Mit Wetter-Vergleichen muss man ja immer vorsichtig sein, weil sie so schnell daneben gehen. Aber an diesem Freitag drängt sich der Vergleich regelrecht auf: Das Wetter in der Finanzstadt Frankfurt? Nasskalt gepaart mit prasselndem Regen, wie Gardinen kleben die grauen Schleier am Morgen am Commerzbank-Tower. Und die Lage im Inneren des Instituts? Maximal trist und trüb.
Das Geldhaus mit dem gelben Logo hat an diesem Freitag offiziell seine neue Strategie vorgestellt, hoch oben im 49. Stock des Turms: So will das Institut etwa seine Tochter Comdirect auf sich verschmelzen, in Summe 2300 Stellen streichen und 600 Mio. Euro Kosten sparen ( der Plan war bereits vergangenen Freitag durchgesickert , wurde aber erst heute offiziell präsentiert, nachdem Vorstand und Aufsichtsrat zugestimmt hatten).
Allein: Die neue Strategie liefert leider einen Vorausblick auf das, was der Republik in den kommenden Monaten und Jahren schwanen könnte: eine veritable Bankenkrise.
Die Ausgangslage für die hiesigen Institute ist im Herbst 2019 besorgniserregend mies, wie die Commerzbank zeigt. In den zehn Jahren seit der Finanzkrise hat es der MDax-Konzern wie viele andere Geldhäuser nicht geschafft, wieder ordentlich profitabel zu werden. Klar, Commerzbank-Chef Martin Zielke bemüht zwar an diesem Freitag die übliche Sprachmelodie, mit der jeder Konzern versucht, aus einer Großbaustelle ein bezugsfertiges Traumhaus zu zimmern.
Commerzbank - kaum Aussichten auf Besserung
So sagt Zielke: „Wir verfolgen weiter eine Wachstumsstrategie“. Und: „Wir erwarten Ertragswachstum“. Natürlich hat es der Redenschreiber auch noch geschafft, Worthülsen wie „zukunftssicher“ und „verantwortungsvoll“ in die Zeilen einzubauen, die Zielke vorliest. Aber was soll der Commerzbank-Chef auch sonst sagen?
Vielleicht: Uns ging es schlecht, uns geht es schlecht – und es wird uns womöglich bald noch schlechter gehen? Zwar will die Commerzbank in diesem Jahr einen Gewinn erzielen, aber die Ertragsprognose für das laufende Jahr hat das gelbe Geldhaus mal wieder kassiert, die Erträge sollen jetzt nicht mehr wie ursprünglich geplant steigen.
Obendrein haben die Frankfurter auch noch ihr Ziel für die Eigenkapitalrendite – der Gradmesser der Branche, um zu beurteilen, wie profitabel ein Institut ist – gesenkt und weit in die Zukunft verschoben: Statt bis 2020 sechs Prozent zu erzielen, sollen jetzt bis 2023 nur noch mehr als vier drin sein, im günstigsten Fall immerhin noch fünf Prozent.
Die ganze Branche taumelt
Dabei hat die Commerzbank seit 2013 Millionen Neu-Kunden gewonnen. Bloß hat das nicht geholfen, sondern die Lage der Bank offenbar nur stabilisiert: In der Privatkundensparte standen 2018 die Neu-Kunden für 850 Mio. Euro Erträge. Gemessen an den 2018er Gesamterträgen des Bereichs von 4,8 Mrd. Euro machen die Neuen damit fast 20 Prozent der Erlöse aus. Das lässt nur einen Schluss zu: Dem Institut ginge es noch viel schlechter, hätte es nicht Unsummen ausgegeben, um die Kunden zu rekrutieren – die leider trotzdem nicht zu substanziell höheren Gewinnen beitragen.
Mit anderen Worten: Die Bank bemüht sich nach Kräften, irgendwie zu wachsen – und kann damit nur noch Schlimmeres abwenden. Welch unmögliche Mission!
Die Commerzbank ist damit nur ein Beispiel für eine ganze Branche, die taumelt: Die Deutsche Bank ist seit Jahren über den Trauerspiel-Status hinaus, weil die Lage derart mies ist. Die Landesbank NordLB dürfte 2019 mal wieder rote Zahlen schreiben, nachdem das Hannoveraner Institut bereits 2016 und 2017 jeweils einen Rekordverlust erwirtschaftet hat.
