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Kolumne Zu hartes Urteil gegen VW-Manager

Bernd Ziesemer
Bernd Ziesemer
© Martin Kess
In der Dieselbetrugsaffäre geht der erste Deutsche in den USA ins Gefängnis. Eine drakonische Strafe, aber auch Lehre für uns

Oliver Schmidt dürfte in diesen Tagen unruhig schlafen. Der Deutsche ist der nächste VW-Manager, der in den USA vor den Richter tritt. Und seit Freitag weiß der 48jährige, dass ihm eine sehr harte Strafe droht: Sein Untergebener James Liang muss für 40 Monate ins Gefängnis, wie ein US-Gericht am Freitag verkündete. Schmidt kann sich nun leicht ausrechnen, dass ihm selbst wahrscheinlich ein hoch höheres Strafmaß erwartet.

Beide Manager kooperieren mit der US-Justiz und lieferten wertvolle Hinweise in der Dieselbetrugsaffäre. Doch sowohl Liang als auch Schmidt gingen erst relativ spät von ihrem ursprünglichen Kurs ab, einfach alles zu leugnen. Deshalb kann man ihre Schuldbekenntnisse mit einiger Skepsis betrachten. Liang gehörte zu den Managern, die unmittelbar mit der Kalibrierung des Abgasprogramms für den amerikanischen Markt befasst waren. Für den zuständigen amerikanischen Richter war Liang auch deshalb ein idealer Kandidat, um ein Exempel zu statuieren.

Sind unsere Gesetze hart genug?

Trotzdem muss man das erste Urteil in den VW-Strafprozessen als drakonisch bezeichnen. Liang geht selbst bei guter Führung für mindestens zwei Jahre ins Gefängnis, selbst wenn er nicht die volle Strafe absitzen dürfte. Das ist sehr hart für einen bisher unbescholtenen Mann und ein Albtraum für seine Familie. Offenbar hatten die Anwälte Liangs nicht mit einer so harten Strafe gerechnet. In Deutschland wäre der Manager wohl auf keinen Fall in Haft gekommen.

Die drakonische Strafe für Liang enthält eine wichtige Lehre für alle deutschen Manager: Es reicht in einem Strafverfahren keineswegs, sich auf Befehle von oben zu berufen. Alle VW-Mitarbeiter, die bewusst mit der Entwicklung und Installierung der Betrugssoftware befasst waren, haben sich strafrechtlich schuldig gemacht. So sieht es zumindest die amerikanische Justiz. Die Berufung auf eine Befehlskette kann lediglich als mildernder Umstand bei der Strafzumessung in Betracht kommen. Aber niemand sollte glauben, das Wort eines Vorstands sei bereits ausreichend, um sich selbst vor Strafe zu schützen.

In vielen großen Konzernen aber herrscht die Mentalität: „Was von oben kommt, wird schon richtig sein.“ Bei VW setzte ein mittlerer Manager seine ganze Karriere aufs Spiel, wenn er Widerworte gegen Männer wie Martin Winterkorn wagte. Doch auch das ist in einem Strafverfahren nur ein Seitenargument. Wer Verstöße gegen Gesetze entdeckt, muss sie melden – erst seinen Vorgesetzten und wenn die nicht handeln, der Staatsanwaltschaft.

Die Amerikaner haben dafür den schönen Begriff des „Whistleblowings“ entwickelt. In den USA kommt es sehr viel häufiger vor als bei uns, dass Mitarbeiter das Vergehen eines Vorgesetzten melden. Die dortige Justiz schützt die „Whistleblower“ auch sehr viel besser als bei uns. Und die Staatsanwälte gehen generell härter gegen Konzerne vor, die sich über Recht und Gesetz hinwegsetzen.

Bei uns sollte die Causa Volkswagen auch eine rechtspolitische Debatte auslösen: Sind unsere Gesetze hart genug gegen Unternehmen, die ihre Kunden betrügen und ihre Mitarbeiter drangsalieren? Schützen die bisherigen Regelungen bei uns „Whistleblower“ genügend? Bisher scheint an dieser Diskussion auf politischer Ebene jedoch niemand so recht interessiert zu sein. Im Wahlkampf macht es sich offenbar besser, über den Schutz von Jobs bei VW zu reden als über härtere Gesetze gegen VW-Manager, die durch ihr Verhalten Milliarden vernichten.

Bernd Ziesemer ist Capital-Kolumnist. Der Wirtschaftsjournalist war von 2002 bis 2010 Chefredakteur des Handelsblattes. Anschließend war er bis 2014 Geschäftsführer der Corporate-Publishing-Sparte des Verlags Hoffmann und Campe. Ziesemers Kolumne erscheint jeden Montag auf Capital.de. Hier können Sie ihm auf Twitter folgen

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