Über viele Jahre war Carl Icahn selbst ein Jäger, einer, der hinter Unternehmen her war. Als aktivistischer Investor machte Icahn ein Vermögen, indem er sich in Firmen einkaufte, Druck ausübte, um sie auf Effizienz zu trimmen, um schließlich seine Anteile wieder gewinnbringend verkaufen zu können. Seit dieser Woche muss Icahn aber erleben, wie es auf der anderen Seite aussieht: wenn man selbst gejagt wird.
Am Dienstag wurde bekannt, dass der bekannte Shortseller Hindenburg Research Icahns Mischkonzern, die Icahn Enterprises (IEP), angreift. Hindenburg veröffentlichte einen Report, in dem Icahn Enterprises unterstellt wird, eine Art Schneeballsystem etabliert zu haben. In einer ersten Reaktion fiel die Aktie der Firma daraufhin um 24,4 Prozent.
Für Hindenburg Research ist es nicht die erste große Attacke in diesem Jahr: Ende Januar veröffentlichte der Shortseller einen Bericht gegen die Adani Gruppe, das Konglomerat des damals drittreichsten Menschen der Welt, Gautam Adani. Im Kern ging es dabei ebenfalls um Betrugsvorwürfe, allerdings um Bilanzfälschungen mithilfe von Briefkastenfirmen.
„Ponzi-ähnliches System“ bei Icahn Enterprises
Bei den Vorwürfen gegen Icahn steht eher die Bewertung einzelner Geschäftseinheiten im Zentrum. Laut Hindenburg seien diese um mehr als 75 Prozent zu hoch. Icahn arbeite mit Strukturen, die einem „Ponzi-System“ ähnelten, heiß es im Bericht. Dieser Begriff wird für eine Betrugsmasche verwendet, die Anleger mit hohen Renditeversprechungen lockt, die aber nicht eingehalten werden: „Icahn hat das Geld von neuen Investoren genutzt, um Dividenden an alte Investoren auszuzahlen“, schreibt Hindenburg in seinem Report. Das führe, in der Konsequenz, dazu, dass der letzte Investor die „Probleme ausbaden muss“.
Hindenburg stützt seinen Angriff vor allem auf drei Gründe:
IEP wird mit einem Aufschlag von 218 Prozent gegenüber seinem letzten gemeldeten Nettoinventarwert gehandelt – also der Summe aller Vermögensgegenstände (Assets) abzüglich Verbindlichkeiten. Dieser Wert sei deutlich höher als bei der Konkurrenz, die mit Aufschlägen von 14 bis 35 Prozent gehandelt würden
Die weniger liquiden und privaten Assets seien ebenfalls überbewertet, in Summe um etwa 31 Prozent oder 2,8 Mrd. US-Dollar
Nicht zuletzt habe das Unternehmen zuletzt weitere Performance-Verluste erlitten
Für Icahn, den 87 Jahre alten Multimilliardär aus New York, dürfte der Report höchst unangenehm sein. Normalerweise ist er derjenige, der die Firmen vor sich hertreibt – und jemand, zu dem man an der Wall Street aufsieht. Icahn studierte Philosophie in Princeton, ging daraufhin zur Armee und begann 1961 seine Karriere an der Wall Street. Erst arbeitete er im Arbitragehandel, ab den späten 1970er-Jahren investierte er über Icahn Enterprises auch selbst in Unternehmen.
Aktive Rollen bei Ebay, Yahoo, Dell & Co.
Icahn gelang es dabei immer wieder, durch seine Investments auch Plätze im Vorstand zu ergattern. Er gilt daher auch als „Unternehmensjäger“, weil er seine Investments aktiv mitgestalten will – oder in anderen Worten: auf Effizienz trimmen, und später gewinnbringend verkaufen will. Das gelang ihm zum Beispiel bei Ebay, wo er trotz eines Minderheitsanteils von nur 2,5 Prozent die Konzernleitung dazu brachte, den Bezahldienst Paypal auszugliedern. Zu seinen weiteren bekannten Investments gehörten zum Beispiel Apple, Yahoo, Time Warner oder Dell.
Zu Icahns Karriere gehören aber auch spektakuläre Niederlagen wie bei der Airline TWA Ende der 1980er-Jahre. 1985 stieg Icahn ein, nahm die Airline 1988 von der Börse, womit die Schulden um 539 Mio. Dollar stiegen, und verkaufte 1991 die wichtigsten Strecken an den Konkurrenten American Airlines. Ein Jahr später musste TWA allerdings trotzdem Insolvenz anmelden. Icahn stieg 1993 aus dem Unternehmen aus – ohne Gewinn. Das Beispiel TWA zeigt aber, wie aggressiv Icahn seine Pläne durchboxt.
Nun ist der aktivistische Investor an einen Gegner geraten, der ähnlich aggressiv vorgeht. Neben Adani fiel Hindenburg Research vor allem durch den Sturz von Trevor Milton auf – dem Gründers des US-Truckherstellers Nikola. Dieser wurde im vergangenen Jahr wegen Betrugs schuldig gesprochen, nachdem Hindenburg die Vorwürfe 2020 erstmals äußerte. Neben Adani und Icahn setzte Hindenburg zuletzt auch beim Zahlungsdienst „Block“ auf fallende Kurse. Dort seien die Kundenzahlen künstlich aufgebläht worden.
Icahn selbst äußerte sich bislang nicht zu den Vorwürfen. Bislang ging der Investor aber noch keinem Konflikt aus dem Weg. Letztlich ist das sogar sein Geschäftsmodell. Er stritt sich mit Hedgefondsmanager Bill Ackmann, attackierte den Vermögensverwalter Blackrock und Tesla-Chef Elon Musk. So leicht, so scheint es, wirft einen Carl Icahn nichts um.