Alles läuft gut bei Liebherr, wie man in der letzten Woche bei der Vorstellung des Geschäftsberichts 2023 erfahren konnte. Die Umsätze steigen, das Auftragspolster wächst, die Gewinne legen zu. Auch das Geschäft in Russland trägt sein Scherflein dazu bei. Wie viel? Das erfahren wir nicht aus dem 88-seitigen Konzernbericht des Baumaschinenherstellers. Die Umsätze mit russischen Unternehmen verstecken sich in der Spalte „Nicht-EU Länder“, die immerhin 1,4 Mrd. Euro ausweist. Das Wort Russland fällt in dem Bericht nur ein einziges Mal – auf Seite 60. Dort listet Liebherr seine Landesgesellschaften in Europa auf. In Russland residieren gleich fünf Tochterunternehmen – unter anderem auch ein Werk für die Herstellung von Flugzeugkomponenten.
Unmittelbar nach dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022 hörte man von den Familiengesellschaftern, denen der Konzern vollständig gehört, sie wollten ihr Russland-Geschäft trotz aller Bedenken fortführen. Später hieß es, man gehe sehr „restriktiv“ mit russischen Aufträgen um, die Mitarbeiterzahl sei gesunken, man stelle bestimmte Geschäfte sogar „nahezu ganz“ ein. Genaue Zahlen aber hörte man von Liebherr niemals. Bis heute nicht. Und auch sonst schweigen die Eigentümer und Manager lieber über Russland.
Man muss schon indirekte Quellen nutzen, um Hinweise auf das Russland-Geschäft des Konzerns zu finden. So ganz schlecht kann es nicht laufen, sonst würde Liebherr in Russland nicht neues Personal suchen. Die russische Jobbörse HH listet gleich 60 offene Stellen auf – vom Automechaniker über den Verkaufsmanager bis hin zu 34 Servicemitarbeitern. Vor allem das Projekt Elga – ein Kohletagebau in der Region Jakutien im äußersten Nordosten – setzt offenbar massenhaft Gerätschaften von Liebherr ein.
Erregungswellen kommen und gehen
Die Auftragsbücher füllen, soweit es die westlichen Sanktionen möglich machen, und ansonsten nicht über Russland reden. Das ist nicht nur die Devise bei Liebherr, sondern bei vielen deutschen Firmen, die immer noch gutes Geld im Reich Wladimir Putins machen. Den Unternehmen ist durchaus klar, dass ihr Geschäft im dritten Kriegsjahr moralisch höchst angreifbar ist und überdies auch noch die Umsätze in anderen Ländern gefährden könnte, die nicht mehr mit Russland zu tun haben wollen. Deshalb schweigen sie ja. Und sie kommen damit auch erstaunlich gut durch. Immer mal wieder flackern in den Medien Berichte über deutsche Firmen auf, die sich nicht aus Russland zurückziehen. So zuletzt über Unternehmen wie den Gips-Hersteller Knauf, der kräftig in die russisch besetzten Gebiete der Ukraine liefert. Auch in das völlig zerstörte Mariupol, das zum Symbol für die menschenfeindliche Zerstörungswut der Russen geworden ist.
Insgesamt aber geht das Interesse an solchen Meldungen in der deutschen Öffentlichkeit merklich zurück. Auch in diesem Fall scheint das Kalkül Putins mehr oder weniger aufzugehen. Der ehemalige KGB-Agent weiß: Die Erregungswellen kommen und gehen in den westlichen Ländern. Und irgendwann vergisst man alles. Darauf verlassen sich auch Unternehmen wie Liebherr.