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Nahrung Warum eine globale Reis-Knappheit droht

Die Reisernte wird in diesem Jahr aufgrund der Extremwetterereignisse geringer ausfallen
Die Reisernte wird in diesem Jahr aufgrund der Extremwetterereignisse geringer ausfallen
© IMAGO/Panthermedia
Für mehr als drei Milliarden Menschen auf der Welt ist Reis ein Grundnahrungsmittel. Angebaut werden die kleinen Körner fast ausschließlich in Asien. Doch die Produzenten in Indien exportieren keinen weißen Reis mehr. Vor allem der globale Süden könnte darunter leiden

Für mehr als drei Milliarden Menschen auf der Welt ist Reis ein Grundnahrungsmittel. Angebaut werden die kleinen Körner fast ausschließlich in Asien. Doch die Produzenten in Indien exportieren keinen weißen Reis mehr. Vor allem der globale Süden könnte darunter leiden.

In vielen deutschen Gerichten spielt Reis, wenn er überhaupt vorkommt, nur die Nebenrolle. Doch für ein Drittel der Weltbevölkerung sind die kleinen Körner Lebensgrundlage: Für über drei Milliarden Menschen weltweit ist Reis ein Grundnahrungsmittel.

Der wichtigste Reis-Exporteur ist Indien. Das bevölkerungsreichste Land der Welt ist für etwa 40 Prozent der weltweiten Lieferungen für den Weltmarkt zuständig. Doch große Mengen dieser Lieferungen werden in Zukunft fehlen: Die indische Regierung hat den Export von weißem Reis gestoppt. Weißer Reis ist „polierter Reis“. Ähnlich wie bei weißem Mehl wurde dabei die Silberhaut und die Samenschale darunter entfernt. Diesen weißen Reis essen die meisten Menschen in Indien. Für Basmati-Reis gilt das Exportverbot nicht.

„Indien versucht damit, die Inlandspreise niedrig zu halten, um insbesondere den ärmeren Bevölkerungsschichten das zentrale Grundnahrungsmittel Reis zu niedrigen Preisen zur Verfügung zu stellen“, sagt Daniel Müller, Agrarökonom und stellvertretender Leiter der Abteilung Strukturwandel am Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien, im ntv-Podcast „Wieder was gelernt“.

Reispflanzen im Hitzestress

Indien hat vergangenes Jahr 131 Millionen Tonnen Reis produziert. Das war zwar etwas mehr als im Jahr davor, in dem 129,5 Millionen Tonnen geerntet wurden, aber weniger als erwartet. Zunächst gab es 2022 eine Hitzewelle, danach war es viel zu trocken. 13 Prozent der Reisernte gingen verloren. Im Herbst hat ein ungewöhnlich heftiger Monsun einen Großteil der Ernte vernichtet.

Deshalb hat Indien schon im vergangenen Herbst beschlossen, keinen Bruchreis - Reiskörner, die bei der Verarbeitung zerbrechen - mehr ins Ausland zu exportieren. Für weißen Reis wurde ein Ausfuhrzoll von 20 Prozent eingeführt. Das Land hat auch den Export von Weizen und Zucker eingeschränkt.

Auch dieses Jahr ist der Reisanbau problematisch für die Bauern. Die jungen Reispflanzen würden die extreme Hitze in Verbindung mit dem El Niño nicht gut vertragen, erklärt Müller. „Die optimale Temperatur für den Reis liegt zwischen 25 und 35 Grad. Temperaturen, die darunter, aber auch darüber liegen, wirken sich negativ auf die Physiologie und den Ertrag der Pflanzen aus. Die Wurzeln wachsen schwächer, Triebe und Pollen bilden sich nicht richtig aus.“ Er rechnet für die kommende Ernte mit einem geringeren Ertrag.

Ernterückgänge durch Wetterextreme in China

Andere große Reis-Nationen können bei der Versorgung nicht einspringen. Reis wird fast komplett in Asien produziert, zu etwa 90 Prozent. China ist der größte Reisproduzent der Welt, Indien folgt auf Platz zwei. Doch in China ist das Wetter ähnlich extrem wie in Indien. Seit Juni ächzen weite Teile Chinas immer wieder unter Rekordtemperaturen von teils über 40 Grad, unter anderem in Peking. Am 16. Juli wurde in der kleinen Gemeinde Sanbao im Nordwesten sogar eine nationale Rekordtemperatur von 52,2 Grad gemessen.

Nicht nur die Hitze setze Chinas Reis-Hauptanbauregionen unter Druck, es komme auch immer häufiger zu Flutkatastrophen und Starkregen, erklärt Agrarökonom Müller im Podcast. „All diese Faktoren können die Getreideproduktion, nicht nur Reis, auch Weizen, negativ beeinflussen. Deshalb ist auch China stark vom Klimawandel beeinträchtigt und wird vermutlich mit Ertragsrückgängen umgehen müssen.“

China allerdings nutzt den im Land geernteten Reis größtenteils selbst. Wenn die Chinesen weniger Körner ernten, müssen sie auf dem Weltmarkt zukaufen. Das sorge für eine Verknappung, sagt Müller.

El Niño wütet in Reis-Anbauländern

Weitere wichtige Reis-Anbauländer sind Indonesien, Vietnam, Thailand, die Philippinen und Myanmar. Aber auch diese haben mit Extremwetter und daraus resultierenden Ernteeinbußen zu kämpfen. Temperaturen von deutlich über 40 Grad sind zu viel für Mensch und Natur. Schuld daran ist auch El Niño. Das Wetterphänomen ist Anfang Juli im tropischen Pazifik angekommen - zum ersten Mal seit sieben Jahren. In vielen Reisanbaugebieten droht eine Dürre.

„Das ist eine Hauptgefahr des Klimawandels, dass es in verschiedenen Hauptanbauregionen eines bestimmten Grundnahrungsmittels gleichzeitig zu Wetterschocks kommt und es dadurch zu massivem Rückgang der globalen Erntemenge kommt. Und dann könnten natürlich die Preise substantieller steigen, als wenn jetzt nur Indien seine Reisexporte einschränkt“, analysiert Müller im „Wieder was gelernt“-Podcast.

Die Preise für Reis können anziehen, weil weniger Reis auf dem globalen Markt zur Verfügung steht. Schon jetzt sind die Weltmarktpreise auf dem höchsten Stand seit elf Jahren.

Afrika von Reispreisen abhängig

Die stark steigenden Preise sind ein großes Problem vor allem für arme Länder, unter anderem in Afrika. Benin, der Senegal, die Elfenbeinküste und Togo in Westafrika gehören neben China zu den Haupt-Abnehmern von indischem Reis. Auch in vielen afrikanischen Ländern ist Reis ein Grundnahrungsmittel, weiß Müller.

Selbst ein geringer Preisanstieg von Grundnahrungsmitteln wie Reis sei bereits fatal, da die Bevölkerung südlich der Sahara einen viel höheren Anteil ihres Haushaltsbudgets für Nahrungsmittel ausgebe als wir, so der Agrarexperte. „Oft liegt er bei 50, 70 Prozent, im Gegensatz zu vielleicht 10 Prozent in Deutschland.“

Und Afrika steht dazu auch noch vor steigenden Getreidepreisen. Weil Russlands Staatschef Wladimir Putin das Getreideabkommen für ukrainisches Getreide nicht verlängert hat, warnen afrikanische Länder und die UN vor einer Lebensmittelkrise. Vor allem armen Ländern drohen nun Lieferausfälle und hohe Preise.

Dieser Artikel ist zuerst bei n-tv.de erschienen.

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