Die Bausparkassen leeren indes im Spurt-Tempo ihre Notfallfonds . Und einst stolze Privatbanken mit Edel-Kunden aus der Hautevolee schaffen es nur dank Bilanzakrobatik, noch Gewinne zu erzielen (siehe hier der Fall Donner & Reuschel, den der Branchendienst Finanz-Szene aufgedeckt hat ).
... und jetzt schmiert auch noch die Konjunktur ab
Die Beispiele lassen sich nicht als Einzelfälle abheften, wie der kürzlich veröffentlichte Monatsbericht September der Bundesbank zeigt. Darin haben die Währungshüter analysiert, wie es um die hiesigen Institute bestellt ist. Ergebnis: Die Gesamtkapitalrendite ist im Schnitt mit 0,23 Prozent so niedrig, dass die Banken diesen Wert zuletzt nur in der Finanzkrise unterschritten haben. Und jetzt könnte es noch schlimmer kommen.
Dabei ist der Kanon der Probleme für die hiesigen Institute ja ohnehin schon groß: Da sind die Strukturbrüche wie das Verschwinden des Zinses und die Digitalisierung, letztere verändert das Kundenverhalten massiv. Hinzu kommen die mörderische Konkurrenz am deutschen Bankenmarkt und eine fast schon antike IT der Institute, die sich nur mit vielen Millionen Euro erneuern lässt. Zudem kriegen die Geldhäuser ihre Kosten nicht in den Griff – und jetzt macht auch noch die Wirtschaftslage Ärger.
Die Konjunktur ruckelt und stottert immer stärker, für das laufende Jahr erwartet der Industrieländerclub OECD nur noch ein globales Wirtschaftswachstum von weniger als drei Prozent, der niedrigste Wert seit der Finanzkrise. Deutschland könnte sogar in eine Rezession abdriften.
Vorzeichen für ein Unwetter
Damit könnte der seit zehn Jahren währende Boom enden, der eine Folge der Niedrigzinsen ist. Die Mikrozinsen haben die Banken also nicht nur belastet, sie haben sie teils auch entlastet. Der Dauer-Aufschwung hat dazu geführt, dass die Institute weniger Geld für ausfallgefährdete Kredite zurücklegen mussten. Schließlich können derzeit fast alle Bankkunden ihre Verbindlichkeiten bedienen.
Das dürfte sich jetzt drehen: Weniger Verbraucher und Firmen werden ihre Schulden zurückzahlen können, die sogenannte Risikovorsorge für ausfallgefährdete Kredite steigen. Der Commerzbank hat es bereits die Halbjahreszahlen 2019 verhagelt, weil sie wieder mehr Geld zurücklegen musste – wenngleich der Wert immer noch niedrig ist.
Der Bundesbank-Monatsbericht dient da nur als weiteres Indiz dafür, wie viel dreckiger es den Instituten noch gehen könnte: So fiel der Jahresüberschuss vor Steuern aller deutschen Banken 2018 auf 18,9 Mrd. Euro, nachdem es im Vorjahr noch 27,5 Mrd. Euro waren. Dafür ursächlich ist unter anderem, dass die Finanzmärkte Ende vergangenen Jahres eingebrochen und die Institute für diesen Posten mehr Geld zurücklegen mussten. Zudem belasteten bei einzelnen Instituten Schiffskredite die Bilanz.
Die Schlussfolgerung: Ein einziges durchwachsenes Jahr mit Kurssturz – immerhin lief die Konjunktur 2018 noch ordentlich, während kaum Kredite ausfielen – reicht offenbar aus, damit der Überschuss binnen eines Jahres um 30 Prozent in die Tiefe rauscht. Die Frage ist also, wie stark die ohnehin niedrigen Ergebnisse erst fallen werden, wenn aus einem Jahr mehrere werden, die dann nicht nur durchwachsen, sondern mal richtig schlecht ausfallen. Was passiert, wenn nicht nur die Kurse an den Finanzmärkten abstürzen, sondern auch deutlich mehr Kredite ausfallen?
Der Dauerregen am Freitagmorgen ist insofern nur als Vorzeichen für das Unwetter zu sehen, das über den hiesigen Banken heraufzieht. Wie passend, dass der Deutsche Wetterdienst für die kommenden Tage den ersten Herbststurm erwartet.