Bereits in den 60er Jahren wanderte mein Onkel aus Deutschland aus. Für ihn gab es hier kein Herankommen an Forschungsgelder, keine Option etwas zu bewegen. Später arbeitete er an hoch innovativen Projekten bei der NASA. Deutschland hatte nichts mehr von seiner Schöpfungskraft.
Heute beschränkt sich die Abwanderung nicht mehr auf die Forschung. Auch die Vorreiter in Sachen Elektroauto, Raumfahrt, Food Processing und vielem mehr gehen Deutschland verloren – vom ganz großen Konzern bis hinunter in den Mittelstand. Und mit gutem Grund, möchte ich behaupten: Deutschland optimiert, anstatt wirklich innovativ zu denken.
Das hat in der Vergangenheit gut funktioniert, keine Frage. Deutschland ist ja auch für etliche traditionelle Branchen und Schlüsselindustrien bekannt, die gerade aufgrund ihrer Kontinuität ein so hohes Ansehen genießen. Aber ob Sie nun an den mittelständischen Maschinenbau oder renommierte Automobilkonzerne denken, ich bleibe dabei: Auch diese Kandidaten werden früher oder später ihre Anziehungskraft auf die Spitzenköpfe unserer Wirtschaft verlieren. Nicht nur die Automobilbranche verliert bereits massiv an Attraktivität am Arbeitsmarkt.
Optimiertes Mindset, neue Möglichkeiten
Deutschland und sein Mittelstand müssen dringend etwas ändern, damit sie für die wirklich guten Leute spannend und interessant bleiben. Dazu gehört für mich, dass deutsche Betriebe Möglichkeiten bieten müssen – Möglichkeiten, Neues zu entwickeln, anstatt nur Vorhandenes zu optimieren; Möglichkeiten, an der Zukunft zu arbeiten; Möglichkeiten, große Schritte zu gehen. Kurz: neues Denken erlauben und fordern. Nicht die Konzepte von Opa optimieren, sondern nachhaltige Lösungen entwickeln.
Das Mindset dazu entsteht erst ganz allmählich, ist aber selbstverständlich auch dem Mittelstand zuträglich.
Erst vor wenigen Tagen besuchte ich einen Geschäftsführer eines mittelständischen Betriebs, der mir sein Leid klagte: In China können seine Kunden die gleichen Maschinen inzwischen zum halben Preis kaufen, sein Geschäft bricht weg. Was könne er nur tun, um seine Maschinen zu verbessern?
„Nichts“, sagte ich ihm.
Und als er mich verdutzt ansah, setzte ich nach: „Wir machen eine ganz neue Maschine!“
Denn das Kernstück seiner Maschinen, so hatte sich in unserem Gespräch herausgestellt, war über 100 Jahre alt, das Konzept vor zwei Generationen entstanden. Was wollen Sie da noch länger optimieren?
Spitzenköpfe, die bleiben
Wenn Deutschland lernt, wieder wahrhaft innovativ und neu zu denken, dann, da bin ich überzeugt, wird selbst eine traditionelle Branche wie der Maschinenbau wieder interessant für die Topleute.
Dann bleiben sie in Deutschland, weil sie die Zukunft aktiv mitgestalten können und wissen, dass ihre Arbeit auch morgen und übermorgen noch eine Relevanz hat. Und dann haben auch namhafte Fachkräfte-Magneten wie Google und Co. deutlich schlechtere Chancen, Ihnen Ihre Könner abzujagen.