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Daniel Saurenz Begehrte Rohstoffe: Wenn der Katalysator gestohlen wird

Platin- und Palladiumbarren
Platin- und Palladiumbarren
© Getty Images
In München läuft die Automesse IAA und vordergründig dreht sich alles um E-Mobilität. Doch die Zulassungszahlen in Deutschland sprechen noch immer die Sprache der Verbrenner. Dies hat Folgen für die passenden Rohstoffe

Stellen Sie sich vor, Sie kommen morgens zu ihrem Auto und es fehlt die Hälfte. In Berlin ist es keine Seltenheit, dass organisierte Banden über Nacht Sitze, Airbags, Lenkräder oder gleich die gesamte Bordelektronik wie auf Bestellung ausbauen. Leicht zugängliche Dinge wie äußere Designelemente sind ohnehin schnell gestohlen. Mitunter fehlt morgens aber auch mal der Katalysator. Fast täglich gibt es dazu Meldungen. Als Grund für den Anstieg dieser Diebstähle werden von Experten die hohen Rohstoffpreise für Platin, Palladium und Rhodium genannt. Diese Metalle sind Kernelemente des Abgasreinigers. Laut ADAC sind pro Fahrzeug zwischen drei und fünf Gramm Palladium, Platin sowie Rhodium verbaut.

Erstaunlicherweise scheinen die Diebe noch nicht mitbekommen zu haben, dass die Preise für viele Metalle deutlich unter Druck geraten sind. „Seit der im Frühjahr 2022 erreichten Bestmarke sackte Palladium um gut 60 Prozent ab und steht auf einem Mehrjahrestief“, sagt Jürgen Molnar vom Broker Robomarkets. Mittelfristig könnte sich der Preis von Palladium dem Kurs von Platin weiter annähern. Dabei gäbe es gute Gründe, dass die Metalle wieder ins Laufen kommen, denn das Angebot wird dünner. Wersich  in Südafrika umschaut, erlebt von Kapstadt bis Johannesburg und Durban immer das gleiche – Load Shedding. Der Strom fällt in Südafrika mitunter bis zu zehn Stunden am Tag aus. Auf den passenden Apps kann man sich einige Tage vorher informieren auf welche Stufe der staatliche Versorger Eskom gerade operiert und wie oft die Versorgung gekappt wird. Große Firmen helfen sich mitunter anders aus, doch im Bergbau oder bei den Minen ist es kompliziert.

Südafrika als Hemmschuh

„Die Stromausfälle und Streiks in den südafrikanischen Minen halten Anleger an den Rohstoffmärkten bereits seit vielen Monaten in Atem“, sagt Funda Sertkaya vom Edelmetallhändler Ophirum. Auch wenn Edelmetalle wie Palladium nur als Nebenprodukt bei der Gewinnung von Nickel, Kupfer und anderen Vorkommen gefördert werden, bleiben Sorgen vor Angebotsdefiziten auf den Weltmärkten bestehen. Erst allmählich scheint sich die Lage zu stabilisieren. So wird wahrscheinlich die Palladiumproduktion in Simbabwe in diesem Jahr um fünf Prozent auf 440.000 Unzen zulegen. „Dies entspricht rund sieben Prozent der globalen Primärproduktion“, so Experte Molnar. Ähnliche Tendenzen zeichnen sich bei den nordamerikanischen Palladiumproduzenten ab.  

Somit könnten auch die für 2023 befürchteten Angebotsengpässe niedriger ausfallen als bisher erwartet, was die Fantasie bei Palladium ein wenig dämpft. Auch von der Nachfrageseite ist vorerst nicht mit positiven Impulsen zu rechnen, im Gegenteil. Zwar deuten die jüngsten Wirtschaftszahlen aus den USA noch auf eine robuste Konjunkturlage hin. In anderen wichtigen Industrienationen sehen die Perspektiven aber bereits deutlich schlechter aus, global betrachtet nehmen die Risiken zu. Sorgenkinder der Weltwirtschaft sind die Eurozone und hier insbesondere Deutschland mit einer drohenden Winter-Rezession. Allerdings gilt an der Börse, dass Erwartungen mindestens sechs Monate vorher eingepreist werden, und dies hat Palladium mit 60 Prozent Abschlag durchaus vorweggenommen. Es gibt allerdings noch weitere Argumente, warum sich Palladium zuletzt schwertat.

Automobilwirtschaft gerät ins Stocken

Zunehmend schwächere Signale kommen auch aus China, das für ein Drittel des weltweiten Wirtschaftswachstums steht. Sinkt die Konsumbereitschaft infolge steigender Arbeitslosigkeit, dürfte dies auch deutliche Bremsspuren in der Automobilindustrie hinterlassen, die mit 80 Prozent der wichtigste Abnehmer von Palladium ist.

In einigen Ländern wie China gibt es schon jetzt erste Anzeichen, dass Kunden sich bei Autokäufen zurückhalten. Nachdem Tesla zuletzt die Preise für einige Modelle senkte, warten die Verbraucher auf weitere Preisnachlässe. Aus dieser Entwicklung kann sich zusammen mit einer globalen Konjunkturabkühlung eine gefährliche Abwärtsspirale entwickeln. Im Juli fielen die Autoverkäufe in China bereits um 1,4 Prozent. Bisher rechnet der Markt noch mit steigenden Pkw-Verkäufen in diesem Jahr, doch die Hoffnungen könnten sich als zu optimistisch erweisen.

Erschwerend kommt hinzu, dass der Anteil von Pkw mit Abgasreinigungsanlagen weltweit kontinuierlich sinkt. Batterieelektrische Fahrzeuge benötigen keine Katalysatoren und gewinnen stetig Marktanteile. Langfristig dürfte daher der Bedarf an Palladium für Katalysatoren aufgrund der fortschreitenden Transformation in der Automobilindustrie wegfallen. Langfristig bedeutet jedoch nicht in einem oder zwei Jahren, sondern in 10 bis 20 Jahren.

Differenz zu Platin geschmolzen

Mit dem zunehmenden Preiskampf bei den Fahrzeugherstellern bleibt zudem die Kostenseite stark im Fokus. Da Palladium und Platin ähnliche Eigenschaften aufweisen und in Katalysatoren eingesetzt werden, spielt der Kursunterschied zwischen beiden Edelmetallen eine wichtige Rolle. „Noch im Februar 2022 kostete Palladium rund 3000 Dollar je Feinunze, Platin stand bei 1100 Dollar“, rechnet Expertin Sertkaya von Ophirum vor. Inzwischen wechselt Palladium für nur noch 1200 Dollar den Besitzer, Platin gibt es rund 300 Dollar günstiger. Die Schere hat sich deutlich geschlossen.

Man darf gespannt sein, ob in den Daten zu den Diebstählen von Katalysatoren 2023 die börsliche Entwicklung Auswirkung haben wird. Schön wäre es allemal – für Autobesitzer, die morgens entspannt losfahren wollen.

Daniel Saurenz betreibt mit seinem Team das Börsenportal Feingold Research. Es bietet täglich einen Börsenbrief an, den Sie für 14 Tage kostenfrei testen können. Melden Sie sich unter info@feingold-research.com an oder probieren Sie den Börsendienst unter diesem Link aus. Trainingstage und Coachings finden Sie NEU unter feingold-academy.com

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