Rüstungsskandale begleiten die Bundeswehr seit ihrer Anfangszeit. Einige der größten Reinfälle ereigneten sich unter Verteidigungsminister Franz Josef Strauß (CSU) in der Regierungszeit Konrad Adenauers. Der Bayer kaufte Panzer, die nicht einsatzfähig waren oder U-Boote, deren Hülle kein Meerwasser vertrug. Gescheiterte Rüstungsprojekte sind aber nicht nur peinlich und kosten Milliarden. Sie können auch viele Soldaten in den Tod reißen. Ein von Strauß bestelltes Überschallflugzeug etwa war als „Witwenmacher“ berüchtigt.
Deutsche Rüstungsskandale
Rüstungsprojekte – bei denen schon mal Mitglieder europäischer Königshäuser von Waffenherstellern geschmiert werden – scheiterten aber nicht nur in den Anfangstagen der Bundesrepublik, sondern ziehen sich bis heute durch die Geschichte der Bundeswehr. Die soll nach dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine rasch mit einem Sondervermögen von 100 Mrd. Euro modernisiert werden. Die Kompatibilität mit US-Atomwaffen spielt dabei plötzlich wieder eine große Rolle. Die Geschichte warnt jedoch: Die rasche Aufrüstung nach dem Zweiten Weltkrieg oder zur Hochphase des Kalten Krieges hat in Deutschland zu etlichen Fehlinvestitionen geführt – mit teils tödlichen Folgen.
Dies sind einige der größten gescheiterten Rüstungsprojekte Deutschlands

Schützenpanzer HS 30
Die Bundeswehr musste nach der Demilitarisierung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg komplett neu ausgestattet werden. Verteidigungsminister Strauß (CSU) orderte vom Schützenpanzer HS 30 mehrere tausend Stück, obwohl es zum Zeitpunkt der Bestellung erst ein Holzmodell des Panzers gab. Der HS 30 wurde zur Fehlinvestition. „Die Ketten waren zu schwach, die Belüftung und die Kühlung von Motor und Bremsen klappten nicht, der Innenraum war viel zu eng“, schrieb Wehrexperte Hans Leyendecker in der „Süddeutsche Zeitung“. „Wer während der Fahrt aussteigen wollte, riskierte sein Leben. Aber dazu kam es erst gar nicht, weil der Panzer meist in der Werkstatt stand und repariert wurde.“ In den 70er Jahren sei der HS 30 endlich fast tauglich für den Einsatz gewesen. Da rollte aber bereits sein Nachfolger Marder – jene ausgemusterte Panzerklasse, die im Ukraine-Krieg wieder zum Einsatz kommen soll.

U-Boote der Klasse 201
Ärger bereiteten auch die ersten U-Boote der Bundesmarine. Rasch stellte sich nach der Fertigstellung der ersten Exemplare heraus: Die teuren U-Boote der Klasse 201 waren nicht für den Einsatz im Meer geeignet. Die Verantwortlichen hatten sich für antimagnetischen Stahl entschieden. Der sollte verhindern, dass Minen am Schiffsrumpf haften konnten. Dieser Stahl aber wurde im Kontakt mit Salzwasser rissig. Das war offenbar während der Testphase mit dem Material eines österreichischen Produzenten nicht aufgefallen, was für einen der ersten Rüstungsskandale der Bundesrepublik sorgte.

