Nach mehreren Beiträgen über das Scheitern seines Präsidentschaftswahlkampfs, griff Donald Trump am Sonntag die Medien an. „Wenn die ekelhaften und korrupten Medien ehrlich über mich berichten und meine Worte nicht falsch interpretieren würden, würde ich Hillary mit 20% schlagen“, behauptet Mister Trump bei Twitter.
Mister Trump hat richtig erkannt, dass die meisten Medien ihn verlieren sehen wollen, aber das traf auch auf George W. Bush, George H.W. Bush und Ronald Reagan zu. Es trifft auf jeden republikanischen Präsidentschaftskandidaten zu. Der Unterschied ist, dass Mister Trump es sowohl den Medien als auch seinen Gegnern so leicht macht.
Lieber TV-Shows als Briefings
Die neuesten Geschichten stimmen mit dem überein, was von Quellen zu hören ist, die der Trump-Kampagne nahestehen. Mister Trumps Berater und seine Familie möchten, dass der Kandidat eine einheitliche Botschaft vermittelt, die für Veränderung wirbt. Sie möchten, dass er diszipliniert ist. Sie wollen, dass er sich auf Wirtschaftswachstum konzentriert, auf steigende Löhne und den Kampf gegen den Terrorismus.
Sie finden, er sollte aus der Wahl eine Abstimmung über Hillary Clinton machen, nicht über sich selbst. Und sie wollen, dass er sich jeden Tag ein bisschen Zeit dafür nimmt – wenigstens eine halbe Stunde – sich mit den Angelegenheiten zu befassen, die er verstehen muss, wenn er Präsident sein wird.
Ist das so schwer? Anscheinend schon. Mister Trump schaut lieber TV-Shows als ein Briefing zu lesen. Er denkt, derselbe Schnellschuss-Style, der eine Mehrheit der Republikaner in den Vorwahlen überzeugt hat, kann auch die Republikaner und Unabhängige überzeugen, die sich fragen, ob er das Temperament dazu hat, Oberbefehlshaber zu sein.
Er denkt, auch die Menschenmengen bei seinen Wahlkampfveranstaltungen sind ein Ersatz für einen Mangel an Organisation und eine fehlende Wahlkampfstrategie. Und er denkt, dass Twitter und Social Media wieder gut machen können, dass er sich in den Swingstates mit 100 Millionen Dollar verausgabt hat.
Das alles in einem Jahr, in dem die Republikaner gewinnen sollten
Mittlerweile sollte klar sein, dass nichts davon funktioniert. Es ist offensichtlich für viele Berater, die im Übrigen auch die Quellen für die kritischen Artikel sind. So etwas passiert in schwächelnden Wahlkampfkampagnen. Der Unterschied aber ist, dass es mit den Schuldzuweisungen normalerweise im Oktober losgeht, nicht mitten im August.
Diese Geschichten erscheinen jetzt, weil die Umfragen zeigen, dass Mister Trump auf dem besten Wege ist, ein erfolgversprechendes Rennen zu verlieren. Er verliert gerade in allen wichtigen Bundesstaaten, in manchen, wie New Hamphire, sogar zweistellig. Die Industriestaaten im mittleren Westen, die er locker gewinnen wollte – Wisconsin, Pennsylvania – haben sich deutlich Richtung Hillary Clinton bewegt.
Noch unheilvoller ist es, dass es in Bundesstaaten, die von John McCain und Mitt Romney gewonnen wurden, knapper wird als es sein sollte. Wenn Mister Trump es nicht schafft, Georgia, Arizona und sogar Utah bis September zu halten, wird eine erdrutschartige Niederlage nur all zu wahrscheinlich.
Das tragische daran ist, dass das alles in einem Jahr passiert, in dem die Republikaner gewinnen sollten. Der Politikwissenschaftler Alan Abramowitz hat Jahre damit verbracht, sein „Zeit für Veränderung“-Prognosemodell zu entwickeln. Das Modell untersucht den Anteil des Wachstums der Republikanischen Partei im zweiten Quartal eines Wahljahres (1,2 Prozent in diesem Jahr), die Zustimmungsraten des amtierenden Präsidenten und den Wunsch der Wählerschaft nach Veränderung nachdem eine Partei für acht Jahre im Weißen Haus gewesen ist.
Kein Modell ist perfekt, aber das von Herrn Abramowitz hat die Gewinner jeder Präsidentschaftswahl seit 1988 vorausgesagt. Sein Modell besagt, dass Donald Trump mit 51,4% einen knappen Sieg erringen wird. Ein Mainstream-Republikaner, der einen vernünftigen, kompetenten Wahlkampf führt, würde ungefähr eine 66%ige Gewinnchance haben.
Nominierung abgeben
Herr Trump hat seine Partei vor den Kopf gestoßen und führt keinen kompetenten Wahlkampf. Frau Clinton ist die zweitunbeliebteste Präsidentschaftskandidatin der Geschichte – nach Herrn Trump. Doch statt Wähler zu beschwichtigen und zu versuchen sein Image aufzupolieren, verbrachte der New Yorker die letzten drei Wochen damit, seinen Kritikern noch mehr Munition zu liefern.
Obwohl noch mehr als 80 Tage bleiben, schließt sich das Fenster für eine Kehrtwendung für Mister Trump. In Anbetracht der lebenslangen Angewohnheiten schien der „Trump Pivot“ immer unglaubwürdig, aber Mister Trump hat es den Republikanern versprochen. „Irgendwann werde ich so präsidial sein, dass ihr alle so gelangweilt sein werdet und ich werde zurück kommen als präsidiale Person und anstelle von 10 000, werde ich 150 Leute haben und sie werden sagen, Mann, er sieht wirklich aus wie ein Präsident“, sagte er im April.
Diejenigen, die Trump Wählern der Republikanischen Partei als den Mann verkauft haben, der Hillary Clinton besiegen kann, erleben jetzt die Stunde der Wahrheit. Chris Christie, Newt Gingrich, Rudy Giuliani, Paul Manafort und die Talk Radio-Rechte haben Republikanern erzählt, ihr Mann könnte die Gelegenheit beim Schopf packen.
Wenn sie Mister Trump nicht bis zum Labor Day dazu bringen, sein Verhalten zu ändern, haben die Republikaner keine andere Wahl, als ihren Kandidaten als hoffnungslosen Fall abzuschreiben und sich darauf zu konzentrieren, den Senat, das Repräsentantenhaus und andere Wahlen zu retten.
Herr Trump selbst muss aufhören, alle anderen zu beschuldigen und sich entscheiden, ob er sich wie jemand benehmen will, der Präsident werden will – oder die Nominierung an Mike Pence abgeben.
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