Es war eine Geschichte unterschiedlicher Vorbereitungen. Die Leute dachten Donald Trump würde mit den Erwartungen spielen, als er sagte, dass er nicht viel Zeit auf die Arbeit an der ersten Präsidentschaftsdebatte verschwendet habe. Es zeigte sich, dass er die Wahrheit gesagt hat. Trump hing seine Hürde so niedrig wie möglich und war doch nicht in der Lage sie zu überspringen. Es sah noch nicht einmal so aus, als ob er es versucht hätte.
Falls er erwartet hatte, über seine Rolle bei der Verbreitung von Gerüchten über Obamas Geburt befragt zu werden, ließ er das nicht durchblicken. Seine Antwort war weitschweifig und voller Eigenlob. Das gleiche gilt für die Aussagen über seine nicht-veröffentlichten Steuererklärungen. Wie man es von ihr gewohnt ist, hatte sich Hillary Clinton intensiv vorbereitet und sie gab es auch gern zu. „Ich habe mich auf diese Debatte vorbereitet“, sagte sie, nachdem Trump das nahegelegt hatte. „Und ich habe mich auch darauf vorbereitet, Präsidentin zu sein.“
Unterschiedliche Erwartungen
Aber jeder Trump-Auftritt, auch wenn er noch so schlecht wirkte, sollte mit Wolkenkratzer-großen Warnungen versehen werden. Bei den Vorwahldebatten der Republikaner gab es stets ganz unterschiedliche Wahrnehmungen: Was den einen desaströs erschien, ging anderen glatt runter. In einem Land, das so polarisiert ist wie Amerika, filtern die Zuschauer unterschiedliche Realitäten. Nicht nur der Bildschirm ist gespalten auch die Erwartungen.
In Trumps Umfragewerten wird sich das armselige Debattenniveau womöglich nicht widerspiegeln. Aber es ist auch unwahrscheinlich, dass er einen Schub erhalten hat. Trump hätte es so anpacken müssen wie Ronald Reagan 1980 gegen Jimmy Carter: ruhig auftreten, präsidentiell und nett. Anders als Reagan bekommt Trump noch zwei weitere Chancen. Aber sein erster Versuch war tyrannisch und anmaßend.
Und es war ein faktenschwacher Auftritt. Er wusste offensichtlich nicht, was der Grundsatz des Verzichts auf den Ersteinsatz von Atomwaffen bedeutet. Er schlug heftig um sich, als Clinton ihn mit seiner Bilanz als Geschäftsmann herausforderte. Falls man den Trump-Faktencheck nach Bangalore auslagert, könnte es ein erfolgreiches Baumwollunternehmen werden.
Trump kanalisiert die Gefühle seiner Anhänger
Aber nur wenige Wähler werden sich mit einem Faktencheck beschäftigen. Wenn sich etwas richtig anfühlt – und ein Kandidat die Zuneigung gewinnt – können Wähler überzeugt werden. Trumps Zusammenfassung der US-Handelspolitik war sachlich umstritten. Aber seine Behauptung, das Nordamerikanische Freihandelsabkommen sei der schlimmste Handelsvertrag der Geschichte könnte Millionen Amerikaner betreffen. Das gleiche gilt für seine Wut über Gespräche mit China, Mexiko und anderen US-Handelspartnern.
Einer der schwächsten Momente Clintons war ihre Antwort auf Trumps Behauptung, sie habe 30 Jahre lang nichts gegen den Export von Jobs in der Industrie unternommen. Es mag unfair gewesen sein, dass Trump Clinton bei ihren Antwortversuchen wiederholt unterbrochen hat. Aber sein Punkt dürfte bei vielen Amerikanern angekommen sein. Trumps Geschäftsgebahren oder die Annahmen über die wahre Höhe seines Vermögens dürfte diese Leute wenig kümmern. Sie sind wütend und pessimistisch und Trump kanalisiert ihre Gefühle.
Clinton zwischen Panik und Selbstsicherheit
Wird Clinton Schwung durch die Debatte erhalten? Nach Wochen mit schlechten Nachrichten, einer Lungenentzündung und einem Fauxpas über „erbärmliche“ Trump-Anhänger kann sie Rückenwind gebrauchen. Laut den Umfragen der letzten 14 Tage ist es für sie immer enger geworden. Sie sollte sich nun einen bescheidenen Vorsprung zurückgeholt haben. Doch die Meinungen über Clinton sind auf beiden Seiten zu verhärtet, als dass sie davonziehen könnte.
In der ersten Debatte war sie konzentriert und unempfindlich gegen Provokationen, es war klar erkennbar, dass sie ihre Hausaufgaben gemacht hatte. Sie schien auch bei guter Gesundheit und schmetterte Trumps Behauptung ab, dass sie nicht über das notwendige Durchhaltevermögen verfüge. Aber zwei Debatten und zahllose öffentliche Auftritte kommen noch.
Unter ihren Anhängern schwingt das Pendel seit dem Parteitag im Juli zwischen Panik und Selbstsicherheit hin und her. Es wird in den kommenden sechs Wochen wohl weiter schwingen.
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