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Inflation Was die EZB gegen steigende Preise noch tun kann

Der EZB-Turm in Frankfurt
Der EZB-Turm in Frankfurt
© IMAGO / Dirk Sattler
Die Inflation erreicht ein Rekordhoch nach dem anderen. Nun wird erwartet, dass die EZB die Zinsen weiter erhöht, um die Teuerung zu bremsen. Doch ihre Mittel sind begrenzt

Das Wort „Rekordinflation“ prangte am Mittwoch wohl auf fast jeder Nachrichtenseite Deutschlands. Da hatte die europäische Statistikbehörde Eurostat verkündet, dass die Preise in den Euroländern gegenüber dem Vorjahr um 9,1 Prozent geklettert waren. Der höchste Anstieg seit Einführung der Währung. In Deutschland wurde eine Inflation von 7,9 Prozent gemessen, vermeldete das Statistische Bundesamt.

Derartige Rekorde fielen in den letzten Monaten immer häufiger – und sie ziehen schnell eine einfache Forderung an die EZB nach sich: Rauf mit den Zinsen! Denn dann, so sagt es das rudimentärste Verständnis von Geldpolitik, sinkt auch die Inflation. Dabei ist die Wahrheit etwas komplizierter. Denn die EZB kann nicht alle Preise steuern und viele auch nur zu hohen Kosten.

Für die erste Feststellung reicht ein Blick auf die Inflationstreiber. Denn Energie und Lebensmittelpreise tragen die höchste Verantwortung an der Inflation. Öl, Gas, Benzin und Strom sind in Deutschland laut Statistischem Bundesamt 35,6 Prozent teurer als im vergangenen August. Nahrungsmittel kosten 16,6 Prozent mehr.

Die EZB kann die Inflation durchaus eindämmen

Während der Anstieg bei Energieträgern im vergangenen Jahr noch auf eine höhere Nachfrage nach der Pandemie zurückzuführen war, so ist es heute unbestritten das fehlende russische Gas, das die Energiepreise in die Höhe schießen lässt. „Weder die Bundesregierung noch die Zentralbank können etwas an der hohen Inflation ändern, weil die Hauptursache der Krieg in der Ukraine ist“, folgerte DIW-Präsident Marcel Fratzscher in einem Kommentar zur Inflation.

Und während der Ursachen der Inflation unstrittig sind, teilen nicht alle Ökonomen Fratzschers Meinung, dass die EZB an der Inflation nichts ändern könne. Denn gegen hohe Preise durch zu hohe Nachfrage können Zentralbanken durchaus etwas unternehmen. Steigende Zinsen führen nämlich in der Theorie zu einem Rückgang der Nachfrage. Das wiederum zu niedrigeren Preisen, geringeren Lohnanstiegen. Die Menschen erwarten bei höheren Zinsansteigen auch eine niedrigere Inflation, was dazu führt, dass sie ebenfalls keine höheren Löhne fordern, die im Nachhinein auch höhere Preise nach sich ziehen.

„Hätten wir die Zinssätze erhöht, hätte es funktioniert, wie es immer funktioniert“, sagt der Ökonom Ricardo Reis von der London School of Economics im Gespräch mit Capital. „Wir haben jahrzehntelange Erfahrung damit. Wir hätten eine Inflation von vier oder fünf Prozent erreichen können.“ Reis hatte schon im vergangenen Jahr gefordert, die Zinsen zu erhöhen, als die Menschen eine immer höhere Inflation erwarteten. Seiner Meinung nach hätten die Zentralbanken die Inflationserwartungen nicht ernst genug genommen und die zeitweise schnelle Erholung von der Corona-Pandemie unterschätzt, die die Nachfrage im Euroraum in die Höhe getrieben hatte.

Ganz verhindern kann die EZB steigende Preise nicht

Heute aber ergibt sich für die EZB eine schwierigere Situation. Denn durch die steigenden Energiepreise ist auch das Rezessionsrisiko gestiegen. Schon jetzt ist das Konsumklima auf ein Zehn-Jahres-Tief gesunken. Die Konsumausgaben der Deutschen sind ebenfalls stark gefallen in den vergangenen Monaten. In anderen krisengeschüttelten EU-Ländern sieht es nicht unbedingt besser aus. Und Zinserhöhungen bremsen die Konjunktur zusätzlich.

Dennoch hat die EZB angefangen, die Zinsen anzuheben. „Wenn eine Zentralbank die Persistenz der Inflation unterschätzt – wie es die meisten von uns in den letzten anderthalb Jahren getan haben – und wenn sie ihre Politik infolgedessen nur langsam anpasst, können die Kosten erheblich sein“, sagte Isabel Schnabel, die im EZB-Direktorium sitzt und sich noch im vergangenen Jahr für geringere Zinsen einsetzte.

In Zukunft könnte uns also eine Zeit erwarten, in der die Zinsen steigen und viele EU-Länder in eine Rezession stürzen. Die Inflation wäre dann zwar etwas abgebremst. Es könnte aber eine höhere Arbeitslosigkeit geben und die Lohnforderungen würden kaum sehr hoch ausfallen. Die hohen Energiepreise würden jedoch nur etwas zurückgehen, weil die schwächere Wirtschaft und ängstliche Menschen weniger Energie nachfragen. Doch da der Großteil der hohen Energiepreise durch fehlendes Gas aus Russland getrieben wird, also von der Angebotsseite, steht es nicht allein in der Macht der EZB, die Inflation wieder auf geringe Werte nahe des Zwei-Prozent-Ziels zu bringen.

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