vor Risiken bei den Ratings: Die Analysten der Ratingagenturen stünden in einem zu engen Kontakt zu den kommerziellen Anbietern. Eine Warnung, die neues Feuer in die Twitter-Debatte bringen dürfte.