Anzeige
Anzeige

Strommarktreform „Längerfristig eine Absicherung gegen schwankende Preise“

Strommasten einer Stromtrasse bei Frankfurt
Strommasten einer Stromtrasse bei Frankfurt
© picture alliance / greatif | Florian Gaul
EU-Rat und Parlament planen eine Reform des europäischen Strommarktes, um die drastisch gestiegenen Preise in den Griff zu bekommen

Die französische Haltung auf die Strommarktreform hat zuletzt immer wieder zu Kontroversen geführt. Céline Pizzotti, stellvertretende Geschäftsführerin des Deutsch-französischen Büros für die Energiewende, schilderte bei einer Veranstaltung des Newsletter-Portals Table Media deshalb die französische Sicht. Frankreich hatte durchgesetzt, dass auch Kernenergie in die Regeln für eine Förderung über Differenzverträge (CfD) einbezogen wurde.

Weniger bekannt ist, dass Frankreich schon seit 2017 Erneuerbare über zweiseitige CfDs fördert, erklärte Pizzotti. Das beschere dem Staat in der Energiekrise Einnahmen durch abgeschöpfte Erlöse. Auch staatliche Garantiefonds für langfristige Stromabnahmeverträge (PPA) – einen weiteren Kernpunkt der anstehenden EU-Reform – führte Frankreich bereits Anfang dieses Jahres ein.

Den Vorschlag der Kommission für die europäische Strommarktreform stellte Michael Schütz vor, Referent für den Energiebinnenmarkt aus der Generaldirektion Energie. „Längerfristig werden wir eine Absicherung der Kundinnen und Kunden vor schwankenden Strompreisen und damit eben auch stark nach oben schwankenden Strompreisen erreichen“, sagte Schütz. Er trat damit der Kritik mancher entgegen, die eine dauerhafte Abschöpfung von Übererlösen über zweiseitige CfDs am liebsten auch auf bestehende Anlagen ausweiten würde. Eine Kritik, die etwa von der spanischen Ökonomin Natalia Fabra geäußert wurde.

„Zweiseitige CfDs schaffen immerhin Klarheit“

„Bei dem Aufwuchs von Erneuerbaren, die wir bis 2040 brauchen, wird ein Großteil der Erneuerbaren eben keine bestehenden Anlagen sein – zumal ja auch beim Repowering wieder die Regelungen greifen“, erläuterte Schütz. Ein stärkeres Gewicht auf Langfristverträge berge aber auch eine Gefahr: „Das ist dann eine Debatte in ein paar Jahren, wenn die Kurzfristpreise wieder sehr niedrig sind, warum wir jetzt so teure langfristige Verträge haben. Aber gut, langfristige Verträge sind eben eine Versicherung und eine Versicherung kostet durchaus Geld.“

Überraschend gelassen nahm der BDEW den Vorstoß für zweiseitige CfDs auf, auch wenn dies eine dauerhafte Erlösabschöpfung in Zeiten hoher Marktpreise bedeuten würde. Die Obergrenze für Erlöse sei bei einem Differenzvertrag von vornherein klar, bei den Notfallmaßnahmen im vergangenen Jahr habe es aber rückwirkende Eingriffe gegeben. „Das Problem ist, wenn man einmal ein Tabu gebrochen hat, dann kann man es vielleicht hinterher bei wesentlich weniger gravierenden Umständen tun. Und deswegen muss man sagen, der zweiseitige CfD schafft immerhin Klarheit“, sagte Stephan Krieger, Referent für Marktdesign und europäische Energiepolitik beim BDEW.

Bemerkenswert ist diese Aussage von einem Energieverband deswegen, weil der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) zweiseitige CfD bisher immer strikt abgelehnt hat.

Mit der Sicherheit für Investoren argumentierte aber auch Karsten Neuhoff, Leiter der Abteilung Klimapolitik am DIW Berlin. Eine langfristige Preisbindung durch CfDs oder PPA schaffe Glaubwürdigkeit, damit in einer erneuten Krise nicht wieder ad hoc in den Markt eingegriffen werden müsse. Genau solche Schritte seien es, die für Investoren „angsterregend“ wären.

Für Neuhoff sind CfDs zudem das geeignetere Instrument, um den Ausbau Erneuerbarer voranzutreiben und die Preise zu senken. „Über PPA ist nur ein Bruchteil des Ausbaus möglich, den wir mit Erneuerbaren bis 2030 haben wollen“, ist der DIW-Ökonom überzeugt. Zu wenige Abnehmer könnten PPAs zeichnen und es blieben zu viele Risiken. Eine Absicherung über PPA mache jede Kilowattstunde Strom deshalb um 30 Prozent teurer als eine Absicherung über CfDs, sagte Neuhoff.

BDEW warnt vor Wettbewerbsverzerrungen

Wie attraktiv PPAs sind, liege aber auch am Zusammenspiel mit CfDs, entgegnete Krieger. Die Differenzverträge seien mit Bundesanleihen über eine Laufzeit von 20 Jahren vergleichbar. „Das darf nicht zu interessant sein, weil sonst niemand den Weg über den Markt beschreitet“, sagte der BDEW-Manager. Enttäuschend sei in diesem Zusammenhang, dass die finale Fassung der Kommission keinerlei Kriterien mehr enthalte wie frühere Entwürfe. Das Ganze müsse „ein wenig eingeengt“ werden, damit es nicht zu Wettbewerbsverzerrungen komme.

In früheren Entwürfen des Kommissionsvorschlags waren für CfDs vor allem lokale Kriterien vorgeschrieben, damit Erneuerbare nicht an Standorten konzentriert werden, wo es zwar günstige Erzeugungsbedingungen gibt, Wind- oder Solarparks aber häufig abgeregelt werden müssen, weil auf dem Weg zu den Verbrauchszentren Netzengpässe liegen.

Was die Förderung von neuen Gaskraftwerken angeht, dämpfte Schütz die Erwartungen in Berlin. „Unser Grundsatz ist klar, normalerweise kommen erst Marktreformen, dann Subventionen und da werden sicherlich noch Diskussionen mit Deutschland zu führen sein“, sagte der Beamte der Generaldirektion Energie. Schütz nannte in diesem Zusammenhang den Marktreformplan nach der Binnenmarkt-Verordnung und die entsprechende Stellungnahme der Kommission.

Etwas polemisch fügte Schütz hinzu: „Ich kann nur hoffen, dass anders als manchmal in der Vergangenheit die europäische Perspektive ernst genommen wird, berücksichtigt wird und nicht zwangsläufig davon ausgegangen wird, dass wenn Deutschland sich auf etwas geeinigt hat in langwierigen Prozessen, dass dann alle anderen 26 Mitgliedsstaaten um Deutschland rotieren.“

Mehr zum Thema

Neueste Artikel

VG-Wort Pixel