Starfighter
Der Starfighter ist als „Witwenmacher“ zu einem dunklen Kapitel in der Geschichte der Bundeswehr geworden. Die BRD wollte sich ab 1962 mit dem Kampfflugzeug F-104 „Starfighter“ der Lockheed Corporation (sie wurde 1995 zu Lockheed Martin) für einen möglichen Atomschlag der UdSSR wappnen. „Das war der Maserati unter den Kampfflugzeugen, es gab nichts Vergleichbares“, sagte ein ehemaliger „Starfighter“-Pilot in einer Dokumentation des ZDF. Der F-104 verfügte aber nur über ein Triebwerk, laut Experten die größte Schwachstelle des Jets, der zweifache Schallgeschwindigkeit erreichen konnte. Zudem sorgten Sonderwünsche der BRD dafür, dass die Maschine sehr viel schwerer wurde als das Grundmodell. Auch Versäumnisse in der Logistik sorgten für eine schreckliche Bilanz: Fast ein Drittel der 916 in Deutschland eingesetzten Flugzeuge stürzte ab, 116 Piloten wurden getötet. „Alle zwei Wochen fiel einer runter“, erinnerte sich ein Pilot. 32 Witwen verklagten den Hersteller, es kam zu einem Vergleich. 1971 stellte Lockheed die Produktion ein. Es dauerte aber noch 20 Jahre, ehe in Deutschland der letzte „Starfighter“ abhob.

MEADS
Zu der Aufrüstung nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs gehört auch die Anschaffung eines Raketenabwehrsystems für Deutschland. Ein Kandidat ist das System „Arrow 3“ aus Israel. Eigentlich sollte die veraltete Raketenabwehr schon längst durch das „Medium Extended Air Defense System“ (MEADS) ersetzt worden sein. 2005 hatte der Haushaltsausschuss des Bundestags die Beteiligung an der Entwicklung des Raketenabwehrsystems mit den USA und Italien beschlossen. Die Finanzierungsbeteiligung belief sich damals auf mindestens 855 Mio. Euro. Etliche Verzögerungen sorgten aber dafür, dass 2011 auch die BRD nach den USA aus dem Projekt ausstieg. Die Annektion der Krim 2014 weckte erneut das Interesse an dem Raketenabwehrschirm. Bis 2015 hatte die BRD bereits rund 4 Mrd. Euro in das Projekt gesteckt, wie die ARD damals berichtete. Bis Ende 2020 waren die erwarteten Beschaffungskosten auf über 10 Mrd. Euro angestiegen.

A400M
MEADS sollte mit dem Airbus A400M transportiert werden. Auch dieses Projekt sorgte für Ärger. Das moderne militärische Transportflugzeug wurde von Deutschland als Nachfolger der alten Transall bestellt. 2013 lieferte der Hersteller das erste Exemplar an Frankreich aus. Seitdem aber sorgt der A400M auch in Deutschland für Ärger. „An manchen Tagen ist keine einzige der 16 Maschinen der Bundeswehr einsatzbereit“, berichtete die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ im März 2018. Der damalige Airbus-Chef Thomas Enders erklärte den A400M 2014 auf einer Konferenz zum typischen Beispiel dafür, wie ein Rüstungsprojekt durch Unaufrichtigkeit auf beiden Seiten zum „Pyrrhus-Sieg“ wird. Die Politik habe auf einem engen Finanz- und Zeitrahmen bestanden, um dies als Sieg gegen die Industrie darstellen zu können. Für Airbus hingegen sei in erster Linie der Auftragseingang wichtig gewesen.

Euro Hawk
Drohnen sind seit vielen Jahren aus der Kriegsführung nicht mehr wegzudenken. Die Bundeswehr wollte mit dem Euro Hawk seine Aufklärung modernisieren. 2013 aber stoppte der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) die Entwicklung wegen Problemen bei der Zulassung. „Seine Nachfolgerin Ursula von der Leyen entließ nach Amtsantritt zwei wichtige Rüstungsverantwortliche wegen Missmanagements“, berichtete der Deutschlandfunk. Was war passiert? Die Drohne Northrop Grumman RQ-4 brauchte in Deutschland auch eine Zulassung für den zivilen Luftverkehr. Ansonsten hätte sie nur über unbewohnten Gebieten eingesetzt werden dürfen. Dieser Fakt aber wurde von Verantwortlichen jahrelang ignoriert. Es folgten ein Untersuchungsausschuss und Berichte über eine Reaktivierung des Programms. Mittlerweile aber ist der Euro Hawk begraben. Zumindest die für ihn entwickelte Sensorentechnik soll anderweitig zum Einsatz kommen.