In diesen Wochen ist viel von Investitionen die Rede. Wir Deutschen investierten zu wenig, heißt es, sowohl Unternehmen als auch Bund, Länder und Kommunen. Deutschland lebe auf Kosten seiner Substanz, es schwäche damit nicht nur sich selbst, sondern auch seine europäischen Nachbarn, lautet ein weit verbreiteter Vorwurf. Selbst im fernen Australien macht die deutsche Sklerose bereits die Runde. Hier trafen sich an diesem Wochenende die Finanzminister und Notenbankpräsidenten der G20, der 20 wichtigsten Staaten der Erde.
Unverhohlen drängte US-Finanzminister Jack Lew in Cairns die Deutschen wieder einmal, endlich mehr Geld auszugeben, um damit das Wirtschaftswachstum zu beleben, in Europa und am besten auf der ganzen Welt. Staaten wie Frankreich und Italien hielten sich zwar etwas zurück, freuten sich insgeheim aber umso mehr.
Man könnte diese Klagen über die deutsche Knauserigkeit als Ritual solcher Treffen abtun (was sie sind). Doch tatsächlich hat der Druck Folgen – für die Stabilität der Eurozone und nebenbei für die sinnvolle Verwendung deutscher Steuermilliarden.
Denn so richtig der Befund ist, so übertrieben sind die Erwartungen an ein deutsches Renovierungsprogramm. Bevor also tatsächlich irgendjemand in diesem Land mehr Geld ausgibt oder dazu animiert wird, ein paar Klarstellungen, was mehr Investitionen in Deutschland bewirken können – und vor allem was nicht.
Finanzielle Spielräume sind da
Es ist richtig, dass die Bundesregierung ihre Ausgaben für Straßen, Schienen und öffentliche Gebäude erhöhen will. Seit Jahren liegen die öffentlichen Investitionen weit hinter den Abschreibungen zurück, verfällt die staatliche Infrastruktur schneller als sie saniert wird. Die finanziellen Spielräume insbesondere im Bundeshaushalt sind da, Finanzminister Wolfgang Schäuble hat das Budget des Bundes für die nächsten Jahre mehr als großzügig geplant. Das gilt selbst dann, wenn man, wie er, die Aufnahme neuer Kredite ab dem nächsten Jahr unbedingt vermeiden will (und damit die Schuldenbremse im Grundgesetz strenger auslegt als nötig). Hinzu kommt, dass sich der Bund das Geld für neue Brücken, Schulen und Hörsäle praktisch zum Nulltarif borgen kann. Die Gelegenheit ist also günstig.
Und wahrscheinlich wird auch die Kommission von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel den einen oder anderen sinnvollen Vorschlag liefern, wie und wo sich private Investitionen ankurbeln lassen. Das ist allein schon deshalb sinnvoll, weil die privaten Investitionsausgaben um ein Vielfaches höher sind als die staatlichen – zwei oder drei Prozent plus hier bewirken weit mehr als 10 Milliarden extra vom Bund. An dieser Stelle aber beginnen die Abers.
Private Investitionsentscheidungen sind nur dann sinnvoll, wenn der Investor auch das Risiko trägt. Staatliche Garantien für private Investitionen dagegen verzerren nicht nur Entscheidungskalküle und führen dazu, dass auch der letzte Winkel der Pampa noch einen Autobahnanschluss erhält. Vor allem aber liegt das finanzielle Risiko letztlich doch beim Staat. Floppt die schicke neue, privat finanzierte Autobahn, haftet der Steuerzahler. Dann aber kann es der Bund auch gleich selbst machen – zumal die Finanzierungskosten für den Staat eben stets niedriger sind als für private Unternehmen.
Bevor der Staat nun Milliarden zusätzlich in die Hand nimmt, lohnt jedoch noch ein genauerer Blick in die Investitionsstatistik. Im wichtigen Bereich der Ausrüstungsinvestitionen stehen deutsche Unternehmen nämlich gar nicht schlecht da, seit Jahren schwach läuft es dagegen auf dem Bau. Dass die Deutschen – anders als Spanier, Iren oder Amerikaner – bislang kein landesweites, nicht mehr enden wollendes Richtfest mit Freibier für alle erlebt haben, ist aber eher ein Segen. Misstrauen gegenüber einem boomenden Bausektor ist eine der wichtigsten Lehren aus der Krise der vergangenen sechs Jahre. Öffentliche Bauinvestitionen aber brauchen Zeit, sie müssen geplant und genehmigt werden. Auch wenn das Land etwas nachzuholen hat, allzu schnell lässt sich hier gar nicht viel bewegen.
Paris und Rom haben nichts von deutschen Investitionen
Wenn Union und SPD vor Abschluss tausender neuer Planfeststellungsverfahren kurzfristig die Binnennachfrage und damit auch das Investitionsklima in Deutschland beleben wollen, sollten sie eher die Steuern senken. Da sich sparen derzeit kaum lohnt, wird der größte Teil einer Steuerentlastung eins zu eins in den Konsum fließen.
Schließlich zum größten Missverständnis über die deutschen Investitionen: Ihre internationale Dimension ist lächerlich. Gibt Deutschland 100 Euro mehr aus, kommen davon in Frankreich kaum ein Euro, in Italien gar nur ein paar Cent an. Es ist kaum zu glauben, dass die Regierungen in Paris und Rom das nicht wissen. Aber Forderungen an den reichen Nachbarn sind eben sehr viel bequemer als schmerzhafte Reformen zuhause. Wirklich ärgerlich daran ist nur, dass sich die Amerikaner nicht zu schade sind, bei diesem Spiel über Bande immer wieder mitmachen.
Mehr Investitionen werden Deutschland helfen, Europa aber nicht retten. Wenn wir mit einer modernisierten Infrastruktur unsere Wettbewerbsfähigkeit steigern, wird dies den Reformdruck auf Frankreich und Italien sogar eher noch erhöhen. Bis auch die Regierungen in Paris und Rom wieder mehr Geld ausgeben können, um das Wachstum anzukurbeln (was sich angesichts der öffentlichen Kassenlage derzeit verbietet), helfen der Wirtschaft dort nur der absehbar schwächere Euro, die nach wie vor niedrigen Energiekosten und die baldige Klarheit über die dortigen Bankbilanzen. Diese drei Faktoren dürften Exporte und Kreditvergabe in den kommenden Monaten beleben und so das Wachstum stützen. Den Rest müssen diese Länder schon selbst schaffen.