Zwischen der hochtrabenden Bewertung durch private Kapitalgeber und der begrenzten öffentlichen Wahrnehmung der Marke gab es bei Omio, dem 2013 gegründeten Berliner Reiseportal, immer schon eine Diskrepanz. 2018 gehörte Omio zu den ersten deutschen Start-ups, die mit einer Unternehmensbewertung von 1 Mrd. Dollar geadelt wurden, gleichzeitig blieb Omio von der Bekanntheit anderer Endkundenmarken der gleichen Start-up-Generation wei etwa Hellofresh, Zalando oder Lieferando weit entfernt.
Zu tun haben dürfte das mit der Coronapandemie, die den Reisesektor lahmlegte und Omio in einer Phase, in der globales Wachstum auf der Agenda stand, in eine tiefe Krise stürzte. Aber auch ein Namenswechsel – bis 2019 firmierte das Unternehmen als Goeuro – half nicht – im Geschäftsbericht für das betreffende Jahr bilanzierte Gründer und CEO Naren Shaam, für einen Abfall der Besucherzahlen auf der Website seien „der Markenwechsel und damit verbundene Effizienzverluste bei der Markenbekanntheit und Kundenwerbung“ verantwortlich gewesen.
Vom Ziel, eine globale Endkundenmarke zu etablieren, scheint sich das Unternehmen nun offenbar zunehmend zu verabschieden. Stattdessen steht das Geschäft mit Unternehmenskunden im Fokus: Wie Shaam gegenüber Capital erklärte, wachse das 2021 gelaunchte B2B-Business inzwischen mit 200 Prozent pro Jahr. Dabei lizensiert Omio seine Plattform mit Zug-, Bus- und Flugtickets an mehr als ein Dutzend andere Anbieter wie etwa Uber oder die britische Eisenbahngesellschaft LNER.
Das Geschäft mit Endkunden laufe weiter und entwickle sich gut, man verzichte aber auf große Marketingkampagnen, so Shaam. „Wir wollen, dass mehr Menschen überall auf der Welt buchen können – was nicht heißt, dass wir alle Kunden selbst anlocken müssen.“ Gleichzeitig ist Omio in diesem Jahr in drei skandinavische Märkte expandiert und hält zudem an seiner zweiten Endkundenmarke fest, der 2019 übernommenen australischen Reisesuchmaschine Rome2Rio. Mit verfügbaren Verbindungen von 12.000 Anbietern aus 180 Ländern sei Rome2Rio als Reiseplaner höchst erfolgreich, Omio werde hingegen eher als Ticketportal genutzt.
98 Prozent des Umsatzes verloren
Vom Zusammenbruch des Reisemarkts durch die Coronapandemie hat sich Omio offenbar weitgehend erholt. Wie aus dem jüngsten verfügbaren Geschäftsbericht hervorgeht, kletterte das Buchungsvolumen 2023 auf 665,1 Mio. Euro – im Vorjahr hatte es noch bei 483,5 Mio. Euro gelegen, 2021 waren es nur 188,8 Mio. Euro. Das Omio-Geschäft sei nun „ungefähr 3,5-mal so groß wie vor Corona“, sagt Shaam. 20 Millionen Menschen würden dieses Jahr mithilfe des Berliner Start-ups reisen, 80.000 bis 90.000 Tickets verkaufe man pro Tag.
Während der Pandemie musste die Firma Mitarbeiter entlassen und zweimal Kurzarbeit anmelden. „98 Prozent des Umsatzes“ seien damals verloren gegangen, berichtet der Gründer. „Wir hatten fast zwei Jahre voller schlafloser Nächte.“ Gleichzeitig habe das die Firma gezwungen, diszipliniert auf Kapitaleffizienz umzustellen „um finanzielle Stabilität zu erreichen“. Heute hat Omio wieder gut 400 Mitarbeiter.
Laut dem Geschäftsbericht hat das Start-up, das zuletzt 2022 80 Mio. Dollar von Investoren bekam, 2023 einen Kredit über 50 Mio. Dollar aufgenommen sowie Anfang 2024 ein zusätzliches Funding über 14 Mio. Euro bekommen. Omio sei nun „finanziell unabhängig“, so Shaam. „Wir gehen jetzt zurück in den Expansionsmodus.“ Langfristig sei zudem ein Börsengang in Planung – gerade sei der IPO-Markt allerdings „nicht sehr gut“.