Oliver Hermes tritt als Vorsitzender des Ost-Ausschusses zurück. Klaus Mangold, über viele Jahre Putins wohl wichtigster Ansprechpartner in der Industrie, spricht in einem „Handelsblatt“-Interview von einem „Irrtum“ und unterstützt sogar die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine. Nikolaus Knauf macht mit seinem Gipskonzern zwar weiter Geschäfte in Russland, aber mag dem Kriegsverbrecher nicht mehr als Honorarkonsul dienen.
Kein Zweifel: Das über viele Jahre mühsam aufgebaute Netzwerk des Diktators in der deutschen Wirtschaft zerbröselt. Nur der starrsinnige Gazprom-Lobbyist Gerhard Schröder harrt noch an der Seite Putins aus. Aber sein Einfluss in der deutschen Wirtschaft geht mittlerweile gegen Null, die SPD möchte ihn so schnell wie möglich los sein und alte Freunde sprechen über ihn wie über einen geistig Verwirrten: „Er braucht Hilfe.“
Man sollte diese Entwicklung der letzten Wochen nicht unterschätzen. Ohne seine Freunde in den deutschen Konzernen, die sich wie Oliver Hermes noch unmittelbar vor dem Krieg auf seine Seite schlugen, wäre Deutschland in den letzten Jahren nicht in eine so gefährliche Abhängigkeit von russischen Gas- und Erdöllieferungen geschlittert. Sie fanden für jede Gewalttat des Diktators eine Erklärung und trugen wesentlich dazu bei, dass in der deutschen Bevölkerung jedes Gefühl für die Gefahr aus dem Osten verloren ging. Wer die Entwicklung seit der Besetzung der Krim 2014 im Nachhinein Revue passieren lässt, kommt kaum noch um eine bittere Einsicht herum: Deutsche Konzerne haben die Kriegsvorbereitungen Putins gegen die Ukraine objektiv durch ihr fatales Verhalten unterstützt.
Konzerne werden Rückkehr nach Russland erwägen
Ein Zurück zu den alten Zeiten wird es nicht geben, solange Putin regiert. Kaum noch vorstellbar, dass sich ein deutscher Konzernchef nach dem Ukraine-Krieg noch freudestrahlend mit dem Kreml-Herrscher zeigen wird wie einst Siemens-Chef Joe Kaeser nach der Besetzung der Krim. Allerdings sollte man sich auch keine Illusionen machen: Viele Konzerne lauern darauf, wieder Geschäfte in Russland zu machen. Wirklich zurückgezogen haben sich die wenigsten.
Viele halten es wie VW und frieren ihre Fabriken nur zeitweilig ein, wenn sie nicht sogar wie Metro einfach weitermachen wie bisher. Die meisten vertrauen darauf, dass irgendwann nach dem Krieg die Aufmerksamkeit nachlässt und sich niemand mehr dafür interessiert, ob im fernen Kaluga die Fließbänder nun wieder laufen oder nicht. In den Konzernen wird man kühl abschätzen, wie hoch das Reputationsrisiko im Vergleich zu den erwarteten Gewinnen ausfällt.
Doch selbst wenn man diese Entwicklung einkalkuliert, kann von den alten deutsch-russischen Sonderbeziehungen künftig keine Rede mehr sein. Selbst nach einem Abtritt Putins dürfte es noch viele Jahre dauern, bevor man von einigermaßen normalen Verhältnissen sprechen kann. Selbst ein Mann wie Mangold spricht von einem „Paradigmenwandel“.
Man darf deshalb sehr gespannt sein, wer künftig an die Spitze des Ost-Ausschusses tritt und wie der neue Mann oder die neue Frau die Vereinigung künftig positionieren. Sinnvoll wäre es, künftig die Länder stärker in den Fokus zu rücken, die bisher immer im Schatten Russlands standen: Polen, die baltischen Staaten und nicht zuletzt die Ukraine. Vielleicht findet sich jemand im Ost-Ausschuss, der für diesen Kurs steht und nicht mehr wie fast alle seine Vorgänger vor allem nach Moskau schielt.