Woran denken Sie als Erstes, wenn Sie Nairobi hören? Hungerkatastrophen? Armut? Bürgerkrieg? Auf jeden Fall wohl nicht an Internet-Startups oder? Wird Zeit, ein bisschen umzudenken. In der kenianischen Hauptstadt steht das wohl erfolgreichste Gründerzentrum Afrikas: das ihub, aus dem Internetbuden in Serie entstanden sind. Aufgebaut von Erik Hersman, einem Amerikaner, dessen Eltern mit ihm nach Afrika gezogen sind, als er zwei Jahre alt war. Ein Brückenbauer zwischen afrikanischem und amerikanischem Business-Denken. Die Folge: Google ist bereits als Partner im ihub, ebenso Konzerne wie Intel und Microsoft. Mittlerweile folgen weitere Hubs quer über den Kontinent – das ccHub in Nigeria, das JoziHub in Südafrika oder BongoHive in Sambia und viele mehr, die sich untereinander vernetzt haben. Die beiden Betahäuser IceCairo in Agypten und IceAddis in Addis Abeba werden sogar von der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit gefördert.
Wer glaubt, dass sich der Startup-Boom auf den Westen und ein paar entwickelte asiatische Ländern beschränkt, der irrt. Auch in Entwicklungsländern grassiert der Entrepreneur-Virus. Von Addis Abeba bis Lagos, von Buenos Aires bis Manila sprießen Gründerzentren, so genannte Hubs, aus dem Boden. Und aus ihnen werden neue Startups geboren.
Und zwar vor allem in Afrika. Dort sind es vor allem Mobile-Startups. Denn der ärmste Kontinent verfügt mittlerweile über den am schnellsten wachsenden Mobilfunkmarkt der Welt. Die Zahlen sind atemberaubend: Laut PricewaterhouseCoopers explodierte die Zahl der Mobilfunknutzer von 16 Millionen im Jahr 2000 auf 246 Millionen im Jahr 2008. Seither hat sie sich nochmals verdoppelt. Laut ABI Research dürfte die Zahl der Mobilfunkkunden dort bis 2017 auf 1,1 Milliarde anwachsen – das wäre dann ein Anteil an der globalen Handynutzung von 14 Prozent.
Dabei wird in Afrika ausgerechnet ein altes Problem zu einem strategischen Vorteil: Denn eine Ursache für den Mobilfunkboom ist letztlich, dass die Infrastruktur so miserabel ist. Weil die Festnetz-Telefonleitungen so schlecht ausgebaut sind, weichen die Menschen zwangsläufig auf Handys aus. Den knapp 500 Millionen Mobilfunkanschlüssen stehen nur rund zwölf Millionen Festnetzanschlüsse gegenüber. Und weil es für viele schwierig ist, ein Bankkonto zu eröffnen, wickeln sie den Zahlungsverkehr übers Handy ab. Mobile Payment wächst dadurch viel schneller als im Westen. Die Folge: Afrika ist so etwas wie ein Experimentierfeld für viele mobile Dienstleistungen der Zukunft. Ideale Voraussetzungen für Startups.
Hubs wie das IceAddis oder das ihub sind dabei die Knotenpunkte. Keine Frage, für Afrikas Entwicklung insgesamt sind sie bislang nicht mehr als kleine Pflänzchen. Doch sie haben Symbolkraft: Jahrelang blockierten korrupte Regierungen wirtschaftlichen Fortschritt. Die westlichen Hilfsgelder wanderten in die Taschen der Elite. Der altbekannte Teufelskreis, den man stets mit Afrika verbindet. Die Hubs und Startups bieten eine neue Alternative. Ausgerechnet aus dem Versagen der Politik die Infrastruktur in Ordnung zu bringen, schaffen clevere Unternehmer nun ein neues Hoffnungsfeld für Afrika. Das ist wegweisend.
Die Gründerzentren sind Anlaufstellen für Menschen, die ein paar Gemeinsamkeiten haben: Sie sind jung und sie wollen etwas tun, statt zu warten. Und davon gibt es in der weniger entwickelten Welt sehr viele. Einige wollen einfach Geld verdienen. Andere wollen soziale Veränderung anschieben. Das Warten ist ihr größter Feind, in Ländern wie Ägypten oder Kenia, wo teilweise mehr als jeder zweite Jugendliche keinen Job hat. Es ist die „Generation Jobless“. Und die Hubs sind ein kleiner Hoffnungsschimmer, dass daraus vielleicht keine „Generation Hopeless“ wird. Mit jedem Startup, das sie dort aufbauen, schaffen sie ein paar Jobs für ihre Altersgenossen. Junge Ägypter, Nigerianer oder Kenianer, die keine Lust mehr haben, über ihre korrupten Regierungen zu klagen, sondern lieber ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen, haben nun eine Anlaufstelle.
Dabei haben sie in gewisser Weise etwas mit ihren Altersgenossen im Westen gemeinsam. Denn die Idee der Hubs und Betahäuser kommen ursprünglich aus Orten wie Berlin und Brooklyn. Sie sind fester Bestandteil der viel beschriebenen Maker-Bewegung, junge Leute, die auf Do-it-yourself und nachhaltigen Konsum setzen. Leute, die nicht über Veränderung philosophieren, sondern etwas tun wollen. Sie sind das soziale Seitenprodukt der globalen Startup-Welle – quasi die Unternehmerversion der 68er. Sie wollen die Welt verbessern wie ihre Eltern, aber gerne mit mithilfe des Marktes, durch nachhaltigen Konsum. Dogmatische Kapitalismuskritik ist sozialem Unternehmertum gewichen. So gesehen also die Wohlstandsversion der afrikanischen Gründer.
Spricht man mit Altersgenossen der Gründergeneration in Afrika sind die Parallelen schnell ausgemacht. Dort sind es junge Afrikaner, die nichts mehr wissen wollen, von der ständigen Kolonialismuskritik ihrer Väter. Statt es auf die früheren Kolonialherren zu schieben und sich selbst zu bemitleiden, wollen sie etwas verändern – und gleichzeitig Geld verdienen. Hubs und Startups sind dabei ihr Werkzeug.
Fraglos lässt sich damit allein nicht die Armut besiegen. Doch die Startups sind wichtig. Für kleine Schritte bei der wirtschaftlichen Entwicklung. Und für Afrikas Image, das nicht mehr allein für Stillstand und Armut steht. Fragt man den ihub-Gründer Hersman, wie schwierig die Umstände in Nairobi für das Unternehmertum sei, antwortet er regelmäßig mit demselben Satz: Es sei nicht besser oder schlechter, es sei einfach anders.
Martin Kaelble schreibt an dieser Stelle montags über Innovationen, Makro- und Techtrends aus der Weltwirtschaft.