Verbraucher Paketversand: Kann ich noch mit gutem Gewissen online einkaufen?

Der Online-Handel wächst und mit ihm der Versand von Paketen
Der Online-Handel wächst und mit ihm der Versand von Paketen
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Während der Online-Handel wächst, nimmt auch die Kritik am Versand der Waren zu. Kann man also noch mit gutem Gewissen online einkaufen?

Die Begeisterung der Deutschen für den Online-Handel ist ungebrochen. Das macht sich auch beim Paketversand bemerkbar. Laut der „KEP-Studie 2019“ des Bundesverbands Paket & Expresslogistik (BIEK) ist die Anzahl der Sendungen im Vergleich zum Vorjahr um fast fünf Prozent auf 3,52 Milliarden Sendungen gestiegen. Vier von fünf Sendungen waren dabei Paketsendungen, die meisten davon gingen an Endverbraucher, heißt es weiter.
Das lag zu einem Großteil am immer weiter wachsenden Online-Handel.

Die Paketbranche stellt der Anstieg vor neue Probleme: Einerseits steigert die hohe Nachfrage die Arbeitsbelastung der Zusteller, andererseits nimmt mit dem wachsenden Lieferverkehr auch der CO2-Ausstoß zu. Immer wieder stehen Paketdienstleister deshalb in der Kritik.

Verschärfte Arbeitsbedingungen wegen Kostenlos-Versand

Während die Zustellungen zunehmend steigen, sinkt der Verdienst der Paketboten immer weiter. Von 2007 auf 2017 fiel das durchschnittliche Bruttogehalt auf 2478 Euro und damit um 13 Prozent . Der BIEK kritisiert außerdem die geringe Wertschätzung gegenüber vielen Paketboten: „Der „kostenlose Versand“ ist dafür ein wichtiger Grund: Was nichts kostet, ist den Verbrauchern offenbar auch nichts wert“, sagt Verbandssprecherin Elena Marcus-Engelhardt.

Doch auch der enorme Wettbewerbsdruck hat Einfluss auf die Paketpreise und erschwert Arbeit der Paketzusteller. Der kostenlose Rückversand und mehrmalige kostenlose Lieferversuche verschärfen die Lage zusätzlich. „Es ist doch vollkommen klar, dass sich das auf die Löhne und Arbeitsbedingungen der Zusteller auswirkt“, sagt Maik Brandenburger, Sprecher der Fachgewerkschaft DPVKOM. Er rechnet deshalb mit einer Trendwende: „Über kurz oder lang werden höhere Preise auf den Kunden zukommen, da die Paketzustellung zu Dumpingpreisen nicht kostendeckend funktioniert.“

Auch das gehört zum Paketboom: Lieferwagen von GLS und DPD liefern gleichzeitig in derselben Straße aus
Wagen der Paketdienstleister GLS und DPD liefern gleichzeitig in derselben Straße aus
© VanGore / CC BY-SA 3.0

Noch tragen einige Arbeitgeber der Branche die günstigen Preise aber mit. Das hat wiederum Folgen für die Arbeitsbedingungen der Paketboten. „Ein großes Problem in der Branche ist das Subunternehmertum. Es ist nämlich häufig der Fall, dass Subunternehmer die Aufträge ihrerseits an Subunternehmen weitergeben. Hier kann dann kaum noch kontrolliert werden, ob der Mindestlohn auch tatsächlich bei den Beschäftigten ankommt. Das liegt nicht zuletzt an dem fehlenden Personal im Bereich der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS)“, sagt Brandenburger.

Auch Verdi-Vorsitzender Frank Bsirske hatte die Branche Anfang des Jahres aus ähnlichen Gründen kritisiert. Zuvor hatte der Zoll in einer bundesweiten Untersuchung mehr als 12.000 Fahrer von Paket-, und Kurierdienstleistern nach ihren Arbeitsbedingungen befragt.

Debatte um Nachunternehmerhaftung

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hatte daraufhin angekündigt, das Konzept der Nachunternehmerhaftung auf die Versandbranche auszuweiten. Schon jetzt haften Arbeitgeber – auch in der Paketbranche – dafür, dass ihre unabhängigen Vertragspartner den Arbeitnehmern Mindestlohn zahlen. In dem geplanten Gesetzesentwurf sollen Dienstleister künftig auch für die Zahlung von Sozialabgaben verantwortlich sein.

Der BIEK, der zu seinen Mitgliedern die Paketdienstleister Hermes, UPS, DPD und GLS zählt, kritisiert dagegen die pauschale Verurteilung der Branche und beruft sich auf den Zwischenbericht der Zolluntersuchung im Februar. „In aller Deutlichkeit: Jeder Verstoß ist einer zu viel – jedoch sollte bei einem Anteil von 0,2 Prozent der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden“, so Marcus-Engelhardt.

„Faire Arbeitsbedingungen, die Sicherung hoher Sozialstandards und ein gutes Arbeitsumfeld sind zentrale Faktoren für unsere Mitgliedsunternehmen. Sie halten sich selbstverständlich an bestehende gesetzliche Regelungen und erwarten dies auch von ihren Vertragspartnern“, sagt Marcus-Engelhardt weiter. Verstöße gegen diese Regelungen „werden nicht toleriert.“ Außerdem unterstützten der BIEK und seine Mitglieder alles, was gute Arbeitsbedingungen fördert und befassten sich zurzeit intensiv mit dem Thema Präqualifizierung.

Das Gesetz zur Nachunternehmerhaftung sei vielmehr „Wahlkampfaktionismus“. „Unternehmen können die wichtige Rolle der Aufsichtsbehörden nicht ersetzen“, sagt Marcus-Engelhardt. Die Durchsetzung und Kontrolle geltender Regeln erfordere vielmehr ein hoheitliches Handeln durch die Zollbehörden.

Tipps für den Verbraucher

Aber welcher Paketbote arbeitet zu fairen Bedingungen – und welcher nicht? „Für den Einzelkunden ist das schwierig zu erkennen. Er müsste sich gezielt darüber informieren, zum Beispiel durch unabhängige Verbrauchertests zu Paketdienstleistern“, sagt Brandenburger.

Die Mitgliedsunternehmen des BIEK geben außerdem gerne Auskunft zu diesem Thema, so Marcus-Engelhardt: „Allgemeine Informationen zum Thema Arbeitsbedingungen finden sich zum Beispiel auf den Websites der Paketdienstleister oder können auf den Social-Media-Kanälen erfragt werden.“

Wer ohne große Recherche auf Nummer sicher gehen will, sollte sich an den Versand von DHL halten. „Die Deutsche Post DHL ist nach wie vor das Unternehmen mit den besten Arbeitsbedingungen. Hier wird nach Tarifvertrag und deutlich über dem gesetzlichen Mindestlohn gezahlt“, erklärt Brandenburger. Außerdem werden 98 Prozent der Pakete nach eigenen Angaben von Angestellten geliefert.

Nachhaltigkeit beim Versand

Hinsichtlich der Nachhaltigkeit von Versand sieht es dagegen schon besser aus. Die Zahl der E-Fahrzeuge im Versand nimmt zu. Laut BIEK waren 2016 drei Prozent der Flotte Elektrofahrzeuge. DHL und Streetscooter wollen 2020 sogar den ersten E-Lieferwagen auf den Markt bringen.

Alle großen Paketdienstleister bieten außerdem den „klimaneutralen Versand“ an. Dabei wird das ausgestoßene CO2 in Umweltprojekten an anderer Stelle eingespart. Die deutsche Umwelthilfe kritisiert allerdings, dass die ausgestoßenen Stoffe trotzdem in die Atmosphäre gelangen – auch wenn man an anderer Stelle einspart.

Bei der Menge an CO2-Ausstoß ist aber nicht nur der Paketdienstleister gefragt: Hier kommt es vor allem auf das Kaufverhalten des Einzelnen an. Im Schnitt verbraucht die Lieferung für ein Paket etwa 600 Gramm. Eine durchschnittliche Einkaufsfahrt ist dagegen viermal so hoch. Oft geht diese Gleichung aber nicht auf: Denn allein sechs Prozent aller Lieferungen werden wieder zurückgeschickt, zeigt eine Studie der Uni Bamberg .

Tipps für Shopping mit gutem Umwelt-Gewissen:

Wem der ökologische Fußabdruck und die Arbeitsbelastung des Paketboten wichtig sind, sollte beim Online-Shopping auf seine Bestellgewohnheiten achten:

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