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Rüstungsindustrie Wie sich Deutschland und Frankreich bei ihrem Superpanzer blockieren

Verteidigungsminister Boris Pistorius (r.) und sein französischer Amtskollege Sébastien Lecornu 2023
Verteidigungsminister Boris Pistorius (r.) und sein französischer Amtskollege Sébastien Lecornu 2023
© Reuters
Verteidigungsminister Boris Pistorius will den Rüstungseinkauf radikal ändern. Langwierige und riskante Neuentwicklungen wie das deutsch-französische Panzerprojekt MGCS soll es nur noch in Ausnahmefällen geben. Ein vertraulicher Bericht zeigt: Bei MGCS hakt es gewaltig

Es fehlte nicht an Symbolen, als sich die Kabinette aus Deutschland und Frankreich im Juli 2017 in Paris trafen. Staatspräsident Emmanuel Macron war frisch im Amt, nun empfing er Kanzlerin Angela Merkel und ihre Minister zum ersten gemeinsamen Ministerrat. Vor dem Élysée-Palast fuhren Staatskarossen vor, Wachen salutierten. Politiker aus beiden Ländern begrüßten sich mit Küsschen.

Das wichtigste Symbol aber präsentierten Macron und Merkel vor der Presse. Beide Länder wollten bei Rüstungsprojekten kooperieren, etwa bei der Entwicklung einer „neuen Generation von Kampfflugzeugen“ und eines Panzers, kündigte Macron an. Voller Pathos legte er nach: Es handele sich um eine „tiefgreifende Revolution“ – aber man habe „keine Angst vor Revolutionen“, wenn diese friedlich seien. Auch Merkel geriet fast ins Schwärmen: Die Rüstungskooperation könne „Europa wirklich nach vorne bringen“.

Frankreichs Präsident Macron und Angela Merkel lachen
Die deutsch-französischen Rüstungspläne stammen von 2017. Die Stimmung der Beteiligten war da noch deutlich besser
© Phil Noble/REUTERS

Salbungsvolle Worte gehören dazu, wenn sich die Regierungen aus Berlin und Paris der Freundschaft der einstigen Erbfeinde versichern. Die Ankündigung, gemeinsam Flugzeuge, Panzer und andere Systeme zu entwickeln, werteten aber auch Beobachter als großen Wurf: Ein „politischer, industrieller und strategischer Quantensprung“, schwärmte der Berliner Außenpolitik-Thinktank DGAP. Doch Warnungen gab es auch: Das Vorhaben sei too big to fail – politisch so aufgeladen, dass es zum Erfolg verurteilt sei.

Sechs Jahre nach dem spektakulären Auftakt ist in Berlin und Paris Ernüchterung eingetreten. Bei den Prestigeprojekten, die Kosten sparen und die Zusammenarbeit der Armeen vereinfachen sollen, haben sich die Partner verheddert: Es dominieren nationale und industriepolitische Egoismen, Erbsenzählerei und Misstrauen, Rivalität zwischen den Unternehmen und Streit um die Nutzung der Entwicklungsergebnisse. Selbst der Schock nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hat daran wenig geändert. Eigentlich will Europa dringend seine Verteidigungsfähigkeit stärken, um sich künftig weniger auf die USA verlassen zu müssen, Frankreich hat darum genau wie Deutschland deutlich mehr Geld für Rüstung versprochen. Es wären gute Voraussetzungen für die 2017 beschlossenen Projekte – doch sie kommen trotzdem nicht richtig vom Fleck.

Wie verfahren die Lage ist und wie hart Deutsche und Franzosen hinter den Kulissen ringen, zeigt jetzt ein vertraulicher Bericht der Bundesregierung, der Capital vorliegt. Vor allem bei einem Projekt geht es nicht voran: dem auf 100 Mrd. Euro Umsatzpotenzial geschätzten Main Ground Combat System (MGCS) – einem neuen Kampfpanzer mitsamt Begleitfahrzeugen, der den deutschen Leopard 2 und den französischen Leclerc ersetzen soll. Die „strittigen Themen“ hätten „weiterhin keiner Lösung zugeführt“ werden können, heißt es. Der Kampf dreht sich vor allem darum, welches Land und welche der beteiligten Firmen KMW, Nexter und Rheinmetall bei bestimmten Bauteilen für den Superpanzer die Führung übernehmen sollen.

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