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Gastbeitrag Steuern, Feiern und Datenpannen – Japan bremst sich selbst!

Shibuya, Tokyo
Shibuya, Tokyo
© Unsplash
Die Wirtschaftsprognosen für Japan stehen schlecht: Ein angespannter Arbeitsmarkt und zu hohe Staatsausgaben können das Wachstum lähmen. Warum die japanische Regierung sich dabei selbst im Weg steht.

Bei ihrer ersten Sitzung im neuen Jahr hat die Bank of Japan wie erwartet die Zinsen dort gelassen wo sie waren und gleichzeitig den Inflationsausblick gesenkt. Die Zielrendite für 10jährige Anleihen blieb mit 0 Prozent ebenso unangetastet wie der Negativzins auf Einlagen in Höhe von 0,1 Prozent.

Nachdem die Notenbank bisher von einer Preissteigerungsrate in Höhe von 1,4 Prozent für das am 1. April beginnende neue Fiskaljahr ausgegangen war, wird nun lediglich eine Steigerung um 0,9 Prozent erwartet. Man kann sich trefflich darüber streiten, ob das nicht nur in Japan postulierte Inflationsziel von 2 Prozent sinnvoll ist oder nicht – erreichen werden es die Japaner offenbar auch 2019 nicht annähernd. Die seit Jahren ultralockere Geldpolitik im Land der aufgehenden Sonne dürfte also auf unbestimmte Zeit weitergehen.

Die geringe Inflation verwundert angesichts der zunehmend angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt. Offenbar kommen die von Regierung und Notenbank erhofften Lohnzuwächse kaum voran. Sehr zum Missfallen von Ministerpräsident Abe verzichtet der Arbeitgeberverband Keidanren in diesem Jahr sogar demonstrativ auf Empfehlungen für die im Frühjahr anstehenden Tarifverhandlungen. Noch im vergangenen Jahr wurde eine untere Marke von 3% Erhöhung gefordert, um die Bemühungen der Administration zu flankieren. Darüber hinaus sorgten rückläufige Rohstoffpreise und ein etwas stärkerer Yen bis Ultimo auch für eine geringe importierte Inflation.

Für das Wachstum im neuen Fiskaljahr bleibt die Notenbank trotz ungelöster Handelskonflikte, einer Eintrübung der Konjunktur in China und der nun nach mehrfachen Verschiebungen für den Herbst geplanten Mehrwertsteuererhöhung erstaunlich optimistisch. Immerhin wird ein Plus von 1,3 Prozent prognostiziert, Haupttreiber sollen Einkäufe und Investitionen der eigenen Bevölkerung sein. So rechnet die japanische Regierung stoisch mit einem Anstieg der privaten Konsumausgaben um stolze 2,7 Prozent. Auch wenn wir sehr optimistisch Vorzieheffekte im Vorfeld der für Oktober geplanten Mehrwertsteuererhöhung um 2% auf dann 10% einrechnen, erscheint dies doch recht ambitioniert. Nach der bisher letzten Erhöhung der Steuer im April 2014 brach der private Konsum regelrecht ein. Die zur Abmilderung der Folgen geplanten Vergünstigungen bei der Besteuerung von Kraftfahrzeugen und Immobilienkrediten sowie Vergünstigungen bei der Kinderbetreuung dürften für eine Neutralisierung der negativen Effekte nicht ausreichen.

Neben den globalen Themen und der Mehrwertsteuererhöhung könnten sich 2019 auch einige hausgemachte Baustellen als hinderlich für Wachstum und Stabilität erweisen. Zum einen steigen die Staatsausgaben im Zusammenhang mit der Flankierung der Mehrwertsteuererhöhung, erhöhter Militärausgaben und der Finanzierung einer kostenfreien Kinderbetreuung laut Haushaltsentwurf um fast 4 Prozent. Damit wird erstmals die Schwelle von 100 Billionen Yen (793 Mrd. Euro) überschritten. Finanziert wird dies zu einem Drittel durch die Ausgabe neuer Staatsanleihen. Aufgrund der Steuermehreinnahmen geht zwar letztlich die Neuverschuldung tatsächlich das siebte Jahr in Folge zurück. Die Primärlücke im Haushalt wird jedoch nach Aktualisierung des Datenkranzes nun erst 2025 geschlossen – geplant war dies für 2020!

Zum anderen wird in diesem Jahr Kaiser Akihito nach 30 Jahren Amtszeit am 30. April abdanken und die Krone an seinen Sohn Naruhito abgeben. In Japan ist dies mit zusätzlichen und veränderten Feiertagen verbunden. Der 1. Mai als Tag der Inthronisierung fällt in die sogenannte Goldene Woche und führt zu einer 10tägigen Reihe von Feiertagen. Die Krönung am 22.10. führt erneut zu einem einmaligen Feiertag. 2020 wird dann der 23. Februar (Naruhitos Geburtstag), und der 20. April (Zeremonie für den neuen Kronprinzen Akishino) zum Feiertag erklärt. Gemildert wird die Bilanz deutlich weniger Arbeitstage nur durch den Wegfall des Feiertages am 23. Dezember (Geburtstag des bisherigen Tenno)

Als ob dies alles nicht schon genug Stoff für eine temporär vorsichtigere Haltung gegenüber dem Markt wäre, kommen nun auch noch Berichte über jahrelang falsche Daten vom japanischen Arbeitsmarkt an die Öffentlichkeit. Die vom Arbeitsministerium erhobenen Daten waren seit 2004 Grundlage für Renten- und Arbeitslosengeldberechnungen. Wie sich jetzt herausstellt, wurden die landesweiten Lohndurchschnitte viel zu niedrig angesetzt, mit Folgen für die eher schwächeren Einkommensgruppen. Nach dieser peinlichen Panne sieht sich die Regierung veranlasst weitere ökonomische Daten in Bezug auf Ihre Richtigkeit zu überprüfen. Selbst die Notenbank ist schwer enttäuscht, werden doch die genannten Zeitreihen auch für die Berechnung der Output-Lücke und damit letztlich der Preissteigerung genutzt. Insgesamt 40 von 56 permanent erhobenen Zeitreihen werden inzwischen angezweifelt.

Wenn die Weltwirtschaft, wie die Mehrheit der Prognostiker annimmt, tatsächlich am Anfang eines länger anhaltenden Abschwungs steht oder sich die latenten Krisenherde weiter verstärken, könnte dies für Japan zusätzlich ungemütlich werden. Japan ist immerhin der größte Nettogläubiger der Erde und japanische Anleger halten überproportional hohe Bestände ausländischer Wertpapiere. In früheren Krisenfällen haben japanische Investoren ihre globalen Investitionen reduziert und Kapital in nennenswertem Umfang repatriiert. Regelmäßig führte dies in der Folge zu einem stärkeren Yen und damit zu Belastungen der stark vom Export abhängigen japanischen Industrie. Es ist noch keineswegs ausgemachte Sache, dass dies so und nicht anders unmittelbar bevor steht. Angesichts der sich verhärtenden Fronten in den globalen Handelskonflikten und unter Berücksichtigung der schwächer werdenden Konjunkturdaten ist die Wahrscheinlichkeit dafür jedoch gestiegen.

Frank Geilfuß ist Chefvolkswirt beim Bankhaus Löbbecke. Auf Capital.de schreibt er über Finanzmarktthemen.

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