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Die Stunde Null Wie eine Chemiefirma Medikamente wieder in Europa produzieren lassen will

Sonja Jost von Dude Chem
Sonja Jost von Dude Chem
© PR
„Grüne Chemie“ ist das Prinzip der Unternehmerin Sonja Jost von Dude Chem. Ihr Credo: Wirkstoffe für Generika lassen sich in Europa kostengünstiger als in Asien herstellen – und auch mit einem besseren ökologischen Fußabdruck

CAPITAL: Ihr Unternehmen will die Produktion von Wirkstoffen für Medikamente nach Europa zurückholen. Das klingt nach einem sehr großen Plan – wie soll das funktionieren?
SONJA JOST: Man sollte sich zunächst einmal anschauen, wie die Wirkstoffproduktion eigentlich ausgelagert wurde. Ein Großteil ist nach Asien gegangen, natürlich, um Kosten einzusparen. Wie ist das passiert? Grob gesagt wurde die alte dreckige Chemie in Asien gemacht, mit niedrigeren Personalkosten und geringeren Umweltstandards. Und wir sagen: Man kann auch Kosten einsparen, indem man eine neue, innovative Chemie einsetzt, also indem man ändert, was in der Produktion passiert. Das ist nicht aus den Wolken gefallen, sondern da stecken Jahrzehnte an Forschungstätigkeit in Deutschland und Europa dahinter.

Das heißt: Es soll sowohl kostengünstiger als auch sauberer als in Asien produziert werden. Sie sprechen ja von grüner Chemie. Das ist erst einmal schwer zu glauben.
Es ist interessant, wo diese Überzeugung herkommt, dass Umweltstandards immer mit höheren Kosten verbunden sein müssen. Der Grund ist, dass wir von einem bestimmten Standard ausgehen und keine Innovationen berücksichtigen. In der Vergangenheit war die Chemie im Kern Erdöl-basiert. Das ist im Grunde ziemlich teuer, aber das Verfahren ist über die Zeit hin kostengünstiger geworden, weil es in riesigen Anlagen stattfand. Die grüne Chemie hat eine komplett andere Herangehensweise. Sie arbeitet mit zwölf Prinzipien, einer Art Handwerkskasten, bei dem weniger Abfall entsteht und weniger Energie eingesetzt wird. Das aber ist ein Set, mit dem sich auch Kosten einsparen lassen.

Dude Chem produziert aber nicht selbst?
Nein. Unser Geschäftsmodell beruht darauf, dass Pharma- und Generika-Unternehmen zu uns kommen, wenn sie einen bestimmten Wirkstoff brauchen, aber gerne einen europäischen Zulieferer dafür hätten. Viele vertrauen ja den globalen Lieferketten nicht mehr, weil es in der Pandemie Exportstopps aus Indien gab. Wir haben ein Netzwerk von mehr als 30 europäischen Lohnherstellern aufgebaut, die für uns im Auftrag produzieren. Das bedeutet: Wir entwickeln den nachhaltigen und kostengünstigeren Produktionsprozess und liefern den Herstellern eine Art Kochrezept.

Gibt es dafür schon Beispiele?
Wir waren in der Lage, eine Wirkstoffproduktion aus Indien zurückbringen und einem großen bekannten Generika-Unternehmen einen günstigeren Preis anzubieten – mit innovativen Produktionsverfahren. Einen Namen darf ich noch nicht nennen, das wird aber hoffentlich bald möglich sein. 

Wir haben in Deutschland den Aufstieg von Biontech gesehen, in Dänemark ist Novo Nordisk sehr erfolgreich mit einem Diabetes-Präparat, das in der Gewichtsreduktion eingesetzt wird. Ist da gerade eine Branche im Aufbruch?
In der Branche ist total viel los, es passiert sehr viel an Innovation. Wir müssen allerdings differenzieren, was Lifestyle-Medikamente sind und was für die Versorgung der Bevölkerung wirklich gebraucht wird. Und dazu muss man wissen, dass 80 Prozent der Versorgung über Generika stattfindet. Das sind also eingeführte Medikamente, bei denen das wichtigste ist, dass die Versorgung sicher gestellt wird. Pharmaunternehmen sind oft innovativ in der Wirkstoffentwicklung, lassen dann aber die Wirkstoffe in Asien produzieren. Für den Ort der Herstellung und damit die Versorgungssicherheit fühlen sie sich nicht verantwortlich.

Hören Sie in der neuen Folge von „Die Stunde Null“,

  • wie Wirkstoffe bei Dude Chem konzipiert werden,
  • warum Wasser in der Chemie Erdöl ersetzen kann,
  • weshalb in Deeptech-Startups zu wenig Investitionen fließen.

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