Nicht nur Börsenneulinge reiben sich derzeit verwundert die Augen. Während die Zahl der großen Pleiten in Deutschland den Rekord des Coronajahres 2020 noch übertreffen könnte, klettert der Dax völlig losgelöst in Richtung Allzeithoch. Nur noch gut drei Prozent trennen das Börsenbarometer von der Spitze, ähnlich sieht es in den USA aus. Selbst prozentual zweistellige Kurseinbrüche bei Aktien aus der ersten Liga wie zuletzt bei Bayer und Siemens Energy haben auf Indexebene keine Auswirkungen und entfachen kaum Unsicherheit. Passend zur Vorweihnachtszeit ist die Stimmung auf dem Börsenparkett festlich, aber gerade die Sorglosigkeit mahnt zur Vorsicht.
Der Wechsel zwischen Panik und Euphorie geht an der Börse gegenwärtig schneller als das Befinden der Fans von Borussia Dortmund nach Siegen und Niederlagen. „Der viel beachtete Fear & Greed-Index ist fast wieder im Bereich der extremen Gier angelangt. Damit befindet sich dieser klassische Stimmungsindikator auf einem ähnlichen Niveau wie im Februar und Juli dieses Jahres“, sagt Jürgen Molnar vom Broker Robomarkets. Stefan Riße, Chefstratege bei der Fondsgesellschaft Acatis, gibt zu bedenken, dass noch im Oktober „das gleiche Barometer auf Paniklevel lag“.
Umfragen und Stimmungsbilder sind also das eine, aber wie sind die Asset Manager und Hedgefonds tatsächlich aufgestellt? Auskunft darüber gibt der NAAIM-Index, der das durchschnittliche Aktienengagement abbildet. „Seit Ende Oktober ist die Quote stark gestiegen, rund 78 Prozent des verwalteten Vermögens sind in US-Aktien investiert. Vor rund vier Wochen waren es noch weniger als 30 Prozent“, sagt Molnar. Größere Liquiditätsreserven wurden somit abgebaut und am Aktienmarkt platziert.
Weihnachten an der Börse schon früher?
All das lässt den Schluss zu, dass die Jahresendrally nicht – wie derzeit oft geschrieben wird – erst allmählich an Dynamik gewinnt, sondern weitgehend abgeschlossen sein dürfte. In der Vergangenheit war eine Kombination aus Gier im Stimmungsbarometer und hohem Engagement am Aktienmarkt immer dann zu beobachten, wenn die Kurse vor einer Atempause standen. Ohnehin scheint das Fundament des auf dem Papier starken Aktienjahres 2023 eher brüchig. Zwar weist der S&P 500 seit Jahresbeginn ein beeindruckendes Plus von 19 Prozent auf. Berechnet man den Index aber so, dass jede Aktie gleich gewichtet wird, haben Anleger kaum Geld verdient.
Ohne die sieben größten Techgiganten wäre die Rendite weit unterdurchschnittlich. Noch nie seit 1960 hatten die sieben Schwergewichte einen so großen Einfluss auf den Index. „Primus Apple bringt derzeit rund 2700 Mrd. Euro auf die Börsenwaage. Die 40 Dax-Werte mit weltbekannten Namen wie SAP, Mercedes-Benz und Allianz kommen nur auf 1400 Mrd. Euro, MDax und TecDax auf magere 230 bzw. 450 Mrd. Euro“, so die Auswertung von Salah Eddine-Bouhmidi vom Broker IG. Allein Apple ergibt also fast zweimal den Dax – kurz gesprochen.
Zukunft ist schon heute
Auslöser für die jüngste Entwicklung ist die Hoffnung auf eine Wende in der Geldpolitik im kommenden Jahr. Mehrere Zinssenkungen ab dem Frühsommer sind bereits eingepreist. Ob sich dieser Wunsch erfüllt, steht auf einem anderen Blatt. Einer Branche auf jeden Fall würde es guttun, wenn die Kurse entweder deutlich steigen oder zur Not auch mal kräftig nachgeben. Die Rede ist von den Onlinebrokern. Sie stehen beispielhaft für Aktien aus der dritten Reihe, die 2023 kaum beachtet wurden. Dies lag auch daran, dass 2023 nur sehr selten in eine Phase eintraten, in der die Volatilität nach oben schoss. Und Volatilität ist genau das, was Brokeraktien brauchen.
Trotzdem reflektieren die Broker auch die andere Seite der Medaille – sehr hohe Zinsen. Anbieter wie Trade Republic oder Flatexdegiro müssen genau die Zinsmärkte im Auge behalten. Speziell Trade Republic hat 2023 gezeigt, dass er in Sachen Kosten-Nutzen und Ertrag einen sehr heißen Reifen fährt. Da helfen auch vier Prozent auf die geparkten Kundengelder als Lockmittel wenig. Bei Flatex dagegen entfallen inzwischen rund ein Drittel der Erlöse auf Zinseinnahmen, während es 2022 nur gut 17 Prozent waren. Kleine Kuriosität am Rande – auch bei großen Aktien wie Airbnb ist das Zinsgeschäft aktuell fast wichtiger als das operativ vorherrschende Business, in dem Fall das Vermieten von Wohnungen.
Zinsen als Anker
Schaut man noch einmal auf die Broker, so fällt auch die Aktie des Smartbroker auf. Sie bewegt sich 2023 um die runde Kursschwelle von 10 Euro. Damit enden aber auch schon die Gemeinsamkeiten zu Flatex und selbstredend auch zur Milliardenbewertung von Trade Republic, denn der Börsenwert liegt bei überschaubaren 160 Mio. Euro, während Flatexdegiro rund 1,2 Mrd. Euro auf die Waage bringt. Der Abstand dürfte noch eine Weile bestehen bleiben, könnte aber bald nicht mehr ganz so groß ausfallen. Mit der neuen Marke Smartbroker+ schaltet der mehrfach ausgezeichnete Neobroker in den Angriffsmodus und hat nun endlich auch eine moderne App im Schaufenster. Insbesondere bei den Sparplänen hat Smartbroker+ nachgelegt und einen Teilaktienkauf eingeführt, mit dem nun auch optisch teurere Wertpapiere mit kleinen Raten bespart werden können. Im Derivatebereich schmückt sich der Anbieter mit allen gängigen Premiumpartnern wie Morgan Stanley oder UBS. Folgen nun noch die Kryptowährungen als Angebot, so könnte bei einem volatilen Aktienjahr 2024 diese Aktie eine gute im Bereich der Nebenwerte sein.
Wie schnell der Umschwung geht, zeigte zuletzt Borussia Dortmund. Die Qualifikation für die K.o-Runde der Champions-League in der absoluten Todesgruppe mit AC Milan, Newcastle und Paris trieb die Aktie ein gutes Stück nach oben.