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Gastbeitrag Premiumhersteller müssen nicht das Amazon der Mobilität aufbauen

BMW und Daimler schließen ihre Mobilitätsdienste zusammen
BMW und Daimler schließen ihre Mobilitätsdienste zusammen
© BMW
BMW und Daimler steigen groß ins Geschäft für Mobilitätsdienste ein. Damit setzen sie zwar auf die Zukunft, sie gefährden aber auch ihr Image. Jens Wohltorf über Premiumhersteller und Premiumdienste für die Mobilität

Manchmal hat man das Gefühl, über die Automobilhersteller ist mittlerweile alles gesagt und geschrieben worden: Sie stehen vor vielfältigen und großen Herausforderungen und sie müssen sich schleunigst überlegen, wie sie diesen begegnen werden. Dies wurde in letzter Zeit (zu Recht) immer wieder betont.

Tatsächlich hört und liest man vor allem Ratschläge und Expertenmeinungen, die einem bestimmten Mantra folgen: Weil immer weniger Menschen ein eigenes Auto besitzen wollten, müsse in Zukunft Mobilität als Dienstleistung anstelle von Fahrzeugen verkauft werden. Angesichts der durch Smartphones und sofortige Verfügbarkeit verwöhnten Kunden, müssten die Automobilhersteller sich einreihen in das Werben um die sprunghaft gewordenen Kunden und eigene Mobilitätslösungen anbieten. Diese wiederum sollten am besten Teil einer möglichst großen Plattform sein und alle denkbaren Mobilitätsbedarfe abdecken.

Im Grunde ist diese Argumentation richtig, denn die vielfältigen und großen Herausforderungen sind ja da. Allen voran das autonome Fahren wird den Kern des traditionellen Geschäftsmodells der Hersteller infrage stellen. Ich bin jedoch der Meinung, dass hierbei eine wichtige Differenzierung vergessen wird: Handelt es sich um einen Premium- oder einen Volumenhersteller?

Es ist doch so: In der „alten“ Auto-Welt, in der wir uns nach wie vor befinden, unterscheiden sich die Premiumhersteller vor allem durch ihre Ingenieurskunst. Mal geht es um das effizienteste, technologisch ausgefeilteste Getriebe, mal um einen Innenraum, der den Insassen ein besonders behagliches Gefühl bietet oder Ähnliches. Aktuell sind es noch immer diese Produkteigenschaften, an denen sich die Unterschiede zwischen den Herstellern erkennen lassen. Genau diese Differenzierungen müssen allerdings mehr oder weniger verschwinden, wenn die heutigen Hersteller dem oben beschriebenen Mantra folgen würden. Wenn das Ziel lauten soll, eine möglichst umfassende Plattform aufzubauen, die sämtliche Mobilitätsdienstleistungen umfasst, die der durchschnittliche Nutzer benötigen könnte, dann werden diese Dienstleistungen logischerweise zur Massenware. Sie werden zu Commodities. Die Mehrheit der Hersteller scheint derzeit das Ziel zu verfolgen, ein weiteres „Amazon der Mobilität“ aufzubauen.

Premiumdienste für Premiumhersteller

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich glaube auch, dass wir solche Plattformen brauchen, um dem sich wandelnden Mobilitätsverhalten der Menschen gerecht zu werden und für mehr Effizienz und weniger verstopfte Straßen zu sorgen. Spätestens im Zeitalter des autonomen Fahrens wird kein Weg mehr an solchen Lösungen vorbeiführen. Die entscheidende Frage ist aber: Ist dies zwangsläufig auch der richtige Weg für die Premiumhersteller?

Ich finde hier ist eine gewisse Skepsis angebracht. Wenn die Premiumhersteller eine Vielzahl von unterschiedlichsten Mobilitätsdiensten aggregieren, besteht zwangsläufig die Gefahr, dass sie ihren extrem wertvollen, über viele Jahrzehnte aufgebauten Markenkern verwässern. Warum sollten sie zur berühmten „eierlegenden Wollmilchsau“ werden? Gerade die Premiumhersteller werden auch in Zukunft eines perfekt beherrschen: Sie werden Fahrzeuge entwickeln und produzieren, in denen man besonders gerne fährt. Dabei ist es letztlich egal, ob man selbst am Steuer sitzen wird, ob das ein Chauffeur übernimmt oder es sich irgendwann um selbstfahrende Fahrzeuge handeln wird. Wäre es nicht naheliegend, exklusive eigene Mobilitätsplattformen zu schaffen, die eben nicht sämtliche Mobilitätsbedarfe abdecken? Man könnte so Strategien der gezielten Verknappung fahren: Bestimmte Mobilitätsdienstleistungen in bestimmten Fahrzeugen, die den Fahrgästen bestimmte Features bieten, gibt es nur für Mitglieder in der höchsten Kategorie (ähnlich wie bei Vielfliegerprogrammen).

Zusätzlich zur Expertise im Fahrzeugbau werden solche Premiumhersteller also noch etwas anderes perfekt beherrschen müssen: Sie müssen ihre Exzellenz auf die neuen Produkte, also die Mobilitätsdienstleistungen, übertragen. Sie müssen auf ihren exklusiven Plattformen herausragende Dienstleistungen anbieten, die anderswo nicht zu bekommen sind. Vorstellbar wären zum Beispiel besonders beeindruckende Unterhaltungsprogramme, mit denen sich die Insassen eines autonomen Fahrzeugs die Zeit vertreiben können.

Kurzum: Die heutigen Premiumhersteller müssen ihre beeindruckende Innovationskraft und herausragende Qualität beim Fahrzeugbau beibehalten, sie aber gleichzeitig auf völlig neue Bereiche übertragen. Nur so werden sie sich auch in Zukunft von Wettbewerbern differenzieren können. Gelingt dies, wird es durch die potenziell hervorragende Skalierbarkeit der künftigen Mobilitätsdienstleistungen auch ökonomisch höchst interessant.

Jens Wohltorf ist Geschäftsführer und Mitgründer von Blacklane, dem weltweiten Chauffeur- und Airport-Concierge-Service. Blacklane ist in über 60 Ländern und 300 Städten weltweit präsent. Dabei garantiert das Unternehmen hochwertige Fahrzeuge mit kommerziell lizenzierten und versicherten Fahrern zu pauschalen Preisen.

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