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Einzelhandel Pop-up-Stores: ein Rettungsanker für die Innenstädte

Die Corona-Krise könnte vermehrt für Leerstände in Innenstädten sorgen.
Die Corona-Krise könnte vermehrt für Leerstände in Innenstädten sorgen.
© IMAGO / imagebroker
Sie tauchen auf und verschwinden nach einiger Zeit wieder – Pop-up-Stores liegen seit einigen Jahren im Trend. Nun setzen einige Städte auf das Konzept, um Leerstand in den Innenstädten zu bekämpfen. Kann das funktionieren?

Die Corona-Krise könnte die deutschen Innenstädte maßgeblich verändern . Der Einzelhandel beklagt massive Umsatzeinbrüche, laut Handelsverband HDE ist ein Drittel der Einzelhändler durch die Pandemie in Existenznöte geraten. Insolvenzen und Leerstände könnten die Folge sein. „Wir werden in Zukunft häufiger leerstehende Gewerbeimmobilien sehen, bei denen sich etliche Städte schwer tun, sie wieder zu besetzen“, sagt Michael Reink, Innenstadtexperte des Handelsverbands HDE. Zahlreiche Städte wie Hanau, Meppen, Verden oder Hannover setzen auf Pop-up-Stores um die Leerstände zu bekämpfen.

Pop-up-Stores sind im Grunde Läden auf Zeit. Es sind stationäre Geschäfte, die für einen begrenzten Zeitraum auftauchen und dann wieder verschwinden oder zu einem anderen Standort umziehen. Ursprünglich stammt das Konzept aus den USA. Dort wurde schon 1997 der erste Pop-up-Store eröffnet, damals wurde dort für einen Tag Szenebekleidung verkauft. Bekannt wurde die Idee durch den Unternehmer Russell Miller, der mit seiner Firma Vacant 2000 den ersten Pop-up-Store in New York eröffnete. Inzwischen setzen sogar Internetriesen wie Amazon hin und wieder auf das Konzept.

Die Kurzzeit-Läden könnten auf alle Fälle zu einer Belebung beitragen, sagt Reink: „Pop-up-Stores bringen immer etwas Neues und Frisches“. Davon könnten auch umliegende Geschäfte profitieren: Je mehr Gewerbeflächen vermietet seien, desto größer sei das Angebot und desto attraktiver seien die Innenstädte für die Konsumenten. Das Konzept der Pop-up-Stores sei in Deutschland erstmals vor drei bis vier Jahren aufgetaucht, so Reink. Auch wenn es mittlerweile einige etablierte Unternehmen in diesem Bereich gebe, seien Pop-up-Stores noch immer ein Nischenprodukt. „Durch staatliche Hilfen ist es aber wahrscheinlich, dass wir diese Konzepte in Zukunft häufiger sehen werden“, sagt Reink.

Hanau setzt auf Pop-up-Stores

Die Stadt Hanau hat die Pop-up-Stores zum städteplanerischen Konzept gemacht. „Schon vor der Corona-Zeit haben wir mit Sorge gesehen, dass der Wind dem stationären Einzelhandel und auch den Ketten ins Gesicht bläst“, sagt Martin Bieberle, Geschäftsführer der Hanau Marketing GmbH. Weitere Vermietungen seien schwer geworden. Daher habe die Stadt ein Konzept ins Leben gerufen, das auch auf Pop-up-Stores setzt. Die Idee: Es sollen Menschen Geschäfte betreiben, die „mehr tun als Ware von rechts nach links verschieben, sondern die mit Leidenschaft eine Mission erfüllen“, so Bieberle. Die Stadt fing an, Immobilien zu kaufen und Mietverträge einzugehen. Einzelhändler, die in den Pop-up-Store einziehen wollen, können einen Untermiet-Vertrag mit der Stadt abschließen. „Wir stellen das Grundequipment und je nach Umsatz zahlen die Ladenbetreiber zehn, zwölf oder 15 Prozent Miete“, sagt Bieberle.

Quelle: Hanau Marketing GmbH
Pop-up-Store in Hanau. Quelle: Hanau Marketing GmbH
© Hanau Marketing GmbH

Im September zog Sanaz Ghorbani mit ihrem Unternehmen für ausgefallenes Hundezubehör als erste Mieterin in den Pop-up-Store – in einer Zeit, in der der Einzelhandel massiv unter der Pandemie litt. „Für uns war das eine Möglichkeit zu testen, ob unsere Firma auch in einem Laden funktioniert“, sagt sie. Seit mehr als fünf Jahren verkauft sie ihre Waren online. Vor dem Pop-up-Shop habe sie nicht darüber nachgedacht, einen Laden zu eröffnen, weil das immer mit großen Verpflichtungen einhergehe. „Der Pop-up-Store war für uns sehr attraktiv, weil der Mietpreis subventioniert wird“, sagt sie. Trotz der für den Einzelhandel sehr herausfordernden Corona-Zeit habe sie gutes Feedback von den Kunden bekommen.

Quelle: Hanau Marketing GmbH
Pop-up-Gastronomie in Hanau. Quelle: Hanau Marketing GmbH
© Hanau Marketing GmbH

Ein zweites Pop-up-Konzept verfolgt Hanau mit einem Gastronomie-Betrieb im Hof eines denkmalgeschützten Gebäudes der Stadt. Bis die Restaurants Corona-bedingt wieder schließen mussten, betrieben Uwe und Cornelia Kannengießer dort den Pop-up-Gastronomiebetrieb „Wirtschaft im Hof“ mit durchsichtigen Häuschen im Außenbereich, in denen die Gäste Corona-konform essen konnten. „Wir spielen sowieso mit dem Gedanken, in die Gastronomie zu gehen“, sagt Uwe Kannengießer. „Das wurde natürlich durch Corona nach hinten geschoben.“ Die Pop-up-Gastronomie sei für sie eine interessante Herausforderung gewesen. „Wir haben hier die Möglichkeit, das einmal auszuprobieren“, sagt er. Der Anfang sei durch die Corona-Krise steinig gewesen. „Aber ich denke, wir sind auf einem guten Weg.“

„Die einzige Chance“

Die Pop-up-Stores sind für die Stadt Hanau ein Weg, um durch die Corona-Krise entstandene Leerstände auszugleichen. „Aber das ist natürlich nur ein Baustein von vielen“, sagt Bieberle. Auch er sieht die Herausforderungen durch die Corona-Krise: „Generell ist es natürlich die denkbar schlechteste Zeit für so etwas. Trotzdem und gerade deshalb muss man es jetzt machen.“ Große Ketten würden in den nächsten Jahren keine neuen Läden eröffnen und kaum jemand werde jetzt seine Existenz an den stationären Handel knüpfen. Seine Bilanz lautet daher: „Es ist sicherlich den Versuch, die Energie und die Ressourcen wert, weil man so interessante Punkte in die Innenstadt holen kann, die nachhaltig dafür sorgen, dass Menschen Innenstadt überhaupt als Erlebnis suchen.“ Daher plane die Stadt, das Projekt das gesamte Jahr 2021 weiterzuführen und möglicherweise sogar weitere Projekte zu starten.

Von Städten und Kommunen subventionierte Pop-up-Stores seien eine „Win-Win-Situation“, sagt auch HDE-Innenstadtexperte Reink: „Die Leerstände werden möglicherweise weniger und die Einzelhändler haben eine Möglichkeit, sich auf dem Markt auszuprobieren“.

In der Corona-Krise könnten Pop-up-Stores eine Übergangslösung sein, um neue Leerstände zu überbrücken, sagt auch Joachim Stumpf, Geschäftsführer der Münchner Handelsberatung BBE und der IPH Handelsimmobilien GmbH. „Wir empfehlen es Eigentümern im Moment sogar, weil Einzelhändler im Non-Food-Bereich derzeit nicht bereit sind, langfristige Verträge abzuschließen.“ Sie müssten erst ihre finanzielle Situation ordnen. In dieser Situation sei es für beide Seiten ein Fehler, einen langfristigen Mietvertrag abzuschließen, so Stumpf. „Da sind diese Zwischenlösungen wie Pop-ups genial.“

Weniger attraktiv für Immobilieneigentümer

Für Stumpf steht aber fest: „Ein Pop-up-Store ist eine beliebte Ergänzung an gut frequentierten Standorten, aber nicht die Lösung für ein strukturelles Problem.“ Das Konzept sei wegen der Abwechslung zwar für Verbraucher interessant und auch für kleine Unternehmen und Start-ups attraktiv, weil man Tests auf der stationären Fläche mit dem Onlinegeschäft verknüpfen und so Skalierungseffekte erzielen könne.

Für Immobilieneigentümer sei das Konzept aber meistens uninteressant: „Die Flächen sind sehr Management-intensiv, weil die Verträge nur Kurzläufer sind und die Miete liegt meistens unter der Marktmiete.“ Attraktiv sein könne das Konzept für Shoppingcenter. Immobilieneigentümer würden hier den ganzen Branchenmix steuern, sagt Stumpf: „Für den Eigentümer ist es interessant, wenn er eine flexibel gestaltete Fläche subventioniert, aber dafür die Attraktivität des Centers erhöht und an anderer Stelle mehr verdienen kann.“

HDE fordert Gründerzentren als langfristige Maßnahme

Bislang seien Pop-up-Stores ein gutes Mittel gegen die Leerstände gewesen, sagt HDE-Innenstadtexperte Bieberle. Wegen der durch die Corona-Krise vermehrt drohenden Leerstände fordert der HDE nun ein von Pop-up-Stores abgeleitetes Konzept: sogenannte dezentrale Gründerzentren.

Dabei mietet eine Gemeinde Ladenflächen in Fußgängerzonen an und vermietet sie an Existenzgründer unter – zu Beginn zu einer symbolischen Miete, die sich Stück für Stück bis hin zur marktüblichen Miete steigert. Gleichzeitig, so Reink, könne man Einzelhändler schulen – in Marketing, in der Gestaltung von Schaufenstern, im Onlinehandel. So könne man nachhaltig etwas für die Innenstädte tun und nebenbei versuchen, den Branchenmix in der Stadt zu steuern und für mehr Abwechslung sorgen.

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