Russlands Politiker lügen, wenn sie den Mund aufmachen. Und doch können sie nicht alles weg lügen. Das gilt auch für die Niederlage im Kampf um russisches Erdöl. Vize-Ministerpräsident Alexander Nowak musste sie Ende letzter Woche erstmals eingestehen: Im März kürzt Russland die Förderung um 500.000 Barrel pro Tag, die Einnahmen sinken damit um rund 750 Mio. Euro im Monat. Nowak nennt das einen „freiwilligen“ Schritt. In Wahrheit aber bleibt Wladimir Putin nichts anderes übrig. Westeuropa kauft nicht mehr. Und trotz aller Rabatte, die Russland den Abnehmern in Asien einräumt, wird das Land sein Erdöl nicht mehr so einfach los wie gedacht.
Der russische Staatshaushalt gerät damit erstmals massiv unter Druck – und das in einer Situation, in der Putin immer mehr Geld für den Krieg in der Ukraine braucht. Für den Januar hatte die Regierung 120 Mrd. Euro an Steuern und Abgaben aus dem Energiesektor eingeplant. Doch es kam weniger als die Hälfte davon herein, wie der deutsche Experte Janis Kluge berechnete. Selbst wenn sich das Bild in den nächsten Monaten wieder etwas aufhellen sollte, muss sich Putin auf ein riesiges Haushaltsloch einstellen. Zwar bleibt immer noch genügend Geld, um den Krieg weiterzuführen. Aber für andere Staatsausgaben steht immer weniger zur Verfügung. Die Russen werden es spüren.
Putin hat sich aus zwei Gründen schwer verrechnet: Erstens hat der Diktator die Entschlossenheit und die Kreativität der Regierungen unterschätzt, den Kampf gegen seine Erpressungen zu führen. Der Preisdeckel auf Rohöl und seit 5. Februar auch auf Diesel und Schweröl funktioniert. Es war die frühere Notenbankchefin und jetzige Finanzministerin Janet Yellen, eine der fähigsten Ökonominnen ihrer Zeit, die sich mit dieser Maßnahme gegen alle Skeptiker durchsetzen konnte und am Ende recht behalten hat. Zweitens hat der Diktator die Flexibilität der Energiemärkte unterschätzt, sich auf eine Zukunft ohne Russland einzustellen. Die weitgehende Abkopplung der EU-Länder von ihrem früheren Hauptlieferanten wäre ohne die Kraft freier Märkte nicht möglich gewesen.
Russland bleibt auf dem Niveau eines Entwicklungslandes
Putin versteht von freier Marktwirtschaft nichts. In ökonomischen Fragen denkt der Diktator wie ein Geheimdienstmann, der alles als Machtspiel begreift, in dem der brutalere Mitspieler am Ende gewinnt, wenn er nur genügend blufft und alles auf eine Karte setzt. Innovation und Kreativität kommen in diesem Weltbild schlicht nicht vor. Man kann die Folgen überall in der russischen Wirtschaft besichtigen. Die Oligarchen beherrschen den Energie- und Rohstoffsektor mit einer Mischung aus Korruption und Frühkapitalismus – und außerhalb dieses Sektors bleibt Russland auf dem Niveau eines Entwicklungslands, dass ohne ausländische Investitionen und ausländisches Know-how nicht mithalten kann. Nur in den Nischen dieser Putin-Ökonomie findet man ein kleines Stück Marktwirtschaft, etwa im IT-Sektor, wo einige junge Unternehmertalente auch international erfolgreich waren. Doch gerade sie haben das Land in Scharen verlassen.
In einem längeren Krieg siegt immer, wie die gesamte Weltgeschichte zeigt, das Land mit der stärkeren Wirtschaftskraft. Bleibt der „kollektive Westen“, wie Putin seine Gegner gern nennt, fest an der Seite der Ukraine und unterstützt sie weiter wie bisher, hat Russland auf mittlere Sicht trotz aller Waffenarsenale auch militärisch keine Chance.