Anzeige

Weltwirtschaftsforum Die 5 wichtigsten Lektionen aus Davos

Vier Tage hat sich die Elite aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft über die aufgewühlte Welt den Kopf zerbrochen. Was Sie wissen sollten
Prominent besetzte Podien sind das Markenzeichen von Davos
Prominent besetzte Podien sind das Markenzeichen von Davos
© Getty Images

1. Die Ungleichheit wächst, die Wut auch – und das Bewusstsein

Es gab Jahre, da wurde in Davos viel über die Euro-Krise, Banken oder „Schwarze Schwäne“, also unvorhergesehene und seltene Ereignisse gesprochen. Auch über die Digitalisierung wird immer geredet und die „Vierte Industrielle Revolution“. In diesem Jahr war eines der Mega- und Metathemen die Ungleichheit. Zwar wurde auch darüber immer schon viel diskutiert, aber diesmal wirkte die Weltelite alarmierter und besorgter als sonst. Was wohl an dem Jahr 2016 liegt – und einigen (umstrittenen) Studien, die just vor Davos platziert wurden. Wobei inzwischen viel zu wenig differenziert wird, was „die Ungleichheit“ für jedes Land und die jeweilige Gesellschaft bedeutet. Was vielleicht auch wieder ein Problem birgt, denn eine globale Ungleichheit anzupacken, ist weitaus schwieriger und unrealistischer als für, sagen wir mal, ein Land wie Deutschland.

2. Wohlstand soll wieder für alle gelten

Die Folgerung aus der Ungleichheit: Was Ludwig Erhard einst „Wohlstand für alle“ nannte, heißt heute „inclusive growth“. Nicht nur auf Podien, auch in jedem Hintergrund- und Flurgespräch schnappt man dieses Buzzwort auf: „We must get more inclusive growth, otherwise....“ Tja, sonst wird die Welt halt noch ein wenig wütender und ungemütlicher. Die ewige Frage: aber wie? Denn die Wie-Frage galt ja auch schon für das Wachstum an sich, ob inklusiv oder exklusiv. Stichwort: säkulare Stagnation. Hier blieben die 3000 klugen Köpfe erstaunlich vage und ideenlos – wenn überhaupt, wurde das Übliche genannt: Endlich mal ernsthaft dieses Grundeinkommen prüfen und durchrechnen. Vielleicht sogar höhere Steuern für Reiche. Mehr Bildung, aber irgendwie anders wegen der Digitalisierung. Und mehr Jobs und höhere Löhne. Da fehlt noch etwas, was zündet.

3. Technologie nicht mehr nur Verheißung, sondern Bedrohung

Das iPhone wird 2017 zehn Jahre alt, und die Begeisterungskurve über die neue Mobilität stieg jahrelang proportional zu den Verkaufszahlen. Alles war mit allem vernetzt und jeder jederzeit erreichbar, was uns viel Freude und viel Stress bereitet hat. Nun aber hören wir seit einigen Jahren, dass das Wunderding nicht nur ganze Branchen umwälzen kann (Uber, Airbnb), sondern nur das Vorspiel oder der Sidekick war: Während wir also Filme auf Youtube schauen, über Whatsapp chatten und Pokémon Go spielen, übernehmen Roboter unsere Jobs und künstliche Intelligenz (KI) die Macht – was wiederum mit Punkt eins und zwei zusammenhängt: Eine Handvoll Plattformen beherrschen nach dieser Lesart die Welt und machen das große Geld, während der Rest zwar überall alles bestellen und konsumieren kann, aber vielleicht bald nicht mehr genug Geld dazu hat. Weshalb wir also mehr „inclusive growth“, mehr Bildung oder gar ein Grundeinkommen brauchen (s.o.). Fazit: Irgendwie hängt alles mit allem zusammen.

4. Blue Collar, White Collar, New Collar

Wenn die Fabriken voller Roboter sind, verschwinden die so genannten „Blue Collar“-Jobs. Wenn Banken, Versicherungen und Buchhaltungen mehr künstliche Intelligenz einsetzen, verschwinden die „White Collar“-Jobs. Was also arbeiten wir dann? IBM-Chefin Ginni Romnetty sprach von „New Collar“-Jobs. Die Formel dahinter: Millionen Jobs werden zwar verschwinden, aber auch viele neue entstehen. Wie viele, weiß keiner, weil man die Berufsbilder noch nicht kennt. Die neuen Fähigkeiten („new skills“), die man braucht, sind deshalb auch noch etwas nebulös. Nur eines ist für Romnetty klar: „Wir müssen nicht mehr Wissen vermitteln, sondern das Lernen selbst.“ Am MIT in Boston entwickeln Forscher gerade eine „Map of New Skills“ (also eine Landkarte der neuen Fähigkeiten). Sie soll Unternehmen klar machen, was sie ihren Mitarbeitern genau beibringen sollen und wie, um den „skill mismatch“ zu beheben. Man darf gespannt sein, wohin die Landkarte führt.

5. Nicht mal Leadership ist mehr sicher

All diese Entwicklungen verlangen eine neue Form von Führung („Responsive and Responsible Leadership“ war ja auch das Motto des WEF in diesem Jahr). Welche genau, ist noch nicht ganz klar, zumal manche Formen des Leadership (Brexit, Trump, Le Pen) verstörende Formen angenommen haben. Für Unternehmen gilt das gleiche wie seit einigen Jahren: Führung muss in jedem Fall anders sein – weniger hierarchisch und offener für Neues, jeder muss halt ein wenig „crazy“ sein. Wobei es nicht reicht, wenn man sich jetzt Turnschuhe an- und den Schlips auszieht. Für die Weltpolitik hat sich diese Woche ausgerechnet jenes Land rhetorisch als Führungsmacht für Freihandel und eine gerechte Welt stark gemacht, dem man es nicht abnimmt: China. Der Auftritt von Präsident Xi war ein kluger taktischer Schachzug – die Frage ist, ob Peking mit Leben füllen kann, was es postuliert. China-Kenner bezweifeln es.

Und wohin führt uns Donald Trump? Es gab in Davos kaum klare Prognosen, am optimistischsten waren noch US-Manager, die einfach etwas weniger Regulierung und niedrige Steuern erwarten. Die versammelte Nobelpreiselite war erstaunlich verhalten – zumindest für dieses und nächstes Jahr erwarten einige höheres Wachstum, eine Fortsetzung des Trump-Booms. Dann aber könnte die US-Wirtschaft überhitzen. Wenn Trump denn nicht sofort Chaos anrichtet.

Man möchte Davos 2017 schließen mit Jack Ma, dem Gründer des chinesischen IT-Giganten Alibaba, der einen der beste Auftritte hatte: „Irgendwie ist keiner mehr glücklich. Die Armen nicht - und die Reichen nun auch nicht mehr.“ Er halte es mit „Forrest Gump“, seinem Lieblingsfilm. Dessen Motto war: Move ahead.

Mehr zum Weltwirtschaftsforum in Davos: Liebling, das wird schon wieder, Dunkelkammer der Weltwirtschaft, Der Berg der Probleme ruft und Top 10 der wohlhabendsten Länder

Neueste Artikel