Die Corona-Pandemie stellt zahlreiche Unternehmen vor enorme Herausforderungen. Die Wucht des wirtschaftlichen Einschlags ist branchenabhängig und wirkt sich mitunter erheblich, manchmal auch weniger stark aus. Die Bundesregierung reagierte relativ schnell und beschloss Mitte März einen weitreichenden Schutzschirm für die Wirtschaft. Kurz zuvor wurde durch das Bundesfinanzministerium in Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder zudem ein Erlass über steuerliche Maßnahmen veröffentlicht, der dazu dienen soll, Liquiditätsengpässe der Betroffenen abzufedern. Am gleichen Tag wurden parallel Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder herausgegeben. Sie hatten gewerbesteuerliche Maßnahmen zum Inhalt, dienen aber dem gleichen Ziel wie der Erlass des Bundesfinanzministeriums.
Ein wichtiger Bestandteil des Maßnahmenpakets ist die Stundung von Steuerzahlungen, um einen Liquiditätsengpass für betroffene Firmen zu vermeiden. Wenn also Unternehmen aufgrund der Corona-Epidemie in diesem Jahr fällige Steuerzahlungen nicht leisten können, können sie befristet und zinsfrei gestundet werden. Das kann bis zum 31. Dezember 2020 beim zuständigen Finanzamt beantragt werden und gilt zunächst nur für die Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer.
Bei Steuerabzugsbeträgen, wie Lohnsteuer und Kapitalertragsteuer, ist eine Stundung aktuell nicht vorgesehen. Eine Liquiditätsverbesserung kann also bei diesen Steuern nur über einen Vollstreckungsaufschub erreicht werden. Trotz dieser Einschränkung ist es wahrscheinlich, dass die Möglichkeit zur Stundung von vielen Unternehmen genutzt werden wird, da sie relativ unkompliziert und schnell umsetzbar ist. Sie hat außerdem einen direkten Einfluss auf die Liquidität.
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Auch auf die Vollstreckung von Steuerschulden soll bis zum Jahresende verzichtet werden, in dieser Zeit anfallende Säumniszuschläge werden erlassen. Auch hier sind nur die Einkommenssteuer, die Körperschaftsteuer sowie die Umsatzsteuer betroffen. Unternehmen können aber auch die Höhe der Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuervorauszahlungen anpassen lassen. Das gilt auch für einen Messbetrag für Gewerbesteuer-Vorauszahlungen. Die Zollverwaltung, die unter anderem die Energiesteuer und Luftverkehrsteuer verwaltet, wurde durch das Bundesfinanzministerium zu parallelen Maßnahmen angewiesen. Nicht im Paket enthalten ist allerdings die Erstattung von Umsatzsteuer-Sondervorauszahlungen für das Jahr 2020. Sie wird von verschiedenen Finanzverwaltungen angeboten. Teilweise wird aber auch nicht erstattet, sondern eine Verrechnung mit Zahllasten vorgenommen. Eine bundeseinheitliche Regelung wäre absolut wünschenswert.
Die Tücken des Antragsverfahrens
Die Komplexität des Steuerrechts ist legendär und Gegenstand unzähliger Anekdoten. Schaut man sich nur die Vordrucke für Steuererklärungen an, wird verständlich, dass viele Unternehmer – und nicht nur sie – einen Berater hinzuziehen.
Auf den Internetseiten der Finanzämter finden sich die Formulare, die dem Antragsteller eine erste Hilfestellung geben. Sie sind beim zuständigen Finanzamt einzureichen. Notwendig sind Steuernummer und Bezeichnung des Unternehmens, aber natürlich auch die beantragte Maßnahme, beispielsweise zinslose Stundung oder die Herabsetzung von Vorauszahlungen. Die Nennung der betroffenen Steuer ist ebenfalls notwendig. Außerdem kann angegeben werden, ob eine Ratenzahlung möglich ist.
Bis zu diesem Punkt dürfte jeder in der Lage sein, einen solchen Antrag zu stellen. Doch nun gilt es eine Hürde zu nehmen. Denn ob eine Stundung tatsächlich gewährt wird, wird durch das Finanzamt entschieden: Sie soll nur gewährt werden, wenn die Einziehung eine erhebliche Härte darstellen würde. Dabei sollen die Finanzämter aber keine strengen Anforderungen stellen.
Hier zeigt sich, dass der Begründung eine hohe Bedeutung zukommt, und mancher wird sich einer Einzelfallentscheidung der Finanzverwaltung stellen müssen. Welche Nachweise zu erbringen sind, wird sich aber nicht immer auf den ersten Blick erschließen. Im Interesse einer Verkürzung der Bearbeitung soll daher auch auf eine Darlegung finanzieller Verhältnisse verzichtet werden. Man muss sich bei der Finanzverwaltung mit einer Erklärung zufriedengeben, dass der Antragsteller zu einer von der Corona-Krise betroffenen Branche gehört oder zu Betrieben solcher Branchen Geschäftsbeziehungen unterhält. Weitergehende Nachweise würden Verwaltungsaufwand erzeugen, und das kann für den Betroffenen die wirtschaftliche Lage verschärfen. „Erledigungen durch Zeitablauf“ sollen in dieser Phase aber eben nicht vorkommen. Man kann also nur hoffen, dass eine zeitnahe und unbürokratische Bearbeitung flächendeckend gewährleistet wird. Denn die Fülle an Anträgen ist noch nicht abzusehen. Aber: Keine Zeit für Schwarzmalerei.
