Während sich Volkswagen in den nächsten Wochen kollektiv in die Werksferien verabschiedet, wartet auf Oliver Blume eine lange Liste an Hausaufgaben. Der 53-jährige designierte Nachfolger des geschassten Vorstandschefs Herbert Diess hat vor allem den Börsengang des Konzernjuwels, der Sportwagensparte Porsche vor der Nase – in einem Umfeld, das für IPOs so schlecht ist wie seit Jahren nicht mehr. Außerdem gilt es, die langwierigen Probleme in der Softwareabteilungzu lösen, welche die Entwicklung neuer Elektro-Porsches und -Audis verzögert.
Diess’ Strategie für Elektroautos, Software und neue Mobilitätsangebote haben VW auf einen Weg gebracht, den selbst die Hauptaktionäre priesen, die ihn schließlich aus dem Amt drängten. Nun ist es an Blume, den zweitgrößten Autobauer der Welt zu transformieren, damit er mit Elektropionier Tesla und den etablierten Konkurrenten Toyota und Stellantis besser mithalten kann.
Das sind einige der Herausforderungen, die auf Blume warten:
Porsche an die Börse bringen
Die industrielle Logik hinter dem Börsengang einer Minderheitsbeteiligung an der profitabelsten großen Marke des VW-Konzerns ist solide. Der IPO könnte der größte aller Zeiten in Europa werden. Er muss ein Erfolg werden, um die niedrige Börsenbewertung von VW endlich zu steigern.
Doch neben Bedenken hinsichtlich der Führungsstruktur wächst die Befürchtung, dass Konjunkturrisiken, steigende Energiekosten und geopolitische Spannungen die Bewertung von Porsche belasten werden. Im Jahr 2019 verlief das Börsendebüt von VWs Lkw-Sparte Traton eher enttäuschend.
Software in den Griff bekommen
VWs Ambitionen, eine eigene Softwaresparte auf die Beine zu stellen, ähneln einer quälenden Odyssee aus Strategiewenden, Führungswechseln und Produktverzögerungen.
Tesla ist den Wolfsburgern weit voraus bei regelmäßigen “Over-the-Air”-Updates, die zusätzliche Funktionen bieten und die Leistung der Fahrzeuge verbessern. Und auch traditionelle Autobauer wie Toyota tun sich weniger schwer damit als VW. Die Nutzung der Möglichkeiten von Software, einschließlich der Erschließung neuer Einnahmequellen, ist eine der Herausforderungen für die Branche insgesamt.
US-Wachstum ankurbeln
VW hat zwar endlich aufgehört, in Amerika Geld zu verlieren, aber das Unternehmen ist noch weit davon entfernt, zu Toyota, General Motors oder Ford aufzuschließen. Um mit diesen und mit Newcomern wie Rivian Automotive besser konkurrieren zu können, lässt VW die Geländewagenmarke Scout wieder aufleben, die einen elektrischen Pick-up und ein robustes SUV anbieten wird.
Im Luxussegment versucht Audi seit langem, es auf globaler Ebene mit der Mercedes-Benz und der BMW aufzunehmen, hat aber keine Produktionsbasis in den USA.
Trendwende in China
VW hat auf seinem größten Markt Anteile verloren, weil es den Chipmangel schlecht in den Griff bekommen hat und es an den digitalen Funktionen mangelt, welche die technikaffinen chinesischen Kunden zunehmend erwarten.
Die neue Fabrik von Tesla in Schanghai ist nicht der einzige Stachel im Fleisch von VW. Auch Produkte lokaler Hersteller sind auf dem Vormarsch. VW kann es sich nicht leisten, dass die Gewinne aus den chinesischen Geschäften, die es zur Finanzierung seiner Elektro-Ambitionen braucht, schwinden.
Herausforderung Tesla
Während VW in der Chip-Krise damit kämpfte, Produktionslinien am Laufen zu halten, konnte der US-Elektroautohersteller trotz der Turbulenzen in der Lieferkette ein stetiges Wachstum verzeichnen.
Nachdem CEO Elon Musk sein Werk in Schanghai in kürzester Zeit zum weltweit leistungsfähigsten gemacht hat, hat er weitere Fabriken im texanischen Austin und in Grünheide bei Berlin eröffnet. Die flotte Expansion von Tesla macht VWs Elektroauto-Projekt Trinity, zu dem auch ein 2-Mrd.-Euro-Werk in Deutschland gehört, umso wichtiger.
Eindämmung von Kontroversen
Gleich nach seiner Ernennung entschuldigte sich Blume für Äußerungen, die er während einer internen Veranstaltung im vergangenen Monat über Finanzminister Christian Lindner gemacht hatte.
Blume hatte damit geprahlt, dass er regelmäßig mit Lindner in Kontakt gestanden habe, als die Ampelkoalition einen Kompromiss zum Thema synthetische Kraftstoffe aushandelte. Der künftige Volkswagen-CEO entschuldigte sich am Wochenende und sagte, er habe den Austausch vereinfacht dargestellt und nicht versucht, Lindner zu beeinflussen.
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