In der Vergangenheit galt die Faustregel: Egal wie es der Wirtschaft im Ganzen geht, Luxus läuft immer. Doch in der Corona-Krise gilt die alte Formel offenbar nicht mehr, wie das Beispiel des Schweizer Luxuskonzerns Richemont (Cartier, A. Lange & Söhne, Chloé) zeigt. Nach den neusten Geschäftszahlen des Konzerns sanken die Umsätze in den ersten drei Monaten dieses Jahres um 18 Prozent, die Gewinne brachen noch heftiger ein.
Und den anderen großen Luxusherstellern wie LVMH, Gucci oder Hermès geht es nicht besser. Ihre Aktienkurse spiegeln diesen Einbruch wider. An der Börse sind die Richemont-Aktien beispielsweise auf die Hälfte ihres früheren Werts gefallen.
Die Konzerne sind allesamt ein Opfer des globalen Lockdowns: Ihre Läden waren alle für Wochen dicht und sind es in einigen Ländern sogar noch immer. In der Corona-Krise rächte sich die fast völlige Abstinenz der Luxuskonzerne im Online-Geschäft. Um ihre Preise hoch zu halten, verzichten die meisten Luxushersteller fast völlig auf Verkäufe über das Internet. Auf dem wichtigen chinesischen Markt fielen die Umsätze vieler Marken deshalb im März wie ein Stein auf nahe Null. Also leiden die Luxuskonzerne gegenwärtig genauso wie die schnöden Hersteller von modischen Massenwaren, zum Teil sogar stärker. Die spannende Frage ist nur: Wie lange werden sie leiden?
Die Kunden kommen zurück
Nach der Wiederöffnung der 462 Läden in China verzeichnete Richemont nach eigenen Angaben eine „starke Nachfrage“. In Frankfurt bildeten sich lange Schlangen vor einem Flagshipstore von Hermès, als Shopping endlich wieder möglich war. Und auch LMVH sieht bereits wieder einige „Hoffnungszeichen“ in aller Welt. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Die Klientel, die sich Hermès-Handtaschen und Gucci-Kleider leisten kann, muss auch in der Corona-Krise nicht sparen. Und wer sich bereits den Kauf einer neuen Rolex fest vorgenommen hatte, wird ihn in den seltensten Fällen nun völlig fallen lassen.
Die Luxushersteller gehören deshalb zu den Konzernen, die am ehesten auf eine V-förmige Erholung ihrer Umsätze setzen können. Sie werden zwar auch nicht völlig ungeschoren durch das Jahr 2020 kommen, aber wohl doch vergleichsweise glimpflich. Insofern gilt die alte Faustregel, das Luxus immer läuft, auch in dieser Krise. Und je hochpreisiger das Angebot an Waren, umso mehr.
Wenn diese Einschätzung stimmt, dann kann man sagen: Wer sein Portfolio schon länger mit Luxusaktien verstärken wollte, für den scheint der Augenblick nicht schlecht. Zwar erscheinen die Aktien, gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis, noch immer als ziemlich teuer – in den meisten Fällen sogar als viel teurer als vorher. Aber mittel- und langfristig sind die Chancen gut.
In gewisser Weise könnten die Luxushersteller sogar von der Corona-Krise profitieren: Da die Möglichkeiten, sein Geld für Konzerte oder Restaurants oder teure Reisen auszugeben, noch für ziemlich lange sehr eingeschränkt bleiben dürften, wird das gediegene Shopping-Erlebnis zu einer noch wichtigeren Freizeitbeschäftigung für die gehobenen Einkommensklassen.
Bernd Ziesemerist Capital-Kolumnist. Der Wirtschaftsjournalist war von 2002 bis 2010 Chefredakteur des Handelsblattes. Anschließend war er bis 2014 Geschäftsführer der Corporate-Publishing-Sparte des Verlags Hoffmann und Campe. Ziesemers Kolumne erscheint regelmäßig auf Capital.de. Hier können Sie ihm auf Twitter folgen.