Abseits dessen gilt: Der Antrag ist immer zu unterschreiben und schriftlich per Post, durch Einwurf in den Briefkasten des Finanzamtes oder per Telefax zuzustellen. Auch eine E-Mail mit dem Scan des unterschriebenen Antrags ist möglich.
Wer keinen Antrag stellt, ist selbst schuld?
Über Sinn und Unsinn von Regeln und Anträgen lässt sich auch im Steuerrecht in vielen Fällen diskutieren. In jedem Falle sinnvoll und deswegen auch schon oft praktiziert ist es, die Vorauszahlungen anzupassen. Denn sie haben einen unmittelbaren Einfluss auf die Liquidität und kommen dem Interesse, Umsatzrückgänge wenigstens teilweise aufzufangen, sehr entgegen. Und das ist ja auch der wirtschaftliche Zweck dieser Maßnahme. Wenn sich also abzeichnet, dass die Einkünfte im laufenden Jahr geringer ausfallen werden als vor der Pandemie oder ein Verlust zu erwarten ist, sollten Unternehmen den entsprechenden Antrag mit Darlegung der wirtschaftlichen Grundlagen stellen. Achtung: Die Fälligkeit von Vorauszahlungen wird nicht berührt. Nächster Fälligkeitstermin für die Einkommensteuer- bzw. die Körperschaftsteuervorauszahlung ist der 10. Juni 2020, für die Gewerbesteuervorauszahlung der 15. Mai 2020.
Auch die Stundung von Steuerbeträgen ist ein bewährtes Mittel. Sie könnte dann auch mit einem Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlungen kombiniert werden, um Fälligkeiten von Steuerzahlungen hinauszuschieben. Aber auch hier steckt der Teufel im Detail. So fehlt bei dem Maßnahmenpaket bisher eine Klarstellung, ob bei der Gewährung einer Stundung auf eine Sicherheitsleistung, die von der Finanzverwaltung verlangt werden kann, verzichtet wird. Natürlich wäre das den Betroffenen zu wünschen. Denn das Verlangen einer „Sicherheit“ würde das Ziel, Betroffenen unbürokratisch wirtschaftliche Entlastung und damit Sicherung beziehungsweise Erhalt der Liquidität zu ermöglichen, konterkarieren.
Bei aller Detailkritik: Der Grundgedanke, den Unternehmen in dieser Zeit möglichst unbürokratisch mehr Liquidität zu sichern, wird durch die Maßnahmen des Bundes unterstützt. Dass das Paket kleinere Regelungslücken und Praktikabilitätsprobleme enthält, schmälert nicht seine Wirksamkeit. Die Lücken sollten allerdings schnell nachgebessert oder klargestellt werden, damit die Maßnahmen volle Wirkung entfalten und sich die Absicht nicht ins Gegenteil verkehrt.
Debatte über dauerhafte Steuerentlastungen muss warten
Ein Allheilmittel in Krisenzeiten sind Steuern nicht und waren es noch nie. Das sehen einige offenbar anders. So wurden Stimmen laut, dass die bisherigen steuerlichen Maßnahmen nicht ausreichend und weitere Hilfen erforderlich seien. Der Bundesverband der deutschen Industrie hatte einen Acht-Punkte-Plan erarbeitet und forderte weitere Anpassungen. Unter anderem schlug er vor, Lohnsteuerzahlungen für eine gewisse Zeit ohne Einzelnachweis auszusetzen, um so weitere Liquidität für Unternehmen zu erhalten. Er regte auch an, die Regelungen zur Verlustverrechnung zu verbessern.
In diesem Zusammenhang muss man wohl auch die Anregung zur Einführung einer „negativen Gewinnsteuer“ sehen. Sie sieht vor, dass Unternehmen oder Selbständige ihren Umsatzeinbruch an ihr Finanzamt melden. Dann sollen sie grundsätzlich auf Basis des letzten Steuerbescheides unter Berücksichtigung des Umsatzeinbruchs eine negative Einkommens- oder Körperschaftsteuerzahlung als Liquiditätssoforthilfe von dem Finanzamt erhalten. Diese „negative Gewinnsteuer“ soll grundsätzlich als zinslose Liquiditätsversorgung geliehen werden.
So nachvollziehbar diese Vorschläge sind, scheint aktuell die Zeit für wilden Steueraktionismus nicht geeignet: Irgendwann müssen nämlich auch gestundete Beträge wieder abgeführt werden. Droht dann der nächste Liquiditätsengpass? Oder müssen die steuerlichen Regelungen dann nochmals an die Ertragssituation angepasst werden?
Deswegen erscheint es mehr als fraglich, ob die Debatte über dauerhafte Steuerentlastungen gerade jetzt geführt werden muss. Priorität sollte die Stabilisierung der Unternehmen sein. Glückt dieses schwierige Unterfangen, wird eine Neubewertung der Situation allerdings erforderlich. Und klar ist auch: Höhere Soforthilfen in Form von Zuschüssen oder niedrig verzinsten Darlehen würden jedenfalls dem Soloselbständigen oder kleineren Unternehmen aktuell deutlich mehr helfen als zukünftige Steuerentlastungen, von denen sie vielleicht auch nicht mehr profitieren. Aber spätestens nach der Krise wird man sich Gedanken darüber machen müssen, wie wieder eine Entschuldung erfolgen soll. Und vielleicht wird das dann wieder der Punkt sein, an dem man Steuerentlastungen als geeignete Maßnahmen diskutieren wird.
John Büttner ist Steuerrechtsexperte bei der Kanzlei FPS in Frankfurt.