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Koloniales Erbe Hat die internationale Gemeinschaft in Haiti versagt?

Gangmitglieder Anfang März in Port-au-Prince
Gangmitglieder Anfang März in Port-au-Prince
© Odelyn Joseph / Picture Alliance
In Haitis Hauptstadt eskalieren Bandenkämpfe. Ein Land zwischen leidender Bevölkerung, politischen Machtkämpfen und kolonialem Erbe. Ein Versuch, Haiti besser zu verstehen

Haiti war der erste freie Staat in Lateinamerika. Nach einem geglückten Sklavenaufstand wurde der Ostteil der Karibikinsel Hispaniola bereits im Jahr 1804 unabhängig. Haiti hatte anderen Staaten damals gewaltig etwas voraus, berichtet Andrea Steinke, Haiti-Expertin am Centre for Humanitarian Action, im Podcast „Wirtschaft Welt & Weit“. Denn allen Personen, die sich im Staatsgebiet aufhielten, wurden Bürgerrechte zugestanden. Zum damaligen Zeitpunkt haben das „weder die Republik Frankreich getan noch die Vereinigten Staaten von Amerika“, konstatiert Steinke. Für sie ist Haiti damit „der erste wirklich moderne Staat“.

Trotzdem trägt Haiti bis heute schwer an seinem kolonialen Erbe. Denn auch nach der Unabhängigkeit 1804 waren die französischen Besitzansprüche nicht plötzlich vom Tisch. Haiti musste sich die Eigenständigkeit förmlich erkaufen. 1825 stimmte die junge Republik zu, hohe Entschädigungszahlungen an Frankreich zahlen. „Der Verlust des französischen Eigentums waren die versklavten Menschen“, erklärt Steinke: „Dafür musste die Republik Haiti 150 Mio. Franc bezahlen.“ Das entspreche einem Umtauschwert von 30 Milliarden Euro heutzutage. Das Land musste „Kredite bei französischen Banken aufnehmen, die noch bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts bezahlt wurden“, beschreibt Steinke. 

Wenn heutzutage Gangs in der Hauptstadt Port-au-Prince kämpfen, dann ist dies ohne ausführlichen Blick in die Historie nicht einzuordnen. In der neuen Podcast-Folge spricht Host Andrea Sellmann mit Andrea Steinke und der Berliner Soziologin Carole Sambale über die schwierigen Startchancen des Karibikstaates, sein Verhältnis zu Frankreich, zu den USA und auch zu uns. Hat die internationale Gemeinschaft versagt – oder orientiert sie sich zu sehr an eigenen Interessen?

Wie fremdbestimmt ist Haiti auch heute noch? Carole Sambale ist selbst in Haiti geboren und bringt uns das Land aus ihrer Perspektive näher. Sie bemängelt eine „gläserne Decke“, die auch heute noch im Land existiere – und zu Aufstand oder aber auch zur Flucht aus dem Land führe. Können es Haitianerinnen und Haitianer wie sie, die im Ausland eine Heimat gefunden haben, schaffen, dass Haiti nicht nur auf dem Papier ein souveräner Staat ist, sondern auch als solcher behandelt wird? Und warum läuft es in der benachbarten Dominikanischen Republik eigentlich besser? Die aktuelle Podcast-Folge liefert Hintergründe, die helfen, die aktuellen Nachrichten, die uns aus dem Karibikstaat erreichen, besser einordnen zu können.

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