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Neue EU-Regeln Der schwierige Kampf gegen die Honigpanscher

Honig, der ins Glas läuft
Selbst im Labor kann gefälschter Honig kaum von echtem unterschieden werden
© IMAGO / Shotshop
Ein Großteil des nach Europa importieren Honigs ist gefälscht. Heimische Imker können mit den billigen Importen nicht konkurrieren – und Verbraucher die Unterschiede kaum erkennen

Wer sich das Honigglas am Frühstückstisch schon einmal genauer angeschaut hat, dem ist auf dem Etikett möglicherweise eine Aufschrift aufgefallen: „Mischung von Honig aus EU- und Nicht-EU-Ländern“. Das bedeutet, dass der Inhalt des Glases theoretisch von überall her stammen kann. Tatsächlich ist in vielen Fällen darüber hinaus aber gar kein Honig im Glas, sondern bloß Zuckerwasser. Das haben Wissenschaftler der EU-Kommission vor wenigen Wochen in einer Studie nachgewiesen. Gefälschte, billige Importe aus Nicht-EU-Ländern bringen heimische Imker in Bedrängnis und führen Verbraucherinnen und Verbraucher in die Irre.  

Fast die Hälfte der Honig-Importe ist gefälscht

Im Supermarkt gibt es verschiedenste Honigsorten, von Blüten- bis Rapshonig über Bioprodukte und „Echten Deutschen Honig“. Ein und dieselbe Sorte kann gleich aussehen, kostet aber unterschiedlich viel. Die meisten greifen dann zum günstigeren Produkt – doch das könnte unter Umständen gar kein echter Honig sein. „Je günstiger die Honige werden, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie nicht echt sind“, sagt Bernhard Heuvel vom Europäischen Berufsimkerverband gegenüber Capital.

Denn echten Honig herzustellen, ist aufwendig und teuer. Für ein handelsübliches 500-Gramm-Glas Honig müssen Arbeitsbienen rund 40.000 mal ausfliegen und bis zu 120.000 Kilometer zurücklegen, rechnet der Deutsche Imkerbund vor. In der Verarbeitung fallen dann vor allem die hohen Energiekosten ins Gewicht. Auch die Glas- und Etikettenkosten seien zuletzt um 40 bis 50 Prozent gestiegen, berichtet Torsten Ellmann vom Deutschen Imkerbund. „Das können wir nicht eins zu eins umlegen, weil wir die Honige dann nicht verkauft kriegen“, sagt er. „Eigentlich müssten die Honige viel teurer werden.“ Heuvel erklärt, dass sich die Produktionskosten gerade in Deutschland im Vergleich zu z.B. Asien oder Südamerika stark unterscheiden. „In Deutschland liegen die Produktionskosten pro Kilo Honig bei 7,90 Euro“, sagt der Berufsimker. „Gefälschten Honig aus dem Ausland gibt es schon ab unter einem Euro pro Kilo, mit Zoll und Lieferung bis vor die Haustüren der Großhändler ist man bei 2,50 Euro.“

175.000 Tonnen Honig importiert die EU jedes Jahr, hauptsächlich aus China, der Ukraine, der Türkei und aus Südamerika. Die Gemeinsame Forschungsstelle der EU-Kommission zeigte Ende März in einer Studie: Ein großer Teil des in die EU importierten Honigs ist gestreckt. Statt aus natürlichem Zucker waren die aus den Jahren 2021 und 2022 stammenden Honigproben mit Zuckersirup, Wasser, Farb- und Zusatzstoffen versetzt. Bei fast jedem außereuropäischen Land stimmte mindestens eine der untersuchten Proben nicht mit den EU-Vorgaben überein, die zum Beispiel einen maximalen Wassergehalt vorschreiben. Die meisten Fälschungen kamen aus der Türkei und aus China. Insgesamt war fast die Hälfte der untersuchten Proben kein echter Honig, im vorherigen Untersuchungszeitraum 2015 bis 2017 waren es nur 14 Prozent gewesen.

Honig-Fälschungen sind kaum zu erkennen

Ein Ergebnis wie dieses hatten Produzenten und Verbraucherschutzverbände schon länger befürchtet. Die seit Jahren steigende Nachfrage nach Honig hat die Preise in der EU auf Höchststände getrieben. 2021 hatte der Markt ein Volumen von 2,3 Mrd. Euro, wie das Marktforschungsunternehmen Euromonitor angibt. Da sich Zuckersirup wesentlich günstiger produzieren lässt, ist die Gewinnspanne bei gefälschtem Honig groß. „Verfälschter Honig wird zu niedrigeren Preisen angeboten, hier können qualitativ hochwertige Honige der Imker preislich nicht konkurrieren“, sagt Ellmann.

Der Europäische Berufsimkerverband arbeitet deswegen seit 2019 mit den Behörden zusammen und recherchiert auch selbst, wo Honigfälscher herkommen. Denn den Unterschied zwischen echtem und gefälschtem Honig könnten selbst Labore nicht immer feststellen, so gut seien die Fälschungen – und Verbraucherinnen und Verbraucher könnten das erst recht nicht. „Was im Moment von Mischungen aus EU- und Nicht-EU-Ländern auf den Etiketten steht, bedeutet, dass der Honig nicht vom Mars kommt“, kritisiert Heuvel. „Ansonsten ist es völlig offen.“ Auch bei Bio-Honig ist nur der Herstellungsprozess zertifiziert, letztlich fliegen die Bienen aber in derselben Landschaft aus wie jene, deren Honig als konventionell verkauft wird. Geschmacklich sind Unterschiede zwischen Honigen ohnehin nur für Experten zu erkennen.

EU will Regeln verschärfen – aber reicht das?

Heuvel hält deshalb eine Preisuntergrenze für Honigimporte für sinnvoll, wie es sie in den USA gibt. Die EU-Kommission will mit einem neuen Gesetzespaket jetzt zunächst für mehr Transparenz sorgen. Auf Initiative von 20 Mitgliedsstaaten hat sie ein neues Gesetzespaket vorgelegt, das die Herkunft des Honigs transparenter machen soll. Zukünftig sollen auf den Etiketten die Herkunftsländer einzeln angegebenen werden. Dabei hatte es im Vorfeld sogar Forderungen danach gegeben, etwa die Anteile der Länder prozentual anzugeben und noch strenger zu kontrollieren. Ein Beamter eines Mitgliedsstaats, mit dem die „Financial Times“ gesprochen hat, hält die neuen Regelungen nicht für ausreichend: eine bessere „Rückverfolgbarkeit“ des Honigs sei notwendig. Denn die Studienergebnisse hätten gezeigt, dass die wahre geografische Herkunft des Honigs oft verschleiert würde.

Der Deutsche Imkerbund spricht sich darüber hinaus für striktere Einfuhrkontrollen und stärkere Sanktionen aus. Ex- und Importeure, die verfälschten Honig auf den Markt bringen, müssten mehr rechtliche Konsequenzen fürchten, sagt Ellmann. Außerdem bräuchte es endlich einheitliche Qualitätsstandards. Bis dahin seien Verbraucher am besten beraten, wenn sie ihren Honig beim heimischen Imker kaufen.

Gefälschte und billige Honigimporte könnten auf Dauer aber nicht nur Verbraucherinnen und Verbraucher täuschen und europäische Imker unter Druck setzen, sondern auch der europäischen Wirtschaft schaden. Denn die Bestäubung der Bienen lässt sich nicht importieren. 22 Mrd. Euro tragen Bestäuber, darunter Bienen, laut der Abteilung für Ernährungssicherheit der Europäischen Kommission jährlich zur europäischen Landwirtschaft bei. Während sie beim Nektarsammeln Tausende von Kilometern zurücklegen, bestäuben sie Millionen Blüten von Nutz- und Wildpflanzen. Dadurch, dass Bienen auch große Felder in kurzer Zeit bestäuben, reifen die Pflanzen gleichmäßiger und Landwirte haben bei der Ernte weniger Verluste.

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