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Kolumne Wehe, wenn der Investor kommt

Kapitalgeber können den Fußball umkrempeln. Doch die Bundesliga ist kein normaler Markt und Fans keine normalen Konsumenten. Von Jörn Quitzau
Red Bull sponsort den RB Leipzig. Ist das ein Modell für die Zukunft?
Red Bull sponsort den RB Leipzig. Ist das ein Modell für die Zukunft?
© Getty Images
Jörn Quitzau ist Volkswirt bei der Berenberg Bank. Daneben betreibt er den Blog Fussball-Oekonomie.de
Jörn Quitzau ist Volkswirt bei der Berenberg Bank. Daneben betreibt er den Blog Fussball-Oekonomie.de

Jörn Quitzau ist Volkswirt bei der Berenberg Bank. Daneben betreibt er den Blog Fussball-Oekonomie.de

Fans oder Investoren – wem gehört der Fußball? Über diese Frage wird Fußball-Deutschland bald wieder verstärkt diskutieren. Schon die soeben beendete Bundesliga-Hinrunde wurde begleitet von Berichten über Mäzene, Sponsoren und Investoren. In der zweiten Liga sorgten mit dem FC Ingolstadt und RB Leipzig zwei Klubs für Furore, die von finanzkräftigen Partnern aufgepäppelt wurden. In der Bundesliga ist das große Geld sowieso immer ein Thema. Vor dem letzten Hinrunden-Spieltag machten diesbezüglich zwei Meldungen die Runde: Dem sportlich angeschlagenen Hamburger SV ist offenbar ein bereits sicher geglaubter Investor abgesprungen und für die TSG Hoffenheim wird eine weitere Ausnahme von der 50+1-Regel gemacht, die eigentlich dafür gedacht war, den Einfluss externer Geldgeber auf die Bundesligisten zu begrenzen.

Während manche Beobachter eine Wettbewerbsverzerrung durch externe Kapitalgeber diagnostizieren, sehen andere Experten in ihnen die einzige Hoffnung, dass der Rest der Liga finanziell und sportlich wieder zum Rekordmeister aus München aufschließen kann. Interessanterweise versucht die Uefa gerade mit dem Reglement zum Financial Fair Play, den Einfluss externer Kapitalgeber einzudämmen und damit die finanziellen Exzesse im europäischen Liga-Fußball in den Griff zu bekommen.

Publicity statt Rendite

Das Engagement von Mäzenen, Sponsoren und Investoren wirft eine Reihe hochinteressanter Fragen auf, mit denen sich Wissenschaft und Praxis beschäftigen müssen. Beispielsweise ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die vorgesehene Art des Engagements überhaupt den Anforderungen des Uefa Financial Fair Play genügt. Wenn nicht, drohen dem betreffenden Klub nämlich Strafen bis hin zum Ausschluss aus den europäischen Klubwettbewerben.

Eine grundsätzliche Frage drängt sich auf: Welche Absichten haben Unternehmen oder Einzelpersonen, die ihr Geld Fußballklubs zur Verfügung stellen? Was steckt dahinter, wenn jemand Geld in ein Umfeld „investiert“, in dem es um maximalen sportlichen Erfolg, nicht aber um maximalen finanziellen Gewinn geht. Der europäische Klubfußball ist jedenfalls erheblich verschuldet, was Investoren eher abschrecken sollte. Der knallharte Kampf um die besten Tabellenplätze – Sportökonomen sprechen von Positions- und von Verdrängungswettbewerb – zwingt die Klubs immer wieder zum Aufrüsten ihrer Spielerkader. Die Investitionsspirale dreht sich immer weiter und am Ende sind zwar die Bankkonten der Spieler prall gefüllt, nicht aber die Konten der Klubs (der FC Bayern München bestätigt als Ausnahme die Regel).

Nun müssen Kapitalgeber gar nicht auf Rendite aus sein. Den Oligarchen und Ölscheichs, die insbesondere dem britischen Klubfußball zum Höhenflug verholfen haben, geht es wohl eher um Publicity – und die haben Abramowitsch & Co. allemal bekommen.

Von außen lassen sich die Absichten der Geldgeber letztlich nicht sicher beurteilen. Was nicht weiter schlimm ist, denn wer wirtschaftliche und gesellschaftliche Prozesse bewertet, sollte nicht auf die Absicht, sondern auf das Ergebnis schauen. Bedauerlicherweise ist das Ergebnis, das eine weitere Runde finanziellen Wettrüstens bringen würde, mehr als offen. Sicher ist nur, dass externe Kapitalgeber potentiell in der Lage sind, gewachsene Strukturen im Profifußball gehörig durcheinander zu wirbeln. Ob es zur Neuordnung des deutschen Fußballs käme (etwa mit Leipzig und Hoffenheim als neuen Fußball-Hauptstädten?) oder ob die gewachsenen Strukturen dem Einfluss der neuen Investoren weitgehend standhalten können, ist nicht absehbar.

Fans sind keine gewöhnlichen Konsumenten

Falls Investoren bei Traditionsvereinen mit großer Fan-Basis einsteigen, würde sich der Fußball tendenziell weiter in den bekannten Bahnen bewegen. Anders sähe es aus, wenn Investoren nur auf Vereine aus Ballungsräumen setzen oder auf kleinere Klubs, bei denen sie keine vereinsinternen Widerstände gegen Management-Entscheidungen zu fürchten haben. In diesem Fall könnte die Bundesliga in zehn Jahren tatsächlich überwiegend aus Retorten-Klubs bestehen, bei denen zuerst das Geld und dann der Erfolg war. Das Horror-Szenario der Fußball-Fans wäre Realität, das Kapital hätte den Sport endgültig in die Knie gezwungen.

Wirtschaftsexperten und Sportökonomen sehen in einer weiteren Öffnung der Liga für externe Kapitalgeber mehrheitlich kein Problem. Für sie wird die unsichtbare Hand des freien Marktes – wie auch sonst in der Wirtschaft üblich – schon das Ergebnis hervorbringen, das den Wünschen der Konsumenten entspricht. Doch genau hier liegen die Experten falsch, weil sie Erkenntnisse aus der herkömmlichen Wirtschaft auf den Fußball übertragen.

Doch Fans sind keine gewöhnlichen Konsumenten. Konsumenten haben Wahlmöglichkeiten, für sie sind Konsumartikel weitgehend austauschbar. Fans hingegen haben keine solchen Wahlmöglichkeiten, denn sie sind festgelegt auf einen bestimmten Verein. Kein Fan wechselt zu einem anderen Verein, nur weil sein Lieblingsklub schlechte Leistungen abliefert oder in der sportlichen Versenkung verschwindet. Deshalb ist die These „Wir sind die Traditionsvereine von morgen“, die man aus den aufstrebenden, kapitalstarken Klubs gelegentlich hört, nicht gut begründet. Schöpferische Zerstörung funktioniert in der herkömmlichen Wirtschaft, im Fußball ist das Konzept kaum tauglich.

Ohne die Leidenschaft der echten Fans, die maßgeblich zum Unterhaltungswert beitragen, wäre der Fußball nicht das Massenspektakel, das er heute ist. Emotionslose Fußball-Interessierte, die einfach nur guten Fußball sehen wollen, denen aber sonst eigentlich alles egal ist, reichen nicht aus. Der Diskurs über den weiteren Weg der Liga sollte deshalb in Ruhe und in aller Ausführlichkeit ausgetragen werden. Da sich das Rad später nicht mehr zurückdrehen lässt, sollten dabei ausdrücklich nicht nur Finanzexperten das Wort haben. Die Eigenarten des Fußballs lernt man nämlich nicht am Schreibtisch